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So viele Gelegenheiten

Transporte übernimmt die Unternehmerfamilie Dettendorfer seit mehr als 200 Jahren. Das Geschäft hat sie längst ausgebaut – und viele benachbarte Segmente erschlossen.
Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 07-08/2025
Rund 20 Auftritte absolviert die Dettendorfer Betriebsmusik pro Jahr. Die klassisch bayerische Blasmusikkapelle spielt in Bierzelten und auf Festen in der Region, aber auch im Hofbräuhaus München und am Nockherberg. Bei fast allen Auftritten mit großem Elan dabei: Georg Dettendorfer an der Trompete, flankiert von seinem Bruder Johannes Dettendorfer an der Posaune und Vater Johann Dettendorfer, ebenfalls an der Trompete. „Andere spielen Golf – wir machen Blasmusik“, sagt Georg Dettendorfer, der gemeinsam mit seinem Bruder Johannes die Dettendorfer Unternehmensgruppe leitet.
Das Familienunternehmen wurde 1825 gegründet. Im April 2025 hatte die Dettendorfer Betriebsmusik daher quasi 2 Heimspiele: Sie begleitete die beiden großen Jubiläumsfeiern, für die auf dem Firmengelände in Flintsbach eigens ein großes Bierzelt aufgebaut wurde.
Seit 1825 erfolgreich im Transport
Doch nicht nur das 200-jährige Firmenjubiläum ist ein Grund zum Feiern, sondern auch die geschäftliche Entwicklung der Dettendorfer Gruppe: An 15 Standorten in Europa erwirtschaften die 625 Mitarbeitenden mittlerweile mehr als 626 Millionen Euro Jahresumsatz. Keimzelle ist der Transport von Waren: 1825 wurde Johann Dettendorfer, der Ururururgroßvater der heutigen Unternehmenslenker, als Landwirt und Innschiffer in die Gewerberolle von Nußdorf am Inn eingetragen. Es gibt allerdings historische Belege, dass Familienmitglieder bereits 1166 als Sämer, also als Lastenträger über die Alpen, tätig waren.
Transport und Logistik bilden auch heute noch das Kerngeschäft der Unternehmensgruppe, vor allem der Johann Dettendorfer Spedition Ferntrans GmbH & Co. KG, die rund 40 Prozent zum Gesamtumsatz beisteuert. Deren Tätigkeitsgebiete sind beeindruckend breit gefächert: Es gibt branchen- und unternehmensspezifische Lösungen rund um den Transport von Stahl, Papier, Holz, Schrott, Schüttgütern, Baustoffen, Getränken und ungekühlten Lebensmitteln, für die Ferntrans im Fern-, Nah- und Regionalverkehr unterwegs ist.
Alles bis auf Sammelgut- und Kühltransporte
84 Prozent der Transporte finden auf der Straße statt, 16 Prozent auf der Schiene – Tendenz sinkend, was Georg Dettendorfer vor allem auf mangelnde Schienenkapazitäten und höhere Kosten zurückführt. Der Fuhrpark der Dettendorfer Gruppe umfasst 250 Zugmaschinen und 470 Auflieger, darunter etliche Spezialfahrzeuge, wie etwa Auflieger für den Transport von flüssigem Aluminium. Dazu kann das Unternehmen noch etwa die gleiche Menge an Einheiten von Subunternehmern disponieren.
Es verfügt über riesige offene und überdachte Lager- und Logistikflächen und übernimmt Zusatzdienstleistungen wie Qualitätsprüfungen, Abpack-, Etikettier- und Kommissionierarbeiten. „Wir betreiben mittlerweile schon einen relativ großen Bauchladen“, sagt Georg Dettendorfer. „Bis auf Sammelgut- und Kühltransporte machen wir eigentlich alles.“
"Bauchladen“ kompatibler Geschäftsfelder
Entstanden ist die Erweiterung der Geschäftsbereiche Schritt für Schritt. Georg Dettendorfer und sein Bruder Johannes traten nach dem Mauerfall ins Familienunternehmen ein. Parallel dazu erfolgte die Ausweitung des Leistungsspektrums, unter anderem im Energie- und Recyclingbereich sowie beim Handel mit holzbasierten Brennstoffen.
2008 zog die Übernahme von Teilen eines stillgelegten Zementwerks in Kiefersfelden eine ganze Kaskade von neuen Geschäftsfeldern nach sich: Dort entstand ein Logistikpark, die vorhandenen Tanks und der Gleisanschluss bildeten die Basis für den Großhandel mit Treibstoffen.
AdBlue rundet Treibstoff-Geschäft ab
Seit 2024 produziert Dettendorfer AdBlue, eine Mischung aus einem Drittel Harnstoff und zwei Dritteln entmineralisiertem Wasser, die den Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen reduziert. „Zuvor haben wir das fertige AdBlue von den großen Herstellern in Ludwigshafen, Lutherstadt Wittenberg oder Linz geholt“, sagt Georg Dettendorfer. „Jetzt wird nur noch der Harnstoff über weite Strecken transportiert, mit regionalem Wasser aus Bruckmühl zu AdBlue abgemischt und im Umkreis von rund 350 Kilometern an die Endkunden verteilt.“
2015 übernahm Dettendorfer den Inntaler Logistik-Park in Kufstein mit der größten Lkw-Tankstelle Westösterreichs, 2020 den Inntaler Autohof Raubling – weitere Bausteine des Treibstoffgeschäfts. „Wie beim Auffädeln einer Perlenkette hat ein Geschäftsbereich zum nächsten geführt“, erklärt Georg Dettendorfer. „Wir haben investiert, wann immer sich eine gute und vor allem zu unserem bisherigen Geschäft passende Gelegenheit ergeben hat.“
Länderübergreifendes E-Ladenetz
Das Thema Tanken rundet zudem das Geschäftsmodell der 2024 gegründeten Dettendorfer Energy GmbH ab. Das Unternehmen ist auf Projektierung, Aufbau und Betrieb von Photovoltaikanlagen und E-Ladestationen für Lkws und Pkws sowie An- und Verkauf alternativer Energien spezialisiert. Künftig soll es viele öffentliche Ladeplätze für E-Lkws bauen. Erstes Projekt war der Autohof Raubling, an dem nun Pkws und Lkws Strom laden können.
Die Dettendorfer-Flotte fährt zwar derzeit noch komplett mit Biodiesel. „Aber wir testen gerade, für welche Einsätze E-Lkws wirtschaftlich sind“, sagt Dettendorfer. „Und dann werden wir in diese Fahrzeuge investieren.“ Sein Ziel sei es, mit E-Lkws über die Alpen bis Sterzing oder Bozen zu gelangen.
Nachts über die Alpen – mit dem E-Lkw
Der große Vorteil liege in der Möglichkeit, nachts über den Brenner zu fahren und damit den Staus am Tag auszuweichen. „Dazu brauchen wir aber Kunden, die bereit sind, für klimaneutrale Transporte mehr Geld auszugeben.“ Denn nicht nur die Anschaffungskosten für die Fahrzeuge fallen höher aus. Durch lange Ladezeiten und begrenzte Reichweiten sei auch der Dispositionsaufwand deutlich größer.
Auf dem Weg zum klimaneutralen Unternehmen – für Georg Dettendorfer eine von 4 großen Herausforderungen – ist die Elektrisierung der Fahrzeugflotte eine wichtige Komponente. Bei der 2. Herausforderung, der Digitalisierung, sei man ebenfalls gut vorangekommen. Und aus der 3., nämlich der Fachkräftesicherung, entstand 2017 sogar ein weiteres Unternehmen: die INN-ovativ GmbH & Co. KG.
Erfolg mit digitalen Bildungsangeboten
Sie wurde von Georg und Johannes Dettendorfer gemeinsam mit dem ehemaligen Mitarbeiter Andreas Rinnhofer zunächst als E-Learning-Angebot für Quereinsteiger gegründet. Das Unternehmen entwickelte sich binnen kurzer Zeit jedoch zu einer Branchenplattform mit zahlreichen Angeboten weiterer Anbieter. „Corona war dafür natürlich ein starker Booster“, sagt Georg Dettendorfer.
Mittlerweile finden Unternehmen bei INN-ovativ unter anderem Arbeitssicherheitsunterweisungen sowie Qualifikationsmodule für Berufskraftfahrer. Sie können Stellenanzeigen veröffentlichen und die Personalvermittlung der Plattform nutzen. „Im vergangenen Jahr waren dort über 60.000 User aktiv und machten INN-ovativ deutschlandweit zum führenden Anbieter für digitale Ausbildung in Spedition und Logistik“, sagt Dettendorfer.
8. Generation bereits an Bord
Die 4. und letzte Herausforderung der vergangenen 10 Jahre war für ihn „die erfolgreiche Implementierung der nächsten Generation im Unternehmen“. Er und sein Bruder haben jeweils 3 Kinder, die alle eine externe Ausbildung absolviert haben und sich dafür entschieden haben, in das Familienunternehmen einzusteigen. „Und zwar ohne Druck“, wie Georg Dettendorfer betont. „Das ist eben der Vorteil eines unternehmerischen Bauchladens: Da gibt es genügend interessante Aufgaben für die nächste Generation.“
Keineswegs seien er und sein Bruder dazu gedrängt worden, im Familienunternehmen zu arbeiten. Nach der Wende habe es einfach so viele Chancen und Wachstumspotenziale gegeben, dass ihnen die Entscheidung nicht schwergefallen sei. 2012 erfolgte die Übergabe der Firmenanteile an Johannes und Georg Dettendorfer.
Brüder teilen sich die Aufgaben
Johannes ist für das Technische, das gewerbliche Personal und das Stahllager in Thüringen verantwortlich. Als gelernter Bankkaufmann und Spediteur übernimmt Georg Dettendorfer das Kaufmännische und das Repräsentieren nach außen. Zudem engagiert er sich bei der IHK für München und Oberbayern: Seit 2006 ist er Mitglied der Vollversammlung, seit 2011 IHK-Vizepräsident, außerdem noch Vorsitzender des Verkehrsausschusses der IHK sowie der DIHK.
„Überwachend und gestaltend“
Wenn man dann noch weiß, dass Georg Dettendorfer jenseits der Betriebsmusik jährlich rund 30 weitere Auftritte mit anderen Kapellen und als Solo-Trompeter absolviert, muss man dessen Zeitmanagement durchaus bewundern, zumal ja auch die Vielfalt an geschäftlichen Aktivitäten beeindruckend ist. „Wir haben kurze Entscheidungswege. Jeder Bereich hat einen eigenen Geschäftsführer oder Abteilungsverantwortlichen“, erklärt er. „Ich bin mittlerweile eher überwachend und gestaltend tätig.“
Familienverfassung für die Zukunft
Um den Übergang auf die junge, mittlerweile 8. Generation und damit auch den Fortbestand der Unternehmensgruppe zu sichern, entwickelte Dettendorfer mit Unterstützung eines externen Beraters in den vergangenen 2 Jahren eine Familienverfassung. In ihr sind die Grundsätze der Familie im Umgang mit dem Unternehmen definiert.
Betriebsmusik mit neuem Sound
Musikalisch wurde der Generationswechsel sogar schon eingeläutet: Seit einigen Jahren gibt es die „Dettendorfer Betriebsmusik neu“, mit jüngerer Besetzung und einem Repertoire, das an den Zeitgeist angepasst wurde.