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Die Milch macht’s

Andechser Molkerei Scheitz ©
Klimaneutralität als Ziel – Barbara Scheitz, Chefin der Andechser Molkerei

Die Andechser Molkerei Scheitz setzt sich mit dem preisgekrönten Programm KlimaBauern für den Klimaschutz ein. Das Projekt kann es der Landwirtschaft insgesamt ermöglichen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

GABRIELE LÜKE, Ausgabe 05/2022

Welch ein Imagewandel! War die Milch vor wenigen Jahrzehnten noch ein Lebensmittel, das müde Männer munter und Bayern stark machte, wird sie heute als Klimasünderin gescholten. Der World Wide Fund for Nature WWF errechnete Anfang 2021 in einer Studie, dass 25 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen in Deutschland auf den Verbrauch von Milch, Butter oder Eiern zurückgehen – ziemlich viel, zumal das Klimagas Methan, das die Kühe ausstoßen, noch klimaschädlicher ist als CO2.

Barbara Scheitz (56), geschäftsführende Gesellschafterin der Andechser Molkerei Scheitz GmbH, irritieren solche Zahlen nicht. »Wir haben uns der Tatsache, dass die Milchwirtschaft – wie andere Branchen auch – zum Klimawandel beiträgt, längst gestellt«, sagt sie. »Insbesondere als Bio-Betrieb können wir durch gezielte Maßnahmen aber zugleich auch wirksam zur CO2-Reduktion und zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beitragen.«

Klimaschutz mit KlimaBauern

Dafür steht aktuell das Programm KlimaBauern, für das die Molkerei Ende 2021 den neuen Deutschen Umweltmanagementpreis in der Kategorie »Beste Maßnahme Klimaschutz« erhielt. Der Preis wird vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dem Bundesumweltministerium, dem Verband für Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement und dem Umweltgutachterausschuss ausgeschrieben. Er löst die nationalen EMAS-Awards ab, die seit 2005 für die vorbildliche Umsetzung des europäischen Umweltmanagementsystems EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) vergeben worden waren.

Pilotprojekte seit 2017

Die Initiative KlimaBauern der Andechser Molkerei startete offiziell 2021. In ihr gingen vier Arbeitskreise auf, in denen das Unternehmen gemeinsam mit ausgewählten Bauern bereits seit 2017 verschiedene Pilotprojekte zu Tierwohl, Weidehaltung, Humusaufbau und Biodiversität entwickelt und praktisch umsetzt. »Ihre Zusammenführung unter dem Dach der KlimaBauern war absolut folgerichtig, denn alle vier Bereiche gehören eng zusammen, verstärken sich wechselseitig gerade auch im Klimaschutz«, sagt Scheitz.

Weidehaltung für CO2-Reduktion

Dreh- und Angelpunkt für die CO2-Reduktion in der Milchwirtschaft ist die Weidehaltung. Kühe leben auf der Weide gesünder – Stichwort Tierwohl –, vor allem weil sie dort Gras und andere Grünpflanzen fressen können, im Unterschied zur konventionellen Stallhaltung, bei der typischerweise mit Soja gefüttert wird, das CO2-intensiv aus Übersee importiert wird. »Zugleich sind Grünfutter und Heu ihre wesensgemäße Ernährung – und das bedingt, dass sie automatisch weniger klimaschädliches Methan ausstoßen«, sagt die Molkereichefin.

Doch die Weidehaltung bringe noch weitere Klimavorteile, so Scheitz: Die Kühe fressen Grünpflanzen so ab, dass deren Wurzeln und Blätter einen Wachstumsimpuls erhalten. Zudem tragen die Kühe beim Laufen zur Lockerung des Bodens bei. Sie treten aber auch abgestorbene Pflanzenreste in den Boden ein, wodurch sie ebenso wie ihre Kuhfladen eine wichtige Rolle beim Humusaufbau spielen.

»Kuh als fürsorgliche Pflegerin dieser elementaren CO2-Speicher«

Beides, Humus und eine wachstumsstarke Pflanzenwelt, fördert die Biodiversität, Wasseraufnahmefähigkeit, Fruchtbarkeit und Resilienz der Böden und Wiesen, binden aber vor allem sehr viel CO2. »Wiesen und humusreiche Böden gehören zu den wichtigsten CO2-Speichern überhaupt«, so Scheitz. »Ganzheitlich betrachtet, ist die Kuh, wenn sie wesensgemäß gehalten wird, also keine Klimasünderin, sondern die fürsorgliche Pflegerin dieser elementaren CO2-Speicher.«

Bereits 3.400 Hektar Nutzfläche für das Programm

Aktuell beteiligen sich 70 von 660 Vertragsbauern an dem Projekt und bringen 3.400 Hektar Nutzfläche ein. »Sie haben von Anfang an sehr engagiert mitgearbeitet, Wissen geteilt, die mit den Maßnahmen einhergehenden Veränderungen angenommen. Nach und nach sollen alle 660 mitmachen«, sagt die Firmenchefin.

Wissenschaftlich begleitet

Wie schon in den vorangegangenen Arbeitskreisen ist auch die Wissenschaft begleitend dabei. Die Forschenden des Lehrstuhls für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme der Technischen Universität München sowie des Schweizer Instituts für Agrarökologie machen eine individuelle Bestandsaufnahme der CO2-Emissionen jedes beteiligten Hofs.

Sie planen mit den Bauern die konkreten Maßnahmen – zentral ist aktuell der Humusaufbau – und messen die Fortschritte. »Die wissenschaftliche Begleitung und Dokumentation ist uns sehr wichtig. Denn je besser wir die Zusammenhänge und Kreisläufe verstehen, umso mehr können wir bewirken«, erklärt Scheitz. »Unsere Ergebnisse werden zudem übertragbar. Wir möchten insbesondere auch der konventionellen Vieh- und Landwirtschaft Impulse geben.«

Die Molkerei setzt außerdem finanzielle Anreize: Jeder beteiligte Klima-Bauer erhält in den nächsten fünf Jahren garantiert zehn Euro für jede eingesparte Tonne CO2.

Eine Tonne CO2-Einsparung pro Hektar

Das Ergebnis der bisherigen Maßnahmen macht alle Beteiligten sehr zufrieden: Innerhalb eines Jahres konnten die 70 Bauern circa 3.400 Tonnen CO2 – gut zehn Prozent – einsparen. »Aber natürlich sehen wir den Klima- und Umweltschutz nicht allein als Aufgabe der Bauern. Auch in der Molkerei selbst setzen wir uns für das Thema ein, wollen vorbildlich sein – und das schon lange«, ergänzt Scheitz.

»Unser Ziel ist die komplette Klimaneutralität«

Bereits vor 25 Jahren führte der Betrieb EMAS ein. »Hier ist es vor allem die EMAS-Wesentlichkeitsanalyse, die uns voranbringt: Was sind die wesentlichen Faktoren, damit wir immer noch besser, noch umwelt-, noch klimafreundlicher werden? Wo können wir individuell ansetzen?« Zudem stehen die UN-Nachhaltigkeitsziele für viele Maßnahmen Pate.

Im Ergebnis wird die Produktion immer ressourcen-, energie- und wasserschonender, etwa durch Photovoltaikanlagen auf den Dächern (auch bei den Bauern), E-Firmenwagen, Pflanzenkläranlagen oder Verpackungen mit weniger Plastik und mehr Karton, der wiederum aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammt. Zudem setzt das Unternehmen auf Regionalität: »Die Bauern sind im Umfeld der Molkerei ansässig, die Wege im Verhältnis kurz. Das spart per se viel CO2«, so Scheitz. »Unser Ziel ist die komplette Klimaneutralität.«

»Verantwortung übernehmen für Mensch und Natur«

Ausgangspunkt für all diese Maßnahmen und Initiativen sei aber immer die Haltung, betont die Unternehmerin: »Wir wollen Natürliches natürlich belassen – das Klima inklusive. Das ist unsere Firmenphilosophie. Und die verwirklichen wir, wie ehrbare Kaufleute es tun, indem wir Verantwortung übernehmen für Mensch und Natur, langfristig, regional und damit auch global.«

IHK-Service: EMAS-Website mit Leitfaden

Mehr Informationen, wie zum Beispiel einen Leitfaden, gibt es auf der Website der IHK zum Thema Umweltmanagementsystem EMAS.

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