Ludmilla Parsyak/Fraunhofer IAO ©
Im KI-Studio können Besucher testen, wie KI Schraubarbeiten überwacht

Wie lässt sich künstliche Intelligenz in der Praxis einsetzen? In den KI-Studios können Unternehmen praxisnahe Lösungen ausprobieren.

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 07-08/2024

Von der Produktionsplanung über Qualitätskontrollen bis zum Marketing – die Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz (KI) sind denkbar breit gefächert. Was alles in der Technologie steckt, zeigt das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) auf anschauliche Art und Weise in seinem KI-Studio im Münchner Werksviertel.

Die neuen Angebote kommen gut an. Seit dem Start im September 2023 informierten sich in München bereits mehr als 40 Unternehmen über Einsatzfelder und Potenziale betrieblicher KI-Lösungen. Ein zweites Studio eröffnete Anfang Februar 2024 in Stuttgart.

Testen ohne Vorkenntnisse

„Wir machen künstliche Intelligenz zugänglich und zeigen den Nutzen auf eine leicht verständliche Weise anhand von Praxisbeispielen“, verspricht Matthias Peissner (50), Leiter des IAO-Forschungsbereichs Mensch-Technik-Interaktion in Stuttgart. „Unternehmer und Mitarbeitende dort können die zukunftsweisende Technologie selbst ausprobieren“. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Das IAO und das Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart führen das KI-Studio-Projekt gemeinsam durch. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Dreh- und Angelpunkt sind interaktive Demonstratoren mit Bildschirmen und Computern.

Intelligente Produktionsplanung

Eines der praxisnah konzipierten KI-Beispiele zeigt eine vorausschauende Produktionsplanung. Sie hilft, Produktionsprozesse dynamisch umzuplanen und die besten Planungsoptionen hinsichtlich Auftragslage, Personalverfügbarkeit sowie weiterer Faktoren auszuwählen. Kommt es zu unerwarteten Zwischenfällen, etwa Personalmangel, Materialengpässen oder Auftragsstornierungen, dann schlägt die KI zweckmäßige Auswege vor. Sie ermittelt für jede Planungsoption die zu erwartenden Effekte und stellt der Produktionsleitung die Grundlagen für weitere Entscheidungen zur Verfügung.

Textgenerierung: Wahrscheinliche Wortketten

Ein anderer Demonstrator verdeutlicht, wie künstliche Intelligenz im Kundencenter weiterhelfen kann. Das Spektrum reicht von Auskünften zu Produktangeboten oder Vertragstarifen bis hin zu technischen Fragen. Die KI-Sprachmodelle zeigen anhand von Formulierungsvorschlägen, wie die Textgenerierung funktioniert und wie die Auswahl der Trainingsdaten die KI-erzeugten Texte beeinflusst. Dabei soll zum Beispiel erkennbar werden, dass die KI-basierte Textgenerierung eben nicht auf einem inhaltlichen Verstehen beruht, sondern auf dem Aneinanderreihen von wahrscheinlichen Wortketten.

Künstliche Intelligenz kann überdies die Bewertung und Auswahl von Ausschreibungsangeboten erleichtern. KI-basierte Textanalysen zeigen in einer vergleichenden Darstellung, inwieweit die Ausschreibungsangebote die Anforderungen erfüllen. Dadurch lassen sich die geeignetsten Angebote fundiert und schnell herausfiltern. Dies gilt auch dann, wenn die Angebotstexte frei formuliert und unterschiedlich formatiert sind.

Richtig geschraubt? KI als Kontrolleur

Hilfreich ist die Technologie überdies in der Qualitätskontrolle. Ein Demonstrator führt im Studio Stuttgart vor, wie die KI manuell durchgeführte Schraubvorgänge überwacht, wie sie Fehler beim Schrauben erkennt und die Qualität von Schraubverbindungen bewertet. Der intelligente Schrauber lässt sich vor Ort ausprobieren. Nachdem ein Besucher eine typische Aufgabe erledigt hat, erhält er vom Demonstrator ein konkretes Feedback zur Qualität seiner Schraubarbeit. Passen Schraubwinkel und Drehmoment? Wurde die Unterlegscheibe richtig eingelegt?

Nützlich ist eine solche KI-Lösung etwa beim Verschrauben von Bauteilen in der Produktion von Turbinen oder Batteriepacks für Elektrofahrzeuge. Zumal in manchen Fällen jeder einzelne Arbeitsschritt bestimmten Vorschriften entsprechen und rückverfolgbar sein muss. Außerdem kann das System Informationen über den Ermüdungszustand des Monteurs liefern und zum Beispiel Pausen vorschlagen.

Inspiration für Marketingkampagnen

Im KI-Studio können Besucher darüber hinaus in die Rolle von Agenturmitarbeitern schlüpfen und ein Grobkonzept für eine Marketingkampagne entwerfen. Bei der Entwicklung von geeigneten Slogans und Bildern lassen sie sich von generativer KI inspirieren, übernehmen die Vorschläge des Demonstrators oder verwenden diese als Anregung für eigene Ideen. Auf diese Weise entsteht in kurzer Zeit ein fertiges Kampagnenkonzept.

Sensordaten analysieren, Erkrankungen erkennen

Ein weiterer Demonstrator fokussiert Pflegedienste. Das KI-System gibt Empfehlungen, die auf der Analyse diverser Sensordaten von Pflegebedürftigen beruhen, und hilft dabei, Erkrankungen sowie Notfälle zu erkennen. Die KI weist zudem auf Pflegebedürftige hin, die womöglich Hilfe benötigen. Der dargestellte Anwendungsfall soll auf weitere Einsatzbereiche in anderen Branchen übertragbar sein, in denen mehrere Aufgaben parallel zu erledigen sind, etwa in der Produktion.

Infomobile bringen Studios zu den Betrieben

„Das Interesse an den Demonstratoren bei den Unternehmen ist riesig“, freut sich IAO-Experte Peissner. Für den mobilen Einsatz der Demonstratoren sind mittlerweile auch zwei KI-Infomobile unterwegs. „Damit bringen wir die KI-Studios auf Wunsch zu den Betrieben vor Ort und sind an verschiedenen Veranstaltungsorten wie etwa Messen präsent“, erläutert Peissner. „So kann man die KI hautnah erleben, ohne weit reisen zu müssen.“

IHK-Info: Künstliche Intelligenz

Mehr zu künstlicher Intelligenz hat die IHK auf ihrer Website.

IHK-Veranstaltungstipp: KI-Studio und Workshops 

Die Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zeigen in den Veranstaltungen des KI-Studios einige Anwendungsbeispiele von künstlicher Intelligenz und erläutern deren Vorteile. Zudem bieten sie regelmäßig Workshops an.

Der nächste KI-Workshop findet am 17. September im PionierHUB des Fraunhofer IAO statt.

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