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Auf fremden Märkten

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Online bestellt – ins Ausland verschickt

Mit E-Commerce eröffnet Unternehmen eine attraktive Möglichkeit, Auslandsmärkte zu erschließen – sowohl beim Verkauf als auch bei der Beschaffung. Wichtige Informationen dazu bietet das Außenhandelsportal »ONLINE erfolgreich im Ausland«.

MECHTHILDE GRUBER, Ausgabe 06/2022

Das Kaufverhalten wandelt sich seit Langem, die Pandemie hat die Entwicklung noch verstärkt: Während der klassische Handel in den Innenstädten vielerorts schwächelt, erlebt der Onlinehandel einen Boom – nicht nur im Inland, sondern über Grenzen hinweg. Und: Der Trend zum Onlineshopping betrifft längst nicht nur Konsumenten, sondern auch das B2B-Geschäft. Immer mehr Firmen kaufen weltweit über digitale Beschaffungskanäle ein.

Für Firmen bietet sich hier eine Chance. Durch die Coronakrise sind viele Absatzmärkte für die bayerische Wirtschaft eingebrochen. Firmen können die Möglichkeit nutzen, mit E-Commerce neue Märkte zu erschließen, rät Christian Neugebauer, Experte für internationalen E-Commerce bei der IHK für München und Oberbayern: »Wer konkurrenzfähig bleiben will, sollte auch international agieren. Sonst fallen Umsätze weg und Wettbewerber im In- und Ausland übernehmen Kunden.«

Plattform für internationalen E-Commerce

Um Betriebe dabei zu unterstützen, die Potenziale der Digitalisierung noch stärker für das Auslandsgeschäft zu nutzen, haben die bayerischen IHKs, die Handwerkskammern und das Außenwirtschaftszentrum das vom Freistaat geförderte Projekt »ONLINE erfolgreich im Ausland« initiiert. Die zugehörige Website  ist ein zentraler Pfeiler des Gemeinschaftsprojekts, sagt Projektkoordinator Neugebauer: »Hier wurde eine umfangreiche Plattform geschaffen, auf der sich Firmen für ihre ersten Schritte im internationalen E-Commerce ausführlich informieren können und konkrete Hilfe erhalten.«

Auf der Website stehen zum Beispiel zwei Praxisleitfäden zum digitalen Vertrieb und zur digitalen Beschaffung zum Download bereit. Sie geben Unternehmen eine Anleitung, wie sie auf digitalem Weg Absatzmärkte erschließen können, aber auch wie digitale Beschaffung in internationalen Märkten funktioniert, was bei der Lieferantensuche zu beachten ist und wie die örtlichen Auslandshandelskammern (AHKs) helfen können. Dazu läuft seit Februar eine Webinarreihe mit insgesamt 30 Veranstaltungen.

»Kein allgemeingültiges Rezept für das Vorgehen«

»Unternehmen sollten sich darüber im Klaren sein, dass grenzüberschreitender E-Commerce nicht weniger herausfordernd ist als der klassische Vertrieb oder Einkauf auf ausländischen Märkten«, sagt IHK-Experte Neugebauer. Auch hier muss der Einstieg gut vorbereitet sein. Das bestätigt Georg Wittmann (45), Geschäftsführer bei ibi research an der Universität Regensburg GmbH und Mitautor der Projektleitfäden. »Es gibt kein allgemeingültiges Rezept für das Vorgehen«, betont er. »Es hängt vielmehr individuell vom Unternehmen ab, von der Produktkategorie und vom Markt, in den es einsteigen will.«

»Einfach loslegen – das geht selten gut«

Einige Schritte gelten aber für alle: Dazu zählt als Erstes die Marktanalyse, um zu verstehen, wie die Prozesse im jeweiligen Land ablaufen. »Einfach loslegen – das geht selten gut«, so die Erfahrung des E-Commerce-Spezialisten. Oft unterscheiden sich die bevorzugten Bezahlverfahren in den verschiedenen Ländern. Wer diese Verfahren nicht anbietet, dem schenken die Kunden nicht ihr Vertrauen.

Retouren als Herausforderung

Ebenso müssen Firmen berücksichtigen, welche Vertriebskanäle für welche Produktgruppen in den jeweiligen Ländern entscheidend sind. Neben rechtlichen, regulatorischen und zollrechtlichen Hürden ist auch der Retourenprozess möglicherweise eine Herausforderung. Denn die Einkaufskulturen unterscheiden sich selbst in Europa. In vielen Ländern sind etwa die Retourenquoten niedriger als in Deutschland, weil Konsumenten die Kosten dafür selbst tragen müssen.

Wichtig sei, das Auslandsengagement betriebswirtschaftlich im Blick zu behalten, betont ibiresearch-Experte Wittmann: »Manche achten nicht genügend darauf, ob und wie sehr die Kosten für Logistik, Zoll oder Marketing die Marge belasten.« Das könne auch bedeuten, dass es für ein Unternehmen besser ist, sich aus einem nicht rentablen Markt zurückzuziehen.

Neue Lieferanten finden

Ein zweiter Schwerpunkt des Außenwirtschaftsportals widmet sich der digitalen Beschaffung. Durch die Pandemie und verstärkt durch den Russland-Ukraine-Krieg sind viele bayerische Firmen gezwungen, weltweit nach neuen Lieferanten zu suchen. Welche regionalen Portale, Onlinetools und Services Unternehmen für die Lieferantensuche nutzen können und welche Hilfe die örtlichen Auslandshandelskammern bieten, erfahren Betriebe unter anderem im Onlinepraxisleitfaden und in den Länderwebinaren.

Genug Zeit einplanen

»Unsere Empfehlung ist, sich rechtzeitig nach Alternativen umzusehen und entsprechende Zeitressourcen mit einzuplanen«, sagt Jörg Buck, geschäftsführender Vorstand der AHK Italien. Mit dem Industrial Suppliers Forum (ISF) haben Spezialisten der AHKs eine digitale Plattform geschaffen, um Unternehmen bei der Lieferantensuche in Europa zu unterstützen.

IHK-Service zum Außenhandelsportal

Umfassende Informationen zum E-Commerce international auf dem Außenhandelsportal »ONLINE erfolgreich im Ausland«.

Firmenbeispiel CentriBra UG: Einstieg geglückt

Der BH-Spezialist CentiBra UG aus Freising bei München verkauft seine Produkte seit Kurzem erfolgreich online in Österreich. »Ich habe mich gut beraten lassen«, sagt Stephanie Krist (48), Geschäftsführerin von CentiBra in Freising. Um die Herausforderungen im Onlinehandel problemlos zu meistern, war das für sie eine entscheidende Hilfe.

Ihr Produkt ist im Nachbarland ebenso gefragt wie in Deutschland: »Unser maßgeschneiderter und handgefertigter BH ist etwas, was sich alle Frauen wünschen, egal in welchem Alter und egal in welchem Land«, sagt die Unternehmerin. Um die BHs im Onlineshop anbieten zu können, hat sie eine eigene Methode des Maßnehmens entwickelt, sodass Kundinnen mit Unterstützung eines Erklärvideos bequem von zu Hause aus ihren Wunsch-BH bestellen können. Nach dem deutschlandweiten Erfolg kam auch die Nachfrage aus Österreich.

Der Einstieg in den Nachbarmarkt war gut vorbereitet, betont Krist: »Für jede Frage, die wichtig sein könnte, gab es bei der IHK einen Ansprechpartner. Über die Verpackungsverordnung sowie die steuerlichen und rechtlichen Bestimmungen habe ich alle Informationen gesammelt und innerhalb von wenigen Tagen umgesetzt.«

Der Onlineshop wurde für den Bestellprozess in Österreich angepasst, erste Google-Anzeigen wurden im Nachbarland geschaltet. Mit dem dortigen Erfolg ist die Geschäftsführerin sehr zufrieden: »Aus Österreich kam bisher keine einzige Retoure.« Auch wenn Krist ihre Präsenz auf dem österreichischen Markt nun erst einmal ausbauen will, steht deshalb ihr Plan fest: »Ich will noch in weitere Märkte expandieren.«

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