Nachwuchs mit Top-Noten

In Berlin wurden die besten Auszubildenden Deutschlands geehrt. Wie gelingen solche herausragenden Leistungen?
Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 01–02/2024
Mitte Dezember standen 219 Azubis im Estrel Congress Center in Berlin auf der Bühne und nahmen ihre Urkunden entgegen. Sie wurden dafür ausgezeichnet, dass sie in ihrem Ausbildungsberuf die oder der Beste deutschlandweit waren. „Unsere Spitzenazubis aus Industrie und Handel sind 219 persönliche Erfolgsgeschichten, 219 Beweise, dass sich Leistung lohnt“, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in ihrer Festrede. „Sie zeigen, was Deutschland stark macht: persönlicher Einsatz und individuelles Können, aber auch ein System, das dies ermöglicht.
Mit dabei waren 12 junge Leute aus Oberbayern – 2 von ihnen berichten:
„Hab so viel gelernt wie noch nie“
Volker Fischer hat beim Ingenieurbüro Kuzyl & Sander GmbH in München seine Ausbildung zum Technischen Systemplaner, Fachrichtung Versorgungs- und Ausrüstungstechnik, absolviert. Seither arbeitet er als Angestellter in dem 10-Personen-Betrieb.
Gleichzeitig macht er eine Weiterbildung zum Techniker. 96 Punkte stehen im Zeugnis von Fischer – eine Glanzleistung. Dennoch ärgert er sich ein bisschen: „Es hätte noch besser sein können.“
Fischer ist ehrgeizig, die Ausbildung wollte er unbedingt mit der Note „sehr gut“ abschließen. Deshalb habe er „so viel gelernt wie noch nie im Leben“. Und das will etwas heißen bei jemandem, der so viel Lernerfahrung hat wie Fischer. Denn der junge Mann hatte zuvor 10 Jahre lang an verschiedenen Hochschulen Maschinenbau und Bauingenieurwesen studiert. Nur war er damals eben nicht so erpicht auf gute Leistungen wie heute.
Statt Uni: Ausbildung brachte Erfüllung
Er führt das auf die für ihn nicht passende Arbeitsweise an Universitäten zurück: „Niemanden hat es interessiert, ob man anwesend war oder ob man zur Prüfung kommt. Außerdem war das Studium sehr theorielastig.“
Nach dem 3. Abbruch und etlichen Gesprächen mit Freunden und Verwandten erkannte Fischer, dass eine Ausbildung wohl besser zu ihm passt. „Nach dem Abitur hatte ich keine Sekunde lang an eine Ausbildung gedacht“, sagt er. Die Eltern sind Akademiker, die Großeltern ebenfalls. „Da steht unausgesprochen im Raum, dass die Kinder ebenfalls studieren.“ Seine berufliche Erfüllung aber fand er erst in der Ausbildung. Statt in 3,5 Jahren absolvierte Fischer die Ausbildung in weniger als 2 Jahren.
Ansporn durch den Firmenchef
Wie es ihm gelungen ist, so gut abzuschneiden? Natürlich habe ihm sein Vorwissen aus dem Studium geholfen, sagt Fischer. Hinzu kam, dass er Theoretisches aus der Schule kurz darauf im Betrieb praktisch umsetzen konnte. „Erst dann sitzt das Gelernte“, sagt der Technische Systemplaner. Außerdem habe der Firmeninhaber und Ausbilder Klaus Kuzyl mit seiner Motivation einen Nerv bei ihm getroffen: Beim Vorstellungsgespräch hatte Kuzyl auf eine Urkunde gezeigt, die hinter seinem Schreibtisch hing: Eine frühere Auszubildende war damit als Bayerns Beste ausgezeichnet worden. „Herr Kuzyl sagte: Das ist schon sehr gut. Aber es geht noch besser“, berichtet Fischer – und das spornte ihn an.
Azubis schnell in die Praxis einbinden
In dem Ingenieurbüro, das in der Regel ein bis zwei Azubis pro Jahr ausbildet, gab es schon zwei bayernweit Beste, nun einen Bundesbesten. Kuzyl kümmert sich um seine Lehrlinge. „Bei uns gibt es keine Sprechzeiten, die Tür ist immer offen“, sagt er. Alle Mitarbeiter stünden für Fragen zur Verfügung, würden anleiten, helfen.
Für den Unternehmer ist ein weiterer Schlüssel zum Erfolg, dass die Auszubildenden schon nach wenigen Wochen mit auf die Baustellen gehen. „Das fordert sie.“ Außerdem helfe es, die Zusammenhänge zwischen allen Gewerken zu verstehen. Auch Hintergründe, warum etwas wie gemacht werden muss, vermittelt der Chef des Ingenieurbüros, wann immer es seine Zeit erlaubt.
Wechsel in die Verlagshauptstadt München
Zusammenhänge verstehen – das wollte auch Viola Elgaß, bevor sie ihre Ausbildung zur Medienkauffrau Digital und Print bei Penguin Random House in München antrat. Zuvor war sie etwa 7 Jahre lang bei einem kleinen Verlag im Allgäu als Redakteurin beschäftigt gewesen. Doch sie wollte mehr über die „Medienwelt“ erfahren, wie sie sagt, alle Abläufe von A bis Z kennenlernen, „am liebsten im Bereich Buch“. Sie bewarb sich in der Verlagshauptstadt München und bekam mehrere Zusagen.
„Da riecht es nach Zukunft“
Für die Penguin Random House GmbH entschied sie sich, weil sie dort „das große Ganze sehen“ konnte. 13 Abteilungen durchlief sie, von Presse über Marketing bis Herstellung. „Meine Ausbildung war vielfältig“, so die neue Medienkauffrau. Somit konnte sie auch herausfinden, welche Bereiche sie am meisten ansprechen: Seit dem Ende ihrer Ausbildung ist sie in der Abteilung „Digital Development“ beschäftigt und vermarktet Onlinekurse auf der Plattform sinnsucher.de. „Ich habe während der Ausbildung festgestellt, dass ich das machen möchte. Denn da riecht es nach Zukunft“, sagt Elgaß.
Schon Auszubildenden Verantwortung geben
Dass sie in Berlin als Bundesbeste auf dem Podium stand, ist selbstverständlich ihre Leistung. Was ihr dabei geholfen hat? „Ich war und bin immer neugierig“, sagt sie. Aber auch der Arbeitgeber habe seinen Anteil, etwa durch eine „strukturierte und organisierte Ausbildung sowie das Übertragen von Eigenverantwortung“. So betrieben die Azubis in Eigenregie einen Instagram-Account. Elgaß war zeitweise die Leiterin des Projekts.