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Der Sound meiner Marke

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„Mit Ausnahme der Modewirtschaft gibt es heute in allen Branchen Unternehmen, die mit Sonic Branding kommunizieren.“ Michele Arnese, Gründer und Geschäftsführer amp GmbH

Wie klingt ein Produkt? Michele Arnese baute amp zu einem führenden Anbieter für Sonic Branding in Europa und in den USA auf. Der Pionier will weiter expandieren.

Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 01–02/2024

Eine große Marke braucht ein Branding-Konzept. Sie sichert damit einen einheitlichen Auftritt mit Logo, Design, Slogans, Texten, Bildern, Filmen, Events – und Klängen. In der Fachsprache heißt das Sonic Branding. Denn auch mit bestimmten Melodien und Tönen lässt sich die Einzigartigkeit von Produkten und Dienstleistungen vermitteln. „Sonic Branding schafft Klangwelten, die die Identität von Marken unterstreichen und vom Wettbewerb abgrenzen“, sagt Michele Arnese (51), Gründer und Geschäftsführer der amp GmbH.

Mit akustischen Dienstleistungen für die Werbewirtschaft hat das Münchner Unternehmen seit seinem Start 2009 einen atemberaubenden Aufstieg hingelegt. Heute arbeiten zahlreiche internationale Marken vor allem aus der Automobilindustrie und der Finanzwirtschaft mit amp zusammen. Die Münchner gelten weltweit als Top-Adresse für Sonic Branding.

Komponierte Sounds statt Jingles

Als Arnese das Unternehmen 2009 mit einem Partner gründete, konnten auch erfahrene Marketingexperten mit diesem Begriff wenig anfangen. Manche Werbetreibende bauten in ihren Fernseh- und Rundfunkspots immerhin einprägsame Jingles mit Ohrwurmqualität ein. Die wohl bekanntesten Beispiele sind das 5-Töne-Logo der Telekom und der Klingelton von Nokia-Handys. Mit komponierten Sounds, die komplette Spots durchziehen und für ein noch nachhaltigeres Hörerlebnis sorgen können, fielen hingegen nur wenige Unternehmen auf. „Wir haben echte Pionierarbeit geleistet“, sagt Arnese.

Als studierter Musikwissenschaftler und Ingenieur, der vor der amp-Gründung als Unternehmensberater tätig war, brachte er viel Fachwissen mit. Heute arbeitet er mit rund 60 Musikwissenschaftlern, Toningenieuren, Betriebswirten, IT-Spezialisten und anderen Fachkräften zusammen. „Mit Ausnahme der Modewirtschaft gibt es heute in allen Branchen Unternehmen, die mit Sonic Branding kommunizieren“, freut sich der gebürtige Italiener.

Für jedes Gasprodukt ein Sound – bis zur Sinfonie

Vor allem für Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen mit herkömmlicher Werbung schwer zu beschreiben sind, ist Sonic Branding interessant. So wie für den Industriekonzern Linde, den ersten großen Kunden von amp. Für die globale Kampagne „Fascinating Gases“ des Gasriesen komponierten die Kreativen eine 30 Minuten lange Sinfonie und konzipierten für jedes Gasprodukt einen besonderen Sound. Die Musikstücke wurden auf zahlreichen nationalen und internationalen Events aufgeführt, auf CD an weltweit über 250.000 Beschäftigte verteilt und mit Branchenpreisen ausgezeichnet. Mit einem Schlag war amp in der Werbewirtschaft ein Begriff – und wurde zu weiteren Präsentationen eingeladen.

Für den endgültigen Durchbruch sorgte Hilton International. Die Hotelkette wollte ihre Marke auch akustisch abbilden und bat 2014 Agenturen zum Pitch nach Memphis in die USA. Dabei trat amp gegen zahlreiche Lokalmatadoren aus der nahe gelegenen Musikhochburg Nashville an. Am Ende hatten die Münchner die Nase vorn, weil sie als einzige Agentur ein ganzheitliches Konzept präsentiert hatten. „Die Wettbewerber hatten lediglich Vorschläge für klassische Jingles gemacht“, so Arnese.

Social media pusht akustische Werbung

Hilton hatte früh erkannt, dass ein eigener Sound als Differenzierungsmerkmal unverzichtbar geworden ist. Schließlich schauten viele Nutzer auf Websites, Social-Media-Kanälen und Branchenplattformen regelmäßig Videos, mit denen sich eine akustische Markenidentität vermitteln lässt. Während der letzten Jahre sind weitere Werbeformate wie Podcasts und Streamings hinzugekommen.

Musik kennt keine Sprachbarrieren

Arnese baute nach dem Hilton-Coup einen 2. Standort in den USA auf und akquirierte weitere Kunden. Der wohl prominenteste ist Mastercard. Der Kartenriese wünschte weltweit einsetzbare Lösungen. Möglich macht dies die von amp entwickelte Software „Sonic Space“: Sie arbeitet Sonic Branding nach einem festen Konzept aus. Am Anfang steht die Entwicklung einer „Sonic DNA“, die eine unverwechselbare Markenidentität definiert und mit allen anderen Werbeauftritten harmoniert.

KI-Software: Mehr als 600 Stimmen in 60 Sprachen

Rund um diese DNA entwickeln die amp-Kreativen ein „Sonic Ökosystem“, das die Markenidentität in unterschiedlichen Klangvariationen und Stilrichtungen abbildet. Egal, ob Verbraucher den Sound im Radio, Fernsehen, Internet oder auf Events erleben, sie sollen die Marke auf Anhieb identifizieren – so lautet der Anspruch. „Wir müssen klar definieren, wie eine Marke klingen und wie sie nicht klingen soll“, sagt Arnese. Hierbei müssen die Kreativen auch äußere Rahmenbedingungen wie die Auftritte der Konkurrenz berücksichtigen.

Für die nötige Feinarbeit setzen sie seit Jahren künstliche Intelligenz (KI) ein und haben „Sonic Space“ ständig weiterentwickelt. Heute generiert die Software mehr als 600 Stimmen in 60 Sprachen. Solche Konzepte haben zahlreiche prominente Markenhersteller überzeugt. So wünschte sich die Mercedes-Benz Group AG für ihre Autos eine Sonic DNA, die deren Ästhetik in „Klänge von zeitloser Schönheit“ übersetzen und als „inspirierende und ikonische Marke“ inszenieren sollte.

Ein akustisches Produkt für alle Kanäle

Die amp-Macher bauten die Sonic DNA auf einer Melodie auf, die in jedem gängigen Musikstil gespielt werden kann. Auch Versionen mit Gesang sind möglich. Das Ergebnis ist 1 akustisches Produkt, das auf allen Kanälen einsetzbar ist und Agenturen und Produktionsfirmen weltweit zur Verfügung steht. Eine Datenbank speichert über 300 unterschiedliche Musikstücke und Sounds.

Ambitioniert: Fachkräfte aus Drittländern

Der globale Anspruch spiegelt sich auch in der Belegschaft wider, die Angestellten kommen aus aller Welt. „Gerade mal 5 stammen aus Deutschland“, sagt Arnese und freut sich über die bunte Truppe. Er lässt durchblicken, dass er für die Einstellung mancher Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern wiederholt lange Anerkennungsverfahren in Kauf nehmen musste.

Asien ruft: 3. Stützpunkt in Singapur

In den kommenden Jahren dürfte das Team noch vielfältiger werden. Im vergangenen Frühjahr übernahm die britische WPP Group, die mit einem Umsatz von über 16 Milliarden Euro als größte Agentur der Welt gilt, das Münchner Unternehmen. Von diesem Deal erhofft sich Arnese weitere internationale Kunden, vor allem aus Asien. Vor Kurzem hat er einen 3. Stützpunkt in Singapur gegründet.    

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