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Autonome Helfer – KI-Agenten übernehmen immer spezifischere Aufgaben

KI-Agenten können viel mehr als nur Fragen beantworten. Sie erledigen Aufgaben selbstständig, rasch und effizient. Tipps, wie Unternehmen sie einsetzen können.

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 10/2025

Wer bei KI-Agenten an Spionagethriller und James Bond denkt, liegt falsch. Vielmehr handelt es sich dabei um künstliche Intelligenz, die einfache Aufgaben eigenständig plant, durchführt und Entscheidungen trifft. Geht es um komplexere Fragen, helfen sie, die Entscheidungen vorzubereiten.

Sie arbeiten rund um die Uhr, beschleunigen betriebliche Prozesse und verbessern deren Qualität. Das steigert die Produktivität, zumal die Agenten skalierbar und leicht an neue Anforderungen anpassbar sind. Für Firmen lohnt es sich also, die Anwendungsmöglichkeiten im eigenen Betrieb einmal auszuloten

ChatGPT & Co. als Grundlage

„Der Einsatz von KI-Agenten verspricht zukünftig für die Unternehmen in vielen Fällen enorme Fortschritte“, bestätigt KI-Expertin Gerlinde Zimmermann, Consultant bei der Münchner Alexander Thamm GmbH. Das Beratungshaus hat europaweit bisher rund 2.700 KI- und Datenprojekte durchgeführt, in mittelständischen Unternehmen ebenso wie in Großkonzernen oder staatlichen Organisationen.

Projektbeispiele aus der Praxis verdeutlichen das Potenzial. „Wir programmieren die verschiedenen KI-Agenten selbst und integrieren generative künstliche Intelligenz wie etwa ChatGPT von OpenAI gleichsam als Grundlage“, sagt Zimmermann. Jeder Agent erledigt spezielle Aufgaben, vergleicht beispielsweise die von Sensoren erfassten Messwerte zu Temperatur- oder Vibrationsbelastungen der Produktionsanlagen und wertet die Messdaten aus.

Virtuelle Arbeitsteilung

Um zum Beispiel Testberichte in der Produktentwicklung zu erstellen, teilen sich mehrere autonome Helfer die Aufgabe. „Vereinfacht gesagt, hat einer die Testergebnisse zusammengefasst, ein anderer hat sie geprüft und verglichen, ein Dritter verifizierte die Resultate“, berichtet die Expertin. „Die KI-Agenten schaffen die Erstellung der Testberichte in einem halben Tag, manuell hat es für die Testingenieure früher mindestens 1 Woche gedauert.“

Letztlich ergeben sich dadurch jährliche Einsparungen in Millionenhöhe. Dabei stellen die Agenten ihre Ergebnisse grundsätzlich in Textform bereit, ähnlich wie andere generative Künstliche-Intelligenz-Systeme.

Möglichkeiten längst nicht ausgereizt

Für einen Hersteller chemischer Produkte entwickelten die Berater ein Agentensystem, das selbstständig die am besten geeignete Produktvariante kundenspezifisch auswählt. „Dabei gilt es, spezielle Produkteigenschaften für den Anwendungsfall zu analysieren, zum Beispiel die Auswirkung auf die Oberflächenbeschaffenheit und andere Merkmale“, erläutert Zimmermann. Viele weitere Aspekte flossen in den automatisierten Auswahlprozess ein, etwa Vergleiche der Rohstoffpreise, Lagerbestände und Lieferzeiten.

Die Einsatzmöglichkeiten von KI-Agenten sind längst noch nicht ausgereizt. „Sie übernehmen immer spezifischere Aufgaben und einmal erstellte Agenten lassen sich beliebig für andere Projekte weiterverwenden“, erklärt die Expertin. Nach ihrer Einschätzung dürften die Fähigkeiten künftiger Systeme weit über aktuell bekannte Lösungen hinausgehen. „Ein nächster Entwicklungsschritt sind beispielsweise Lern-Avatare, die als virtuelle Trainer selbstständig Weiterbildungsseminare durchführen.“

Relevante Arbeitserleichterung

Nicht nur Großunternehmen machen sich die Agenten als virtuelle Mitarbeiter zunutze: „Viele Mittelständler bauen interne Wissensdatenbanken auf, in denen ihr Firmenwissen über einen Chatbot verfügbar gemacht wird – eine enorme Erleichterung im Arbeitsalltag, die für viele extrem relevant ist.“

Entsprechend groß ist das Interesse von Firmen. „Der Bedarf an KI-Agenten wächst in den Unternehmen enorm“, beobachtet Moritz Wagner, KI-Experte bei der Münchner Unternehmensberatung The Nunatak Group GmbH. Die Beratung unterstützt Firmen bei der digitalen Transformation und setzt dazu auch KI-Agenten ein.

Um ein Vielfaches schneller

Wagner beschreibt eine aktuell gebräuchliche Anwendung: „Die Agenten schreiben und verschicken E-Mails, beantworten selbstständig E-Mail-Anfragen und verfassen Produktangebote, die genau zu den Anfragen passen.“ Dabei berücksichtigen sie etwa Lagervorräte, Lieferzeiten, die aktuelle Preisgestaltung sowie weitere Aspekte. Unternehmensjuristen und Experten aus den Fachabteilungen prüfen abschließend, ob die per KI-Agenten formulierten Angebote fehlerfrei sind.

Im Vergleich zur manuellen Angebotserstellung ist die Zeitersparnis beträchtlich. „Ohne Agenten hat es mehrere Wochen gedauert, bis ein Vertragsangebot fertig war, mit KI-Unterstützung geht es um ein Vielfaches schneller“, sagt der Wirtschaftsingenieur. „Dadurch haben die Mitarbeiter viel mehr Zeit, um sich auf komplexe Aufgaben zu konzentrieren.“

Abgestimmt auf Kunden-IT

Agenten helfen zudem bei der Suchmaschinenoptimierung, kurz SEO. Für Onlineshops zum Beispiel verfassen sie SEO-gerechte Produktbeschreibungen und sorgen unter anderem mit Keywords, Schreibstil und Gestaltung dafür, dass die eigenen Websites bei Google-Suchanfragen weit vorn landen.

Die Münchner Berater setzen bei der Entwicklung von KI-Agenten auf bereits vorhandene Lösungen wie ChatGPT, sind aber nicht auf bestimmte Modelle angewiesen. „Darauf bauen wir auf. Unsere Kunden betreiben die KI-Agenten meist auf ihren Servern selbst“, erklärt Wagner. „In vielen Unternehmen stehen aktuell die Verankerung und die Verknüpfung der Agenten mit den betrieblichen IT- und Dateisystemen im Fokus, einschließlich der betrieblichen Regelungen für die Freigaben entsprechend den internen Richtlinien.“

Wachstumsschub für KMU

Der KI-Experte ist überzeugt, dass sich gerade für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) dank Agentenhilfe neue Wachstumsperspektiven eröffnen. „KMU können damit letztlich mehr Aufträge in einer besseren Qualität abwickeln, ohne zusätzliches Personal einzustellen.“ Damit ließen sich auch die Folgen des Fachkräftemangels zumindest eindämmen.

Basis: qualitativ hochwertige Daten

„Erforderlich sind jedoch qualitativ hochwertige Daten, mit denen man die KI füttern kann“, so Wagner. Er empfiehlt, künstliche Intelligenz und Agentensysteme schlicht und einfach einmal „im sicheren Raum“ auszuprobieren. „Das wäre ein guter Einstieg, um die Technologie mit ihren Potenzialen kennenzulernen.“

Und: Das Thema IT-Sicherheit sollten Unternehmen beim Einsatz von künstlicher Intelligenz ebenfalls immer im Blick haben. (s. Artikel „Die Abwehr stärken“).

IHK-Info: Praktische Tipps zu KI im Betrieb

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