baranq/Adobe Stock ©

Am 1. Juli 2021 startet die zweite Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets mit veränderten Regeln für den Onlinehandel. Was Unternehmen dazu wissen sollten.

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 06/2021

Nach einer coronabedingten Verzögerung auf EU-Ebene ist es nun so weit: Zum 1. Juli 2021 treten durch das Mehrwertsteuer-Digitalpaket, auch E-Commerce-Paket genannt, neue Regelungen bei der Umsatzsteuer im Onlinehandel in Kraft. »Das bedeutet für die betroffenen Unternehmer einen nicht zu unterschätzenden Anpassungsbedarf. Sie müssen sich insbesondere auf Neuregelungen der Lieferschwellen im Versandhandel (neu: Fernverkauf) bei Onlinemarktplätzen sowie auf neue Verfahren einstellen«, sagt IHK-Steuerexpertin Katja Reiter.

Worauf zielt das Mehrwertsteuer-Digitalpaket ab?

Die Europäische Kommission wollte die mehrwertsteuerlichen Pflichten für Unternehmen vereinfachen, die, elektronisch unterstützt, grenzüberschreitende Lieferungen und Dienstleistungen an bestimmte Endkunden erbringen. Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Mehrwertsteuer auf diese Umsätze korrekt an den jeweiligen Mitgliedstaat abgeführt wird. Mit den Änderungen im Jahressteuergesetz 2020 zum Mehrwertsteuer-Digitalpaket setzte der deutsche Gesetzgeber die europäischen Vorgaben um.

Welche Änderungen wurden bereits in der ersten Stufe umgesetzt?

Die erste Stufe des Pakets ist 2019 in Kraft getreten. Sie beinhaltet vor allem Erleichterungen für kleine und mittelgroße Dienstleister. So werden seither unter anderem die Umsätze für grenzüberschreitende Telekommunikations-, Rundfunkund Fernsehdienstleistungen sowie auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen an unter anderem Privatkunden innerhalb der EU wie inländische Umsätze behandelt, sofern der jährliche Umsatz der in Deutschland ansässigen Unternehmen insgesamt nicht mehr als 10.000 Euro (EU-weit betrachtet) beträgt.

Das heißt, der leistende Unternehmer versteuert diese Umsätze im Inland und nicht, wie sonst generell vorgeschrieben, im Bestimmungsland (Sitz des Leistungsempfängers). Damit sind in diesem Fall grundsätzlich die deutschen Rechtsvorschriften zu beachten.

Wer freiwillig möchte oder wer die oben genannte Umsatzschwelle überschreitet, kann seine Teilnahme an einer Sonderregelung beantragen und seine in der EU geschuldete Umsatzsteuer zentral über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) abführen (Mini-One-StopShop-Verfahren, kurz: MOSS). Das kann vor allem für Firmen, die in mehreren EU-Staaten tätig sind, den administrativen Aufwand verringern.

Welche zentralen Neuerungen sieht die zweite Stufe vor?

Aus Versandhandel wird Fernverkauf: Künftig werden Lieferungen von Gegenständen innerhalb der EU oder aus einem Drittland an bestimmte Abnehmer (unter anderem Privatkunden) als sogenannte Fernverkäufe definiert (Neufassung von §3c Umsatzsteuergesetz – UStG). Versteuert werden solche Verkäufe grundsätzlich im Bestimmungsland.

Einheitliche Lieferschwelle von 10.000 Euro: Bei dem grenzüberschreitenden Versand zum Beispiel an Privatkunden innerhalb der EU sah die sogenannte Versandhandelsregelung bisher vor, dass für den Leistungserbringer eine Mehrwertsteuerpflicht nicht im eigenen Land, sondern im Sitzland des Privatkunden gilt (Bestimmungsland), sobald er eine länderspezifische Netto-Umsatzschwelle überschreitet. Noch fällt diese sogenannte Lieferschwelle derzeit nicht in jedem EU-Land gleich hoch aus.

Ab dem 1. Juli 2021 gilt jedoch ein einziger Schwellenwert für die gesamte EU von 10.000 Euro. »Dieser Wert ist im Vergleich zu den bis dato geltenden Lieferschwellen von ca. 35.000 Euro niedriger angesetzt, und so kann es sein, dass Unternehmer, die viele grenzüberschreitende Fernverkäufe tätigen, leichter als früher den Schwellenwert überschreiten«, sagt IHK-Expertin Reiter.

Eine zentrale Anlaufstelle – aus MOSS wird OSS: Der bisherige Mini-One-Stop-Shop (MOSS) wird zum One-Stop-Shop (OSS) ausgebaut und der Kreis der Berechtigten wird erweitert (siehe rechts: Wer darf das OSS-Verfahren in Anspruch nehmen?). Die betroffenen Firmen können freiwillig wie beim MOSS eine zentrale Anlaufstelle nutzen – in Deutschland: das Bundeszentralamt für Steuern – und müssen sich nicht mehr in jedem EULand, in dem sie Kunden haben, umsatzsteuerlich registrieren lassen. Sie erklären ihre in den übrigen Mitgliedstaaten der EU ausgeführten Umsätze, die unter diese Sonderregelung fallen, in einer besonderen Steuererklärung, übermitteln sie auf elektronischem Weg und entrichten die sich ergebende Steuer insgesamt an das Bundeszentralamt für Steuern.

Neues Import-One-Stop-Shop-Verfahren (IOSS): Wer als Unternehmer Fernverkäufe von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von bis zu 150 Euro aus Staaten außerhalb der EU (Drittstaaten) an zum Beispiel Privatpersonen in der EU tätigt, kann ebenfalls einen neuen Service nutzen. Der Import-One-Stop-Shop ermöglicht es, die ausgeführten Umsätze, die unter diese Sonderregelung fallen, in einer Steuererklärung zentral an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Damit verbunden ist eine vereinfachte Zollerklärung.

Wenn das IOSS-Verfahren nicht genutzt wird, gibt es optional eine weitere Sonderregelung (Special Arrangement): Die Beförderer (zum Beispiel Post- beziehungsweise Expresskurierdienstleister) können die Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhren eines Monats von den Sendungsempfängern erheben und im Folgemonat gesammelt an die Zollverwaltung entrichten.

Die frühere 22-Euro-Freigrenze bei der Einfuhrumsatzsteuer wird abgeschafft. Das Bundesfinanzministerium hat zu den Änderungen bei Fernverkäufen und OSS/IOSS ein BMF-Schreiben vom 1. April 2021 veröffentlicht.

Lieferkettenfiktion für Onlineschnittstellenbetreiber: Beim Verkauf von Waren über eine elektronische Plattform oder einen elektronischen Marktplatz (elektronische Schnittstelle, § 3 Abs. 3a UStG-neu) wird künftig unter bestimmten Voraussetzungen ein Reihengeschäft fingiert. Dabei gelten besondere Regelungen. Die Onlineschnittstelle wird damit in die Lieferkette und – ähnlich einem Kommissionsgeschäft – in die Besteuerung einbezogen. Der Schnittstellenbetreiber wird so zum Steuerschuldner der Umsatzsteuer für den Verkauf der Ware an den Endkunden.

Auch werden die geltenden Regelungen zur Haftung von Betreibern elektronischer Marktplätze angepasst und die Papierbescheinigungen über die steuerliche Erfassung der auf elektronischen Marktplätzen tätigen Händler abgelöst. Künftig kommt es bei den elektronischen Schnittstellen stattdessen auf die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an. Zu den Änderungen der Haftung bei Onlinemarktplätzen hat das Bundesfinanzministerium ein gesondertes BMF-Schreiben vom 20. April 2021 veröffentlicht.

Wer darf das OSS-Verfahren in Anspruch nehmen?

Der Adressatenkreis von MOSS wächst mit der Umstellung auf OSS deutlich. Das Verfahren richtet sich laut Bundeszentralamt für Steuern an in der Europäischen Union niedergelassene Unternehmer, die gegen Entgelt

  • bestimmte Dienstleistungen an Privatpersonen in Mitgliedstaaten der EU erbringen, in denen sie nicht ansässig sind, oder
  • innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen tätigen oder
  • eine elektronische Schnittstelle – also etwa einen elektronischen Marktplatz, eine Plattform, ein Portal oder Ähnliches – zur Verfügung stellen, durch deren Nutzung sie die Lieferung von bestimmten Gegenständen innerhalb eines Mitgliedstaats durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen unterstützen und deshalb behandelt werden, als ob sie die Gegenstände selbst geliefert hätten.

Darüber hinaus dürfen Nicht-EU-Unternehmen das OSS-Verfahren wahrnehmen, sofern sie im Inland über eine Einrichtung wie zum Beispiel ein Lager verfügen, von der aus sie Waren zum Beispiel an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten liefern.

Ist die Teilnahme an OSS verpflichtend?

Nein, es gibt ein Wahlrecht: Unternehmer können den One-Stop-Shop nutzen oder sich in jedem EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerlich registrieren, in dem sie steuerpflichtig sind. »Wer nur in einem EU-Land grenzüberschreitend tätig ist, für den kann letztere Variante mitunter noch praktikabel sein«, so Reiter. »Wer sich wiederum für OSS entscheidet, wickelt diese Umsatzsteueraktivitäten zentral darüber ab«, erläutert die Expertin. Dafür sind hier die administrativen Tätigkeiten über OSS gebündelt, und der Unternehmer kann sich mit den Umsatzsteuermodalitäten in seiner eigenen Sprache befassen.

Bereits seit 1. April 2021 besteht die Registrierungsmöglichkeit für OSS/IOSS. Dennoch müssen Unternehmer das jeweilige ausländische Steuerrecht weiterhin beachten und zum Beispiel bei beiden Varianten die einzelnen Steuersätze für die verschiedenen Waren im Bestimmungsland kennen. »Die Änderungen durch das Mehrwertsteuer-Digitalpaket sind sehr umfangreich. Betroffene Unternehmen sollten sich daher rechtzeitig mit den Neuregelungen auseinandersetzen«, erklärt IHK-Expertin Reiter.

IHK-Service rund um das Mehrwertsteuer-Digitalpaket: 

Auf der IHK-Website zum Mehrwertsteuer-Digitalpaket gibt es weitere Hinweise zu den Änderungen bei Onlinemarktplätzen sowie ein Merkblatt zu B2C-Lieferungen/Fernverkäufen.

Weitere Informationen zu OSS/IOSS beim Bundeszentralamt für Steuern.

Verwandte Themen