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Alle Lieferungen im Blick – Autohersteller BMW nutzt eine Plattform mit Logistikdaten in Echtzeit

In der Logistik ist der Druck zur Digitalisierung groß. Nur so sind immer dichter getaktete Lieferketten zu bewältigen. Welche Lösungen bieten sich den Unternehmen der Branche?

Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 05-06/2024

Kommt die Lieferung wie geplant? Ist sie komplett? Oder gibt es Verzögerungen – und wenn ja, wie viel länger dauert es? Der Autohersteller BMW hat seine Lieferungen immer im Blick. Wenn Logistikdienstleister die BMW-Werke mit Lieferteilen versorgen, werden ihre Transporte auf dem Connected-Supply-Chain(CSC)-Portal abgebildet.

Die Plattform verarbeitet sämtliche Daten und Informationen in Echtzeit. Alle 15 Minuten werden Dienstleister und Autowerk informiert, wo welche Komponenten gerade unterwegs sind und ob sie pünktlich eintreffen werden. Wenn die Liefermengen abweichen, die Lieferanten verspätet starten oder unterwegs in einen Stau fahren, schickt das Portal automatisierte Meldungen heraus und berechnet neue Zustellzeiten. CSC garantiert so Versorgungssicherheit. Die BMW-Logistiker können die Supply Chain einigermaßen entspannt überwachen und müssen nur im Notfall eingreifen.

Ziel: komplett digitalisierte Lieferkette

Plattformen wie CSC ermöglichen es Lieferanten, Logistikern, Herstellern und anderen Teilnehmern einer Lieferkette, eng zusammenzuarbeiten. „Jeder Wertschöpfungsteilnehmer kann mit für ihn relevanten Daten arbeiten“, sagt Tobias Hecht, Marketingleiter der EURO-LOG AG. Das IT-Unternehmen in Hallbergmoos, das die BMW-Plattform entwickelt hat, gilt als Spezialist für anspruchsvolle Portallösungen und hat vergleichbare Produkte unter anderem für das Heizungstechnikunternehmen Viessmann SE realisiert.

Solche Lösungen setzen allerdings auch voraus, dass jeder Lieferkettenteilnehmer alle relevanten Logistikprozesse digitalisiert hat und mit eigenen IT-Lösungen arbeitet. Auf zahlreiche Logistikdienstleister und verladende Unternehmen trifft dies zu. Sie haben häufig sogar in mehrere IT-Produkte investiert. Für die Steuerung von Lagerabläufen nutzen sie Warehouse-Management-Systeme (WMS), für die Organisation von Transportprozessen entlang einzelner Lieferketten-Transport-Management-Softwares (TMS).

Kleine Dienstleiter hinken hinterher

Außerdem gibt es Speziallösungen zum Beispiel für die Einsatzplanungen von Fahrern und Lagermitarbeitern, für Tourenplanungen von Transportaufträgen aller Art oder die Steuerung von Staplerflotten innerhalb und außerhalb von Logistikzentren. Vor allem kleinere Dienstleister haben jedoch noch Nachholbedarf. Sie laufen Gefahr, den Anschluss an die immer stärker vernetzten Lieferketten zu verlieren, wenn sie nicht weiter digitalisieren.

„Wenn ein Unternehmer seine Logistik jetzt digitalisiert, sollte er nicht den großen Wurf wagen, sondern eine Lösung wählen, die aktuelle Probleme aus dem Weg räumt“, empfiehlt EURO-LOG-Manager Hecht. So machen erfahrungsgemäß fehlende Transportdaten oder unzureichende Rechnungskontrollen vielen Unternehmen zu schaffen.

Qual der Wahl bei den IT-Partnern

Wer für solche und weitere Herausforderungen einen IT-Partner sucht, hat die Qual der Wahl. An Plattformen und Softwareprodukten für die Logistik herrscht kein Mangel. Auch erfahrene Marktkenner haben Mühe, den Überblick zu behalten, und zählen mehrere Dutzend Anbieter. Trotzdem gibt es Marktlücken, weil beispielsweise Kunden besondere Anforderungen stellen.

Mancher IT-affine Logistikdienstleister füllt diese Lücke mit eigenen Produkten. Ein Beispiel ist die REICHHART Logistik GmbH: Das Gilchinger Unternehmen hat mit „Motus“ eine Lagerverwaltungssoftware entwickelt, die auf die Just-in-Sequence-Prozesse der Automotive-Industrie zugeschnitten ist und die produktionssynchrone Versorgung einzelner Werke sicherstellt.

Sukzessive und schnell nachrüsten

Für Logistiker, die einen großen Digitalisierungsrückstand aufholen müssen, kommen vor allem modulare Softwarelösungen infrage. „Mit solchen Produkten können Unternehmen sukzessive und sehr schnell zusätzliche Verbesserungen erreichen“, beobachtet Hecht. Je mehr Module sie nutzen, desto schneller wachsen diese zu einer Supply Chain zusammen. Mit vergleichsweise geringen Investitionen können Unternehmen Kosten senken und Arbeitsprozesse beschleunigen.

Wenn sie allerdings sowohl Lager- als auch Transportlösungen anbieten, werden sie schnell feststellen, dass keine Logistiksoftware alle Prozesse abbilden kann. Viele Unternehmen haben deshalb in WMS- und TMS-Systeme investiert.

Mitarbeitende einbinden

Das trifft auch auf REICHHART Logistik zu. Bei der Digitalisierung ihrer Prozesse haben die Oberbayern ihre Mitarbeiter miteinbezogen. „Ein früher und enger Austausch hilft uns, wichtige Erfahrungswerte zu sammeln und anwendbare Funktionen zu entwickeln“, sagt Alexander Reichhart, Geschäftsführer des Unternehmens. „Als ‚Endnutzer‘ kommen die Beschäftigten dadurch früh mit der neuen Software in Kontakt, was den Umstieg erleichtert und die Akzeptanz erhöht.“

Erfolgsfaktor Vertrauen

Ein Onboardingprozess nach Schulung und Implementierung schließt diesen Prozess ab. Dabei stehen qualifizierte Mitarbeiter als ständige Ansprechpartner zur Verfügung. „Vertrauen ist eine wichtige Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg der Digitalisierung“, sagt Reichhart.

Standardisiert – und doch individuell

Das gilt auch für die Kunden: Viele logistische Prozesse müssen auf sie zugeschnitten werden. Wenn Portallösungen zu aufwendig sind, helfen standardisierte Softwareprogramme weiter, die auf individuelle Anforderungen konfiguriert werden können. Mit diesem Konzept hatte „Motus“ Erfolg.

Mit KI zu neuen Lösungen

Für den Logistikunternehmer Günther Jocher muss Kundenbetreuung noch weiter gehen. „Der persönliche Service darf gerade bei der Digitalisierung nicht in den Hintergrund geraten“, mahnt der Unternehmer, der 1981 die ITG GmbH mitgründete und 2007 die Geschäftsführung der Group7 AG übernahm. Es sollte immer geprüft werden, ob die Arbeit auf dem IT-System des Kunden mehr Sinn mache als die Arbeit auf der eigenen Lösung. Jedes Puzzleteil müsse Jochers Erfahrungen zufolge betrachtet und bewertet werden, damit das Gesamtbild am Ende passt und stimmig ist. Mit künstlicher Intelligenz (KI) kämen neue Puzzleteile hinzu.

Selbstlernend und nachhaltig

So arbeitet Group7 seit vergangenem Jahr mit selbstlernenden Tools, die Bestellmuster und -vorgänge von Kunden analysieren und bei der Zusammenstellung und Bündelung von Sendungen berücksichtigen. Das Ergebnis: Der Dienstleister hat die Zahl der Einzeltransporte verringert und reduziert so CO2-Emissionen. Mit Digitalisierung wird die Logistik also auch nachhaltiger.

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