Fachkräfte

Berufsbildungsgesetz - die wichtigsten Änderungen

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Neue Regeln für die berufliche Ausbildung

Sabine Hölper, Ausgabe 02/2020

Das neue Berufsbildungsgesetz bringt Verbesserungen für die Wirtschaft, auch
wenn an manchen Stellen eine weitergehende Reform wünschenswert gewesen wäre. Die wichtigsten Änderungen im Überblick. 

Die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zeigte sich hochzufrieden, als der Bundesrat Ende vergangenen Jahres der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) zustimmte. »Mit dem neuen Berufsbildungsgesetz machen wir die berufliche Bildung in Deutschland attraktiver. Wir stärken damit das duale System, um das uns schon heute viele Länder beneiden«, sagte sie. »Dieses Gesetz wird auch unserer gesamten Wirtschaft zugutekommen, weil es eine wichtige Maßnahme gegen den Fachkräftemangel ist.« Dass Karliczek ihr eigenes Gesetz lobt, ist wenig verwunderlich. Wie aber fällt eine Bewertung aus Sicht der Wirtschaft aus? Die Gesetzesnovelle, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, bringe tatsächlich einzelne Verbesserungen für die duale Ausbildung und die berufliche Fortbildung, urteilt Thomas Kürn, Leiter des Bereichs Berufliche Bildung, Fachkräfte bei der IHK für München und Oberbayern. Ein großer Wurf im Sinne einer umfassenden, zukunftsorientierten Reform sei damit jedoch nicht gelungen, findet der Experte. Die Neuerungen im Einzelnen:

Vereinfachungen bei Prüfungen

Zu den entscheidenden Verbesserungen der Reform zählen Vereinfachungen, die die Durchführung rechtsbeständiger und hochwertiger Prüfungen erleichtern. So sind unter bestimmten Voraussetzungen nur noch zwei statt drei Prüfer notwendig. Dadurch werde das Prüferehrenamt entlastet, kommentiert der Gesetzgeber. Diese Neuerung sei »ein wichtiger Schritt«, bestätigt IHK-Experte Kürn. Dennoch hätte er sich mehr Mut von der Regierung erwartet. Denn die Erleichterungen betreffen nur sogenannte nichtflüchtige Prüfungsleistungen, also vor allem schriftliche Prüfungen. Für die flüchtigen (insbesondere die praktischen) Prüfungsleistungen hingegen gilt nach wie vor die alte Regelung. Gerade sie machen jedoch einen Großteil aller Prüfungen aus. »Wir hätten eine Ausdehnung der Zweierlösung auf alle Prüfungsleistungen begrüßt«, sagt Kürn. Der Bundesrat sieht das im Übrigen ebenso. Er plädierte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für eine solche Ausdehnung. Schließlich habe sich die Notwendigkeit, das Ehrenamt zu entlasten, in den vergangenen Jahren aufgrund des Fachkräftemangels sogar noch erhöht, »sodass hier weiterer Handlungsbedarf gesehen wird«. Der Bundesrat regte daher an, diesen Punkt in zwei Jahren erneut auf die Agenda zu setzen.

Azubis erhalten Mindestvergütung

Um Auszubildenden die verdiente Anerkennung zukommen zu lassen und die Attraktivität der beruflichen Bildung zu erhöhen, wurde eine Mindestvergütung beschlossen. Demnach erhalten Auszubildende ab 2020 im ersten Ausbildungsjahr 515 Euro im Monat. Dieser Basiswert steigt in den Folgejahren schrittweise an: Ab 2021 auf 550 Euro, ab 2022 auf 585 Euro und ab 2023 auf 620 Euro. Ab 2024 wird die Mindestvergütung für das erste Ausbildungsjahr jährlich an die durchschnittliche Entwicklung aller Ausbildungsvergütungen angepasst. Für das zweite, dritte und vierte Ausbildungsjahr wird dem wachsenden Beitrag der Auszubildenden zur betrieblichen Wertschöpfung außerdem durch Aufschläge auf den Betrag aus dem Jahr des Ausbildungsbeginns Rechnung getragen. Tarifvertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütungen haben Vorrang vor der Mindestvergütung. Laut IHK-Experte Kürn hat die Neuerung für die Betriebe im Kammerbezirk der IHK für München und Oberbayern allerdings kaum Folgen: »Die Unternehmen in der Region zahlen in der Regel schon heute höhere Gehälter.«

Die Teilzeitberufsausbildung wird flexibler

Bisher war die Teilzeitberufsausbildung nur einem kleinen Personenkreis vorbehalten: Menschen, die ihre Kinder erziehen oder sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Die Neuregelung erweitert den Kreis nun auf alle, die sich aus welchen Gründen auch immer für eine Ausbildung in Teilzeit interessieren. Dies können zum Beispiel Menschen mit Behinderungen, lernbeeinträchtigte Personen oder Geflüchtete sein. Kürn wertet diese Neuregelung positiv und sieht sie als eine »attraktive Option« für Betriebe und Azubis.

Mehr Durchlässigkeit

Die Reform will die Durchlässigkeit innerhalb der beruflichen Bildung stärken. So wurden die Voraussetzungen vereinfacht, unter denen die Ausbildungsdauer bei gestuften Ausbildungen anrechenbar ist, bei denen zweijährige Ausbildungsberufe in drei- oder dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufen fortgesetzt werden. Zudem gibt es neue Möglichkeiten, Prüfungsleistungen bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsberufen zu berücksichtigen.

Neue Bezeichnungen für Abschlüsse

Die langfristig vielleicht wichtigste Neuerung betrifft nicht die Berufsausbildung an sich, sondern die Fortbildung danach, die sogenannte höherqualifizierende Berufsbildung. Diese Aufstiegsfortbildungen, wie zum Beispiel der Fachwirt oder der Meister, gelten zwar schon heute über die Zuordnung im sogenannten Deutschen Qualifikationsrahmen als einem Bachelor-Abschluss gleichwertig, werden aber in der Öffentlichkeit oft nicht entsprechend wahrgenommen und anerkannt. Um diese Gleichwertigkeit auch gesetzlich zu betonen, werden im Rahmen der Novelle neue Abschlussbezeichnungen eingeführt. So erhalten Abschlüsse der zweiten beruflichen Fortbildungsstufe (insbesondere Fachwirte und Meister) die Bezeichnung »Bachelor Professional«. Abschlüsse der dritten beruflichen Fortbildungsstufe (zum Beispiel Betriebswirte) bekommen die Bezeichnung »Master Professional«. Dabei kann die jeweils zugrunde liegende Fortbildungsordnung vorsehen, dass den neuen Fortbildungsbezeichnungen weitere Abschlussbezeichnungen vorangestellt werden. IHK-Experte Kürn sieht diese Anpassung als Schritt in die richtige Richtung. Die neuen Abschlussbezeichnungen seien international besser verständlich und brächten auch sprachlich zum Ausdruck, dass die berufliche mit der akademischen Ausbildung gleichwertig ist. Damit die Fortbildungsprüfungen künftig mit den neuen Abschlussbezeichnungen abgeschlossen werden können, müssen zunächst die Fortbildungsordnungen angepasst werden. Es sei deshalb nun Aufgabe des Verordnungsgebers, Bezeichnungen zu finden, die die Qualifikation am besten beschreiben: »Dabei sollten die bisherigen Bezeichnungen den neuen vorangestellt werden«, so Kürn. Dies würde der Modernisierung Rechnung tragen und gleichzeitig gingen die etablierten Bezeichnungen der Abschlüsse nicht verloren.

Weitere Informationen zum neuen Berufsbildungsgesetz sind auf der IHK-Website abrufbar unter: www.ihk-muenchen.de/BBiG

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