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Region mit Zukunft

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Kupfermine – Australien verfügt über gefragte Rohstoffe

Die Entfernungen sind weit, die Zeitunterschiede groß – dennoch bieten Neuseeland und Australien bayerischen Unternehmen interessante Chancen, neue Lieferketten aufzubauen und weitere Absatzmärkte zu erschließen.

MECHTHILDE GRUBER, Ausgabe 10/2022

Die Situation auf den Weltmärkten ist angespannt. Die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine belasten die weltweiten Lieferketten, Absatzmärkte fallen weg. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, neue Lösungen zu finden. »Diversifizierung wird im internationalen Geschäft zur Risikominimierung immer wichtiger«, sagt Ina Knausenberger, Referentin für die Asien-Pazifik-Region bei der IHK für München und Oberbayern.

Verlässlichkeit als Plus

Dabei rückt die Verlässlichkeit der Partner künftig noch stärker in den Fokus. Sowohl Neuseeland als auch Australien können damit punkten. Zwar sind die Länder weit entfernt. »Sie bieten aber aufgrund ihrer politischen und wirtschaftlichen Strukturen sowie ihrer gefragten Rohstoffvorkommen den Unternehmen viele Möglichkeiten, ihre Lieferketten und Absatzmärkte zu diversifizieren«, sagt die IHK-Expertin.

Neuseeland ist europäisch geprägt und mit fünf Millionen Einwohnern als Binnenmarkt überschaubar. »Durch seine Größe ist es ein idealer Markt, um neue Produkte mit kleinem Risiko zu testen«, sagt Monique Surges, Geschäftsführerin der AHK Neuseeland. Vor allem als Investitionsstandort bietet das Land mit seinen starken staatlichen Institutionen, seiner Rechtssicherheit und seiner hohen politischen Transparenz im asiatisch-pazifischen Raum gute Bedingungen.

95 Prozent weniger Beschränkungen

Außerdem wird das kürzlich abgeschlossene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland den Unternehmen viele Erleichterungen bringen und den Marktzugang deutlich vereinfachen. Mit dem neuen Handelsabkommen werden über 95 Prozent der Tarife und Limits abgeschafft. So entfallen beispielsweise die Zölle auf europäische Autos und Textilien, die bisher noch fünf bis zehn Prozent betragen.

39 Milliarden Euro für Infrastruktur

»Gute Geschäftschancen bietet vor allem der von der Regierung stark vorangetriebene Ausbau der Infrastruktur«, sagt AHK-Expertin Surges. Dafür wurden die Ausgaben für die kommenden vier Jahre gerade noch einmal auf 40 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 39 Milliarden Euro) erhöht. Klimaneutralität ist dabei ein wichtiges Ziel. Um es bis 2050 zu erreichen, wird viel Geld in den Ausbau des Schienennetzes investiert. Einige deutsche Firmen sind hier bereits beteiligt.

Chancen im Bausektor

Ebenfalls beträchtlicher Nachholbedarf besteht im Abwassersektor sowie in der Abfallwirtschaft. Grüne Technologielösungen sind auch hier gefragt, um Klimaziele zu erreichen. Besonders viele Chancen gibt es im Bausektor – sowohl beim Neubau von Wohnungen als auch bei der Gebäudesanierung zur Reduktion von Treibhausgasen, betont die AHK-Geschäftsführerin: »Hier fehlen in Neuseeland die Expertise, die Produkte und das Personal.« Von den insgesamt 132 deutschen Firmen mit Niederlassungen in Neuseeland sind allein 32 im Bau tätig. Auch bayerische Unternehmen wie die Knauf Gips KG in Iphofen oder der Gebäudesanierungsspezialist Proklima GmbH in Nürnberg engagieren sich hier mit großem Erfolg.

Offener und wirtschaftsfreundlicher Markt

Neuseeland ist ein offener, wirtschaftsfreundlicher Markt. Ein Einstieg kann sehr schnell gehen, nur beim Kauf von Land oder Gebäuden wird es kompliziert. Was Neuseeland als Investitionsstandort zusätzlich interessant macht: Von hier aus sind gute Geschäftsbeziehungen in die Region, besonders in die wachstumsstarken asiatischen Länder möglich. So ist etwa die BayWa AG – seit 2012 in Neuseeland im Obstgeschäft sehr präsent – ein gutes Beispiel für eine Firma, die sich über Neuseeland globalisieren will, sagt AHK-Expertin Surges: »Die Tür nach Asien steht hier offen, das ist nicht zu unterschätzen.«

Ebenso gute Rahmenbedingungen plus bedeutende Rohstoffvorkommen bietet Neuseelands Nachbarland Australien.

Industriecluster in vier Bereichen

Die fünftgrößte Volkswirtschaft in der Asien-Pazifik-Region ist für bayerische Unternehmen sowohl als Standort als auch als Beschaffungs- und Absatzmarkt attraktiv. »Wir nehmen in den letzten Monaten ein wachsendes Interesse am australischen Markt wahr – sowohl von Unternehmen als auch von der Politik«, sagt Gabriele Rose, Geschäftsführerin der Deutsch-Australischen Industrie- und Handelskammer (AHK). Gute Geschäftschancen bieten vor allem vier Bereiche, in denen die AHK Industriecluster aufgebaut hat: Energie, Bergbau, Gesundheit sowie Agrar- und Ernährungswirtschaft.

Zukunftsthema grüner Wasserstoff

»Für Unternehmen in Deutschland ist der Energiesektor besonders interessant«, sagt die AHK-Expertin. Mit der neuen Labour-Regierung bekommt die australische Energiepolitik eine neue Ausrichtung. Zukunftsthema ist grüner Wasserstoff. Deutschland spielt dabei nicht nur als potenzieller Abnehmer eine Rolle, sagt Rose: »Australien kann vom Technologie-Know-how profitieren, über das Deutschland hier verfügt.« Technologielieferanten für Brennstoffzellen, Elektrolyseure und andere Bereiche der Wasserstoffindustrie sind gefragt. Gemeinsame Projekte werden vom Bund gefördert.

Kompetenzzentrum Mining

Australien hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Lieferanten für Batterierohstoffe und strategische Rohstoffe entwickelt. Schon 2015 gründete die AHK ein Kompetenzzentrum Mining. »Deutsche Unternehmen sind aktuell sehr interessiert an Kooperationen mit australischen Partnern«, sagt die AHK-Geschäftsführerin. Umgekehrt gibt es zahlreiche sogenannte Junior-Miner, die den deutschen Markt entdecken.

Innovative Lösungen für Agrar- und Ernährungswirtschaft gesucht

Für mittelständische Unternehmen aus Bayern ist aber auch die Agrar- und Ernährungswirtschaft vielversprechend, so AHK-Geschäftsführerin Rose: »Gesucht sind spezialisierte, innovative Lösungen aus Deutschland, die hier in Australien ein sehr gutes Image haben.« Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Australien kommen ebenfalls gut voran. Ein Abschluss wird in der ersten Jahreshälfte 2023 erwartet. Das kann für bayerische Unternehmen ein weiterer Anreiz sein, sich den australischen Markt näher anzuschauen.

Idealer Standort für Asien-Pazifik-Raum

Auch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen sprechen dafür, sich mit Australien als möglichem zweitem Standbein im Asien-Pazifik-Raum neben China zu beschäftigen. Die sehr dynamische Region werde in Zukunft die Weltwirtschaft tragen, glaubt AHK-Geschäftsführerin Rose. »Für deutsche Unternehmen ist Australien ein Land mit ähnlichen Wertvorstellungen, ein verlässlicher Markt und zugleich ein idealer Standort, der Unternehmen einen guten Zugang zu dieser Region bietet.«

IHK-Veranstaltungstipp: Intensivberatung Neuseeland

Eine gute Gelegenheit für ausführliche Informationen zu Neuseesland aus erster Hand bietet sich im Format der Einzelgespräche: Firmen können AHK-Geschäftsführerin Monique Surges konkrete Fragen zum neuseeländischen Markt und zu den Anforderungen an Unternehmen stellen.

Termin: 9. November 2022
Ort: IHK für München und Oberbayern, Max-Joseph-Straße 2, 80333 München

Hier Anmeldung und Information (kostenfrei, aber anmeldepflichtig).

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