Digitalisierung | Standortpolitik

Starten auf allen Kanälen

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Die Kunden sind online – und für Marketing via Social Media gut erreichbar

Social-Media-Plattformen helfen jungen Firmen dabei, im Markt bekannt zu werden und erste Kunden zu gewinnen. Zwei Einzelhändler berichten, wie sie vorgegangen sind.

EVA ELISABETH ERNST, Ausgabe 07-08/2022

Selbst die Pandemie konnte Claudia Maria Jünemann nicht davon abhalten, mit ihrem eigenen Modelabel durchzustarten. Nach insgesamt zehn Jahren als Designerin bei bekannten Modemarken gründete die 36-Jährige im Januar 2020 die CMJ Design GmbH, die unter der Marke »Frijda Juni« nachhaltige, komplett in Deutschland gefertigte Damenmode anbietet.

Verkauf über Onlineshops und Plattformen

»Die üblichen Handelsmargen lassen sich aufgrund der hochwertigen natürlichen Materialien und der Produktion in Deutschland allerdings noch nicht realisieren«, sagt Jünemann. Sie verkauft über ihren Onlineshop frijda-juni.de sowie über Plattformen wie ceo-gene.com, ein Marktplatz, der sich auf nachhaltige Businessmode spezialisiert hat.

Seit Oktober 2021 hat Lünemann zudem ein Ladengeschäft in Gröbenzell, das als Showroom und Atelier dient. Auch wenn ihre Heimatgemeinde im Speckgürtel Münchens als eher ungewöhnlicher Standort für ein nachhaltiges Modelabel erscheinen mag: Die Umsätze ihres Ladens in den ersten Monaten stimmen die Unternehmerin »positiv optimistisch«. Geschäft und Onlinepräsenz ergänzen sich dabei.

»Verzicht auf Social-Media-Aktivitäten erschreckend«

Kunden gewinnen, die eigene Marke bekannt machen, Feedback erhalten – dazu kann Social Media ein beachtliches Stück beitragen. Immerhin findet bei vielen Menschen inzwischen ein großer Teil des Alltags online statt. Lisa Grünwald (29), Beraterin bei elaboratum New Commerce Consulting, findet es daher »erschreckend«, dass nach wie vor viele mittelständische Handelsunternehmen auf Social-Media-Aktivitäten und eine klare Strategie verzichten. »Auch etablierte Unternehmen können ihre Kunden hier über neue Artikel und Angebote informieren und ihnen Impulse geben, wieder ins Geschäft zu kommen.« Gerade kleinere Firmen, so die Expertin weiter, hätten online oft die aktiveren Communitys. »Und während der Coronalockdowns hat sich ja sehr deutlich gezeigt, wie wichtig Internet und Social Media heute sind, um mit Kunden in Kontakt zu bleiben.«

»Je aktiver, desto schneller wächst die Community«

Modeunternehmerin Jünemann investiert rund eine Stunde pro Tag in Social Media, um neue Postings zusammenzustellen und mit ihrem Netzwerk zu interagieren. »Natürlich könnte ich noch viel mehr posten«, räumt sie ein. »Denn je aktiver man ist, desto schneller wächst die Community. Aber als One-Woman-Show fehlt mir die Zeit dazu.« Mittlerweile weiß sie, dass Fotos oder Videos aus ihrem Laden besser ankommen als professionell produzierte Modefotos. »Und ein guter Einleitungssatz«, so Jünemann, »ist ebenfalls hilfreich.«

»Ideal für Netzwerkaufbau«

Über Social Media, allen voran Instagram, knüpfte sie wertvolle Kontakte zu Onlinemarktplätzen sowie zu Bloggern und anderen Gründern im Bereich nachhaltiger Mode. »Für den Netzwerkaufbau ist dieser Kanal optimal«, sagt Jünemann. Ergänzend dazu nutzt sie Facebook und künftig wohl auch Pinterest, um ihr Label bekannter zu machen und Kundinnen zu gewinnen – auch für ihr Ladengeschäft.

Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft

Onlineplattformen bieten besonders jungen Unternehmen eine kostengünstige Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu generieren, die Marktresonanz zu testen und erste Kunden zu finden. Unterstützt durch die Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel, engagiert sich daher auch das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft, um Kreativen und Kulturschaffenden, die im Einzelhandel aktiv sind, Know-how für die Kundengewinnung im Internet zu vermitteln.

Davon profitiert auch die Heavn GmbH aus Feldkirchen-Westerham. Das Team um Gründer und Geschäftsführer David Austing (37) entwickelte eine Tageslichtlampe mit nutzerzentriertem Licht, das sich bedarfsgerecht anpasst. »Heavn One«, Gewinner des German Design Awards 2022, fungiert als Schreibtischleuchte, Deckenstrahler und aktivierende Tageslichtleuchte. »Ohne Social Media wären wir längst nicht so schnell gewachsen«, sagt Austing.

Treue Fanbase trotz längst nicht perfektem Content

Mittlerweile vertreibt das 2016 gegründete Unternehmen, das zehn Mitarbeiter beschäftigt, seine Leuchten auch über Lichtplaner und den Fachhandel. Doch die ersten Interessenten gewann es über Instagram und Facebook, später auf LinkedIn. »Mit hochwertigem, aber längst nicht perfektem Content ist es uns gelungen, eine treue Fanbase zu sammeln, die unsere Idee gut fand«, sagt Austing.

Der intensive Austausch mit Fans und Followern auf den Plattformen führte zu zahlreichen Produkttests und Verkäufen. »Die Online-Community ist experimentierfreudiger und kauft auch ein Hightech-Produkt, das neu auf dem Markt ist«, sagt der Unternehmer. »Auch heute noch gehen die meisten Bestellungen online ein.«

Vorteile Ladengeschäft 

Austing weiß jedoch inzwischen die Vorteile eines eigenen Ladengeschäfts ebenfalls zu schätzen: Bis April 2022 konnten Kunden die Heavn-Produkte mitten in München im Ruffinihaus, das ebenfalls vom Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft betrieben wird, anschauen und ausprobieren. Beim Markenaufbau spielt das Ladengeschäft eine wichtige Rolle. Austing: »Die Menschen sehen den Laden, unser Logo, unsere Produkte – und das prägt sich noch mal ganz anders ein als virtuelle Aktivitäten.«

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Startprogramm in 7 Schritten

Nicht nur Newcomer, auch etablierte Unternehmer können Social Media nutzen, um bekannter zu werden und mit ihren Zielgruppen im Kontakt zu bleiben. Sieben Tipps von Lisa Grünwald, Beraterin bei elaboratum New Commerce Consulting, wie die ersten Schritte gelingen.

  1. Folgen Sie Influencern, die Ihre Zielgruppe ansprechen, zunächst als Privatperson. Damit können Sie sich auf Themen, Tonalität und Herangehensweisen in Social Media einstimmen, bevor Sie dort als Unternehmen aktiv werden.
  2. Gehen Sie bei Ihren Onlineaktivitäten nicht halbherzig vor: Setzen Sie sich ein klares Ziel, erstellen Sie einen Redaktionsplan, welche Posts Sie wann veröffentlichen möchten.
  3. Fragen Sie Ihre Kunden, welche Social-Media-Kanäle sie nutzen. Auch wenn Facebook und Instagram die bekanntesten sind, können Branchenportale, lokale Netzwerke wie nebenan.de oder Newcomer wie TicToc für Ihre Zielgruppen geeignet sein.
  4. Zum Start kann es sinnvoll sein, gemeinsam mit Experten eine grundsätzliche Social-Media-Strategie zu erarbeiten. Die Content-Erstellung und die Interaktion mit der Community können Sie dann in Eigenregie durchführen.
  5. Authentizität ist wichtiger als Perfektion. Ein schnelles Selfie vor dem Laden erhält mitunter mehr Likes als ein aufwendig produziertes Hochglanzfoto. Video-Inhalt funktioniert derzeit am besten und wird weiter wachsen. Ebenfalls wichtig: Kommen Sie schnell auf den Punkt.
  6. Plumpes Verkaufen funktioniert nicht. Social-Media-Nutzer wollen unterhalten werden. Setzen Sie daher auf Aktualität, Service und Persönlichkeit.
  7. Verbinden Sie online und offline: Machen Sie Videos und Fotos in Ihrem Laden oder Atelier. Und weisen Sie die Kunden im Geschäft auf Ihre Social-Media-Präsenzen hin.

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