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Gutes Investitionsklima – Griechenland. Im Bild: Athen

Griechenland ist gestärkt aus der Finanzkrise hervorgegangen. Als Markt und Standort für bayerische Mittelständler wird das Land zunehmend interessant.

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 01–02/2024

Stelios Gikas sitzt im T-Shirt in seinem Büro. „Ich überlege, die Klimaanlage anzuschalten“, sagt er. In Thessaloniki ist es im November um die Mittagszeit stolze 28 Grad warm. Seit 7 Jahren ist der Bayer mit griechischen Wurzeln Geschäftsführer der noris M.I.K.E. Dies ist eine Tochterfirma des IT-Dienstleisters noris network AG mit Hauptsitz in Nürnberg und einem der modernsten und energieeffizientesten Rechenzentren unter anderem in München.

„Nachdem wir in Deutschland vom Fachkräftemangel betroffen waren, haben wir 2016 beschlossen, in Thessaloniki eine Tochterfirma zu gründen“, sagt Gikas (41). „Wir haben mit 5 Mitarbeitern angefangen. Mittlerweile beschäftigen wir 31 Leute. Und ein weiterer Ausbau ist geplant.“

Seit dem Abflauen der großen Staatsschuldenkrise 2016/2017 haben etliche, vor allem größere bayerische Unternehmen Dependancen in Griechenland eröffnet. Doch seit vergangenem Sommer entdecken auch mehr und mehr Mittelständler das Land. Ein Grund dafür ist, dass die wiedergewählte konservative Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis das Investitionsklima für ausländische Investoren sukzessive verbessert, etwa im Rahmen des neuen Investitionsförderungsgesetzes oder des neuen Gesetzes für strategische Investitionen. Dadurch profitieren ausländische Firmen von direkten Zuschüssen oder Steuererleichterungen.

EU-Fördermittel, geringes Lohnniveau

„Die griechische Regierung hat viel für die Wirtschaft getan“, sagt Gikas. „Sie hat den Körperschaftsteuersatz von 24 auf 21 Prozent gesenkt.“  

Europäische Fördermittel, etwa aus dem Aufbaufonds der Europäischen Union oder aus dem EU-Partnerschaftsvertrag sprudeln ebenfalls. Auch sie sollen Investitionen im Land ankurbeln. Im Fokus stehen öffentliche Infrastrukturprojekte, die Digitalisierung sowie grüne Technologien. Neben der Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, dem Abbau von Bürokratie und der Digitalisierung bietet Griechenland weitere Vorteile, wie zum Beispiel gut ausgebildete, günstige Fachkräfte. Laut Gikas beträgt das griechische Lohnniveau nur rund die Hälfte des deutschen.

Logistik Hub für den Warenverkehr von und nach Südeuropa

Hinzu kommt die günstige geografische Lage in Südosteuropa am Mittelmeer. „Griechenland entwickelt sich daher schon seit geraumer Zeit zum Logistik-Hub für den Warenverkehr von und nach Südeuropa und übernimmt die Rolle einer Drehscheibe in der Balkan-Region“, sagt Sandra Dirnberger, Referentin Europa bei der IHK für München und Oberbayern.

Zur Lage gehört aber auch das mediterrane Klima. „Das Land ist ein Gottesgeschenk mit der Sonne und den Feldern“, sagt Stavros Kostantinidis (57), Rechtsanwalt bei der Münchner Kanzlei Gollob und seit vielen Jahren ein großer Netzwerker zwischen Deutschen und Griechen. Daher biete sich für bayerische Firmen eine interessante Chance, im Bereich Agrar und Lebensmittel zu investieren. „Griechenland hat mehr zu bieten als Olivenöl“, sagt er.

Auch Wein, Paprika, Melonen, Orangen oder Reis könnten angebaut werden. „Ferner bieten die klimatischen Bedingungen gute Möglichkeiten für Solar- und Windkraft.“ Ein mediterranes Klima bedeutet zudem, dass der Tourismus boomt. Besonders bei Deutschen und Engländern ist Griechenland ein beliebtes Reiseziel. Auch für bayerische Tourismusentwickler ist daher vieles möglich.

Agrar, Solar, Tourismus, Bau: vielfältige Chancen

Das gilt ebenfalls für die Baubranche, die neue Hotels errichten kann. Oder zeitgemäße Geschäftshäuser. Sie werden benötigt, da vor allem in Athen kaum Bürogebäude nach internationalen Standards zu finden sind. Aus diesem Grund hat der Starnberger Projektentwickler Ehret+Klein GmbH die Tochtergesellschaft Ehret+Klein Development Greece S.A. gegründet und Anfang 2022 ein ehemaliges Verlagsgebäude in Athen übernommen. Das Haus wird nun zu einem modernen, nachhaltigen Bürogebäude umgebaut. Und das soll erst der Anfang sein. Weitere Projekte in Hellas sind in Planung.

„In den Krisenjahren hat sich ein Investitionsstau gebildet. Seit 2019 spüren wir den Aufwärtstrend“, sagt Athanassios Kelemis (63), geschäftsführender Vorstand der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer. „Der Konsum ist stark angestiegen.“ Das zeigt sich in der Exportstatistik. Während 2018 die deutschen Ausfuhren rund 5,8 Milliarden Euro betrugen, waren es 2022 schon fast 8,4 Milliarden. Vergangenes Jahr lagen die Einfuhren laut Kelemis bereits bei knapp 12 Milliarden Euro.

Griechenland braucht, was deutsche Firmen anbieten

Vor allem nachhaltige  Produkte und Hightech aus Deutschland werden nachgefragt. „Denn die Griechen hinken in puncto Wettbewerbsfähigkeit noch hinterher“, sagt Kelemis. Dennoch wuchs die heimische Wirtschaft 2022 um 6 Prozent, 2023 um 2,4 Prozent. Für 2024 wird ein Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent prognostiziert. „Allerdings wissen wir nicht, wie sich der Krieg im Nahen Osten auswirkt“, fügt Kelemis hinzu. Griechenland muss außerdem einige landesspezifische Probleme angehen, etwa die noch immer hohe Staatsverschuldung. Schwierig sind auch die langen Genehmigungs- und Justizverfahren.

Unterm Strich überwiegen jedoch die Vorteile für viele Unternehmen. „Griechenland hat einen hohen Bedarf, Deutschland hat viel anzubieten“, bringt es der AHK-Chef auf den Punkt. Vor allem in den Branchen Maschinenbau, Logistik, Tourismus, Lebensmittel, Informations- und Kommunikationstechnologie, Pharmazie und erneuerbare Energien sind Investitionen aussichtsreich. Automobilbauer haben als Exporteure gute Chancen.

Bayerische Technologie für grünen Umbau von Schiffen

Besonders interessant ist laut Kelemis auch die Zusammenarbeit mit Werften und Reedereien, da die Dekarbonisierung im Rahmen des europäischen Green Deal den Seeverkehr erreicht hat: 2022 wurden die CO2-Emissionen der Seeschifffahrt in das Emissionshandelssystem aufgenommen. Außerdem sollen die Reedereien ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent im Vergleich zu 2008 senken. Der grüne Umbau von Schiffen hat begonnen. Technologie aus Bayern ist dabei sehr willkommen.

Aktuelle Informationen zum internationalen Geschäft finden Unternehmen im Außenwirtschaftsportal Bayern.

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