Agiler Helfer – Roboter »Panda« von Franka Emika

Steffi Sammet, Ausgabe 03/2020

Sie können zupacken und feinfühlig sein, flexibel reagieren und dazulernen. Roboter erhalten laufend neue Fähigkeiten. Das erweitert ihre möglichen Einsatzbereiche enorm.

Geht es nach Philipp Zimmermann (38) und seinen Gründerkollegen Simon Haddadin (34) und Dirk Engelmann (50) vom Münchner Robotikunternehmen Franka Emika GmbH, dürften bald mehr Menschen an ihrem Arbeitsplatz einem Roboter begegnen. Ihr 2016 gestartetes Unternehmen hat ein intelligentes Roboterassistenzsystem (»Panda«) entwickelt, mit dem sich Bereiche automatisieren lassen, die für die künstlichen Helfer bisher nicht zugänglich waren. Der Roboter mit sieben Achsen kann bis zu drei Kilogramm bewegen und ist äußerst agil – selbst wenn nur wenig Platz vorhanden ist. »Das allein macht ihn noch nicht außergewöhnlich«, erklärt Zimmermann. Es sei vor allem seine Feinfühligkeit, die ihn auszeichne. Drehmomentsensoren verleihen dem Roboter einen Tastsinn und damit einen hohen Empfindlichkeitsgrad. Das lässt ihn wie einen Menschen spüren, Objekte erkennen und mit ihnen interagieren. »Durch die Kraft- und Drehmoment-Meldungen, die er über die rund 100 eingebauten Sensoren erhält, kann er sensible und präzise Tätigkeiten ausführen: gefühlvoll Pakete aus Kisten nehmen und verteilen oder einen USB-Stick in einen Laptop stecken«, erklärt Zimmermann. Den Unternehmer fasziniert vor allem die Idee, mit dem Roboter älteren Leuten ein selbstständigeres Leben zu ermöglichen: »Der Panda könnte ihnen unter anderem ihre Kaffeetassen abnehmen und in die Spüle stellen oder beim Zähneputzen helfen.« Das Beispiel zeigt, welch große Fortschritte Roboter gerade machen. Und mit den Fähigkeiten wachsen auch die Einsatzmöglichkeiten der technischen Helfer. Sie stehen hinter automatisierten Produktionsprozessen in der Industrie, können aber auch flexible Handreichungen zum Beispiel im Krankenhaus übernehmen. Experten schätzen das Potenzial vor allem von assistierenden Robotersystemen, die auf die Zusammenarbeit mit Menschen ausgelegt sind, hoch ein. »In Zukunft werden Roboter und die Zusammenarbeit von Robotern und Menschen alltäglich sein – auch außerhalb von Fabriken«, prognostiziert Roman Weitschat (35), Koordinator der Factory of the Future am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Berater für Mensch-Roboter-Kollaboration. Der Trend zu Robotik und Automation spiegelt sich im Wachstum des Markts: Erwirtschaftete die Branche 2009 in Deutschland 6,2 Milliarden Euro, waren es im Vorjahr schon 15,1 Milliarden Euro. Für 2020 prognostiziert der Verband Deutscher Maschinenund Anlagenbau (VDMA) zwar einen deutlichen Rückgang des Branchenumsatzes, weil angesichts der konjunkturellen Unsicherheit die Unternehmen zurückhaltend investieren. »Aber mittelfristig«, betont Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Robotik und Automation, »kehrt die Branche auf ihren Wachstumskurs zurück.«

Programmieren via App

Für ein dynamisches Wachstum spricht, dass das Einrichten der Systeme immer einfacher wird: Es muss nicht mehr Wochen oder Monate dauern, bis ein Roboter programmiert ist. Ein wesentlicher Fortschritt, denn gerade dieser langwierige Prozess erschwerte kleinen und mittleren Unternehmen lange den Einsatz von Robotern. »Der war vor allem dann nicht praktikabel, wenn ein Betrieb eine geringe Stückzahl von einem Produkt herstellt oder die Aufgaben in der Produktion rasch wechseln«, sagt Franka-Emika-Geschäftsführer Zimmermann. Die Roboter des Münchner Start-ups lassen sich mittlerweile per App programmieren. Soll beispielsweise eine Schraube angezogen werden, muss der Nutzer lediglich die passende App aufrufen und dem Roboter anschließend zeigen, an welcher Schraube er arbeiten soll. »Je nach Anforderung sind unsere Roboter so innerhalb von Minuten oder Stunden einsatzbereit und die programmierten Abläufe können schnell an neue Gegebenheiten angepasst werden – ohne spezielles technisches Wissen«, so Zimmermann. An innovativen Robotersystemen arbeitet mittlerweile eine Vielzahl von jungen Unternehmen in Oberbayern. Das 2016 gegründete Münchner Start-up Robominds GmbH etwa hat ein System entwickelt, das die optimalen Greifpunkte für unterschiedliche, sich überlappende Objekte mit verschiedensten Oberflächen oder Formen berechnet. Der Clou dabei: Die Objekte werden vorher nicht eingescannt.

Smart mit Bildverarbeitung

»Müsste der Roboter feines Glas oder ein Ei von einer Kiste in eine andere legen, würde er auch das schaffen, wenn es nötig wäre«, sagt Robominds-Gründer Andreas Däubler (33). Grundsätzlich aber eigne sich das System vor allem für Prozesse in der Automobil-, Maschinenbau- und Logistikbranche. Eine 3-D-Kamera, ein Industrie-PC und die passgenaue Software robobrain ermöglichen die Automatisierung von Abläufen. Dabei bestimmt die Software mittels künstlicher Intelligenz die Greifpunkte automatisch. »Hat der Roboter die Kiste leer geräumt, lernt er nichts mehr und meldet auf dem Display beispielsweise ›Kiste austauschen‹«, so Däubler. Ob es nun darum geht, Obstsalat in Plastikschälchen abzupacken und auf Paletten zu stapeln oder andere sogenannte Pick&Place-Aufgaben zu erfüllen: »Das Interesse an passgenauen Systemlösungen, die sich innerhalb weniger Stunden installieren lassen, wächst zunehmend«, beobachtet der Robominds-Geschäftsführer. »Allerdings müssen wir noch eine Menge Missionsarbeit leisten, um Unternehmen mit unseren Lösungen vertraut zu machen.« Den Autobauer Daimler mussten die Münchner nicht mehr überzeugen: Die Stuttgarter klopften 2019 bei Robominds an und stehen dem Start-up seither als Kunde und Partner zur Seite. Auch in Japan ist Robominds bereits bekannt. »Viele japanische Unternehmen spüren den demografischen Wandel ihrer Gesellschaft. Sie finden keine Mitarbeiter mehr, die kommissionieren«, sagt Däubler. Daher seien sie extrem offen, diese Prozesse zu automatisieren. Für den Autobauer Mitsubishi entwickelt Robominds seit Mitte 2018 eine große Applikation. Robotikexperte Weitschat ist überzeugt, dass es mehr und mehr Bereiche geben wird, »die von der Robotik und deren Interaktion mit dem Menschen profitieren werden. Letztendlich werden wir mit diesen Systemen zusammenarbeiten.« Wie vielseitig Roboter eingesetzt werden können, zeigt eine Entwicklung des Startups Roboception. Sein 3-D-Stereosensor rc_visard ermöglicht es Robotern, zeitund ortsbezogene Daten in Echtzeit zu generieren – in einer Vielzahl von Branchen. Landwirte zum Beispiel können dank der ermittelten Daten eine Prognose für ihre Ernte geben oder präzise Unkraut identifizieren und beseitigen. Klinikbetreibern erleichtert die 3-D-Navigation von Roboception eine effiziente Versorgung ihrer Patienten. Auch die Reinigung des Krankenhauses und des Bestecks sowie ein sicherer Medikamententransport lassen sich mithilfe des 3-D-Stereosensors realisieren.

Die Kosten sinken

Robotikspezialist Weitschat führt noch ein weiteres triftiges Argument an, warum sich intelligente Roboter in einem breiten Anwendungsfeld durchsetzen könnten: Die Kosten sinken. Derzeit zahlt ein Unternehmen für einen assistierenden Roboter je nach Bedarf zwischen 15000 und 80000 Euro. »Die Preise sind bereits in den vergangenen Jahren enorm gefallen«, sagt Experte Weitschat, »und es ist davon auszugehen, dass sie weiter sinken.«

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