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Was ist ein „Erstinverkehrbringer“?

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Ob Händler oder Importeur – wer eine Ware als erster auf den Markt bringt, hat Pflichten

Unter der Lupe: Das EU-Recht enthält häufig erklärungsbedürftige Begriffe. Ein Beispiel sind das Inverkehrbringen und der Erstinverkehrbringer.

Von Stefan Bottler, 03/2024

Es sind echte Zungenbrecher – aber gängige europäische Rechtsbegriffe: das Inverkehrbringen und der Erstinverkehrbringer. Was und wer damit gemeint ist, lässt sich zunächst aus dem Wort selbst herleiten: „Unter Inverkehrbringen versteht das EU-Recht die – in der jeweiligen Lieferkette – erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem europäischen Markt beziehungsweise seine Einfuhr“, erläutert Johannes Weidl, stellvertretender IHK-Referatsleiter International. „Mit Bereitstellung ist zugleich jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem europäischen Markt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit gemeint“, ergänzt er.  

Damit erklärt sich auch der Erstinverkehrbringer: Hersteller, Importeure, Händler, Weiterverarbeiter bis hin zu Anbietern von Leasing oder Mietverträgen können Erstinverkehrbringer sein. Eben all diejenigen, die das Produkt erstmals auf dem EU-Markt bereitstellen beziehungsweise vertreiben, verbrauchen, verwenden. Das gilt natürlich genauso für den deutschen Markt.

Terminus mit Pflichtenheft

Warum gibt der Gesetzgeber dem Inverkehrbringen und dem Erstinverkehrbringer so viel Bedeutung? Hier kommt es auf das „erstmalig“ und das „Erst-“ an. Denn wenn etwas erstmals auf dem Markt bereitgestellt wird, muss der, der es bereitstellt, die gesetzlichen Anforderungen, die Produktsicherheit oder Qualität, die Registrierung oder Lieferkettensorgfalt sicherstellen. „Mit dem Inverkehrbringen gehen also für den Erstinverkehrbringer auf dem Markt wichtige Pflichten einher“, so Weidl.

Uneinheitlicher Gebrauch

Dabei wendet die EU das Inverkehrbringen und den Inverkehrbringer nicht immer einheitlich an. Sie variieren je nach Richtlinie oder Verordnung. Mal schließt die EU bestimmte Tatbestände beim Inverkehrbringen ausdrücklich aus, mal fügt sie zusätzliche hinzu. Mal ordnet sie die Erstinverkehrbringer unter anderen Bezeichnungen ein, mal weist sie explizit ihnen Aufgaben zu. Dieser uneinheitliche Gebrauch kann für Irritationen sorgen.

Hersteller …

„Gesetze, die den Umweltschutz stärken, heben beim Inverkehrbringen von Waren zum Beispiel die Verantwortung des Herstellers hervor“, sagt Sabrina Schröpfer, IHK-Referentin für Umweltpolitik. Das trifft auf das deutsche Batteriegesetz, das Elektrogesetz oder das Verpackungsgesetz zu. Alle drei Gesetze setzen europäische Vorgaben um. „Für Produkte, die Gegenstand dieser Gesetze sind, gilt sogar eine erweiterte Herstellerverantwortung, die auch die Rücknahme und Entsorgung regelt.“ Schröpfer ergänzt: „Schaut man sich nun beispielsweise speziell das Verpackungsgesetz an, ist mit Hersteller aber nicht der eigentliche Produzent leerer Verpackungen gemeint – sondern der typische Erstinverkehrbringer verpackter Ware wie Händler, Importeure, Online- oder Versandhändler. Selbst Hersteller und Händler, die einen Abfüller mit dem Verpacken beauftragt haben, können unter den Begriff fallen.“ Das sei wichtig zu wissen, damit wirklich alle Betroffenen sich angesprochen fühlen und ihre Pflichten erfüllen.

… oder Marktteilnehmer?

Weiteres Beispiel: die neue EU-Entwaldungsverordnung. Deren Regeln müssen ab Ende 2024 von den Unternehmen umgesetzt werden. Sie betrifft Produkte wie Soja, Palmöl oder Rindfleisch. Egal ob sie aus Drittstaaten oder Europa selbst stammen: Es dürfen für sie seit Ende 2020 keine Wälder mehr zerstört oder geschädigt worden sein beziehungsweise werden. „Hier spricht die EU von Marktteilnehmern und Händlern, die die Regeln einhalten müssen“, sagt IHK-Nachhaltigkeitsexpertin Henrike Purtik. Marktteilnehmer löst die EU dann wiederum in Erstinverkehrbringer und in Weiterverarbeiter auf.

Wie entkommen Unternehmen der europäischen Sprachverwirrung? Purtik rät: „Sich nicht von den sperrigen Termini verwirren lassen. Ein Blick in die jeweilige Verordnung oder Richtlinie verschafft Klarheit über betroffene Akteure und Pflichten.“ Im Zweifel sorgt auch ein Anruf bei der IHK für Klarheit.

IHK-Info zur Herstellerverantwortung

Weitere Informationen gibt es auf der neuen BIHK-Informationsseite zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) im europäischen E-Commerce.

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