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Internationaler Handel ist für die Wirtschaft essenziell – Containerterminal Hamburg

Eine Umfrage unter bayerischen Unternehmern zeigt die wichtigen Außenwirtschaftsthemen: Die Firmen fordern vor allem Entbürokratisierung. Aber es gibt noch mehr in der Außenwirtschaftsförderung zu tun.

Sabine Hölper, Ausgabe 11/2021

Niemand kann sagen, wann die Pandemie vorbei ist und was »vorbei sein« in diesem Zusammenhang überhaupt bedeutet. Fest steht: Die Welt dreht sich trotz Virus weiter, heute und morgen. Der internationale Handel ist ein elementarer Bestandteil der vernetzten Gesellschaft. Die Wirtschaft profitiert von ihm und damit die Menschen weltweit. Eine wichtige Frage lautet daher: Wie können grenzüberschreitende unternehmerische Aktivitäten nach oder mit Corona künftig besser laufen?

Die bayerischen IHKs haben den Unternehmern diese Frage im Sommer gestellt. Die Antworten zeigen zwei zentrale Ergebnisse. Erstens: Als besonders drängend erachten die Unternehmen die Entbürokratisierung bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen und Entsendungen im Binnenmarkt. Und zweitens: Es gibt viel anzupacken, die Themenliste ist lang.

Die Aussagen der Firmenchefs sind geprägt von den außergewöhnlichen Erfahrungen der vergangenen gut anderthalb Jahre. Viele Unternehmen hatten und haben zum Teil noch immer coronabedingt mit großen Problemen zu kämpfen. Mitarbeiter durften nicht in andere Staaten einreisen, und wenn doch, dann unter erschwerten Bedingungen wie Quarantäneauflagen. Auch Lieferketten wurden unterbrochen, Produktionen mussten in manchen Fällen komplett gestoppt werden. All das hat tiefe Spuren hinterlassen, viel Umsatz gekostet.

Protektionismus

Es ist daher verständlich, dass die Firmenlenker grundsätzlich vor allem ein »Zurück zur Normalität« wollen. Doch das greift zu kurz. »Denn schon vor Ausbruch des Virus haben Abschottungstendenzen begonnen«, sagt Frank Dollendorf, Mitglied der Hauptgeschäftsführung bei der IHK für München und Oberbayern. »Wir sehen bei vielen Staaten einen zunehmenden Protektionismus.« Vor allem Industrieunternehmen würden sich daher insbesondere mit der Sicherstellung der Lieferketten beschäftigen.

Stephanie Spinner-König, Aufsichtsratsvorsitzende der SPINNER GmbH in München, bestätigt das. Ihr Unternehmen ist mit rund 1 000 Mitarbeitern ein großer Arbeitgeber in der Region. Der Exportanteil des Herstellers von Hochfrequenz-Produkten beträgt weit über 50 Prozent. Spinner-König stellt fest: »Es gibt derzeit zu viele Restriktionen rund um den Globus«, insbesondere China und die USA zögen die Daumenschrauben in letzter Zeit an. »Beide Nationen rüsten auf, wir sitzen als EU dazwischen.« Das neue Lieferkettengesetz tue ein Übriges. »Mittlerweile beschäftigen wir acht Mitarbeiter, um die Dokumentationspflichten zu erfüllen«, sagt die Unternehmerin. Vor 25 Jahren hätten drei Mitarbeiter diese Aufgabe stemmen können.

Ebenso treiben die Auswirkungen des Green Deal der EU die Unternehmer um. Er erfordert enorme strukturelle Veränderungen in Wirtschaft und Industrie, darunter auch von Sektoren, denen vom EU-Emissionshandelssystem zunächst kostenlos Emissionszertifikate zugeteilt wurden. »Das könnte zu einer Verlagerung der Produktion und damit von CO₂-Emissionen in Regionen mit weniger strengen Vorschriften führen, genannt Carbon Leakage«, sagt IHK-Experte Dollendorf.

»Carbon Border Adjustment Mechanism« (CBAM)

Die Europäische Union erwägt, als Gegenmaßnahme einen CO₂-Grenzausgleich einzuführen, im Fachjargon »Carbon Border Adjustment Mechanism« (CBAM) genannt. Auch der Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums plädiert in einem Gutachten für den CO₂-Grenzausgleich und für den Aufbau eines internationalen Klimaclubs von Vorreiterstaaten. Die Mitglieder dieses Clubs sollten sich mit ihren wichtigen Handelspartnern auf einen Mindestpreis für CO₂-Emissionen einigen und sich gegenüber Nichtmitgliedern durch ein Ausgleichssystem absichern.

Doch noch sind viele Fragen offen und die bayerischen Unternehmen sorgen sich um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit – aus mehreren Gründen. »Die Auflagen und Zölle sind sehr hoch und gehen daher ins Geld«, sagt Jennifer Rosenheimer (35). »Wir geben zum Teil mehr für Zulassungen als für die Entwicklung der Produkte aus.« Die Geschäftsführerin der MIPM Mammendorfer Institut für Physik und Medizin GmbH mit 70 Mitarbeitern berichtet von ihren Erfahrungen in Brasilien: »Man überweist 20.000 Euro – und hört dann zwei Jahre lang nichts.«

Reiserestriktionen

Zu den grundlegenden Themen kommen erschwerend die coronabedingten Einschränkungen und Hemmnisse hinzu, etwa Reiserestriktionen. »Wir können aber nicht alles online erledigen«, sagt Rosenheimer. Ihr Unternehmen ist in 100 Ländern aktiv, sie weiß: »Vertrauen zu Kunden und Partnern können wir nur aufbauen, wenn wir vor Ort sind.« Die Unternehmerin nennt beispielhaft den chinesischen Markt, in den MIPM kürzlich erst eingetreten ist: »Wir müssten dringendst einen Mitarbeiter dorthin entsenden, denn der Partner wird ungeduldig. Doch ich kann das derzeit nicht vertreten.« Ihre Sorge: dass es bei Geschäftsreisen auch in den nächsten zwei bis fünf Jahren Einschränkungen geben wird. Einschränkungen, die ihrem Geschäft im schlimmsten Fall enorm schaden. Ein weiteres Ärgernis: Coronabedingt wurde der Mittelständler mit Preiserhöhungen konfrontiert. Das klare Plädoyer der Unternehmerin: »Wir müssen unsere Weltoffenheit erhalten. Wir brauchen uns gegenseitig.«

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