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Messbar, digital, flexibel

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Yoga in der Mittagspause – analoge Angebote bleiben wichtig

Gesundheitsförderung hält Mitarbeitende fit und erhöht die Attraktivität als Arbeitgeber. Zusätzliche digitale Angebote bringen dabei Vorteile für beide Seiten.

Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 01–02/2024

Eine individuelle Ansprache und Motivation der Mitarbeiter, eine standortübergreifende Steuerung, Messbarkeit – darauf legt Guido Schoch beim betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) großen Wert. „Digital unterstütztes BGM ermöglicht uns, diese Parameter besser zu erreichen“, erläutert der Abteilungsleiter Qualitätsmanagement, Interner Arbeitsschutz und BGM der Bonner B·A·D GmbH. „Ein wichtiger Baustein unseres BGM ist neben Angeboten zur psychischen Gesundheit oder Ergonomie daher eine digital unterstützte Gesundheitsförderung, eine digitale Gesundheitsplattform – das kommt auch unserer dezentralen Struktur entgegen.“

Digitale Gesundheitsplattform

Das auf Arbeitsschutz und -sicherheit spezialisierte Unternehmen beschäftigt fast 3.500 Mitarbeiter an rund 140 Standorten, darunter auch München, Rosenheim und Ingolstadt. Für seine digitale Gesundheitsförderung kooperiert das Unternehmen mit einem externen Anbieter. B·A·D hat auf dessen Plattform einen Firmenbereich, der nur für die eigenen Beschäftigten zugänglich ist. Die Mitarbeitenden können sich dort wie auf einem elektronischen Marktplatz Maßnahmen aussuchen und sie analog oder über digitale Formate umsetzen.

Aktuell liegt die Registrierungsquote auf der Plattform bei mehr als 80 Prozent. „Wir sind ein Unternehmen der Gesundheitswirtschaft“, sagt Schoch. „Daher ist uns die Gesundheitsförderung auch im eigenen Betrieb sehr wichtig.“

Rückenwind durch die Pandemie

Betriebliches Gesundheitsmanagement digital zu erweitern, hat sich inzwischen durchgesetzt. „Schon vor der Coronapandemie gab es einige digitale BGM-Angebote“, sagt Volker Nürnberg, Gesundheitsexperte und Partner der Strategieberatung BearingPoint GmbH. „Die Pandemie und die Fortschritte der künstlichen Intelligenz haben den digitalen Ansätzen dann weiteren Schub gegeben.“

Digitales BGM passt gut in die Zeit, findet auch Claudia Rottmann, BGM-Expertin der IHK für München und Oberbayern: „Unternehmen arbeiten per se digitaler, zeit- und ortsunabhängiger. Also müssen sie auch das BGM-Angebot anpassen und digital unterstützen.“ Und angesichts des Mangels an Fachkräften gelte: „Ein gutes, modernes, digitales BGM-Angebot fördert in jedem Fall die Arbeitgeberattraktivität.“

Zentraler, flexibler, messbarer

Von Plattformen, mobilen Apps und tragbaren Fitnesstrackern über Podcasts und Webinare bis hin zu Gefährdungsanalysen – die Bandbreite der digitalen Formate ist umfangreich. Daraus lassen sich einige Vorteile ziehen: Mit digitaler Unterstützung etwa von Plattformen können insbesondere Unternehmen mit mehreren Standorten ihr BGM zentral organisieren. Die Mitarbeitenden können die per App, Podcast oder Webinar angebotenen Maßnahmen zeit- und ortsunabhängig abrufen.

Digital lassen sich verschiedene Zielgruppen besser erreichen. Lernende Systeme fragen Wünsche ab, analysieren die konkrete Nutzung der Apps und Portale und helfen so, die Angebote immer genauer auf die Bedürfnisse der Zielgruppen, auf Alter, Geschlecht oder auch Symptomgruppen bei Krankschreibungen abzustimmen. „BGM wird nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip angeboten, sondern gezielt – das hat auch Kosteneffekte“, so Gesundheitsexperte Nürnberg.

Zielgruppengenaue Ansprache

Digitale Angebote fördern auch die Motivation: Jugendliche mögen Gaming, Männer Challenges und Wettbewerbe. Beides lässt sich digital gut umsetzen. Als Zusatzangebot können Softwareschnittstellen zu privaten Geräten dafür sorgen, dass die Mitarbeiter nach der Arbeit weitertrainieren.

Zudem verbessert digitales BGM die Messbarkeit und ermöglicht eine Kosten-Nutzen-Bilanzierung: Die Anmeldungen zum Portal, die Abrufe der Angebote, all das wird im Hintergrund gezählt. „Um möglichst valide Daten zu bekommen, empfehle ich, genau zu definieren, was gezählt werden soll – sich im Portal zu registrieren, hat allein noch keinen Gesundheitseffekt“, sagt Nürnberg. Und nicht zuletzt helfen Apps bei der Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsanalysen.

Nun auch digital im Fokus: psychische Gesundheit

Was aber macht ein gutes digitales BGM-Angebot aus? Eine App sollte als Medizinprodukt zertifiziert, ihre Anwendung bereits evaluiert, am besten von einem renommierten Institut oder einer Klinik, die Umsetzung niederschwellig und intuitiv sein, erläutert BGM-Experte Nürnberg. Auch die inhaltliche Bandbreite der Plattformen und Apps sei ein Qualitätsmerkmal. Aktuell gebe es mehr und mehr digitale Angebote zur psychischen Gesundheit: vom Achtsamkeitstraining bis hin zur Onlinetherapiesitzung. „Die Ausfalltage durch psychische Belastungen steigen derzeit wieder sehr stark, Angebote zur psychischen Gesundheit digital zu ermöglichen, ist regelrecht zwingend“, so Nürnberg.

Soziale Folgen mitdenken

Außerdem wichtig: Datenschutz. Die Nutzungsdaten aus den Portalen oder Apps dürfen dem Arbeitgeber nur anonymisiert zur Verfügung gestellt werden. Einige Apps sehen zudem eine kommerzielle Auswertung der gemessenen Daten vor.

Auch die sozialen Folgen einer BGM-Digitalisierung müssen mitbedacht werden: Es gibt nach wie vor Mitarbeiter, die nicht digital affin sind oder deren Jobs keine Computer erfordern. Sie dürfen nicht ausgeschlossen werden. Digitale Challenges können durch Leistungsdruck womöglich negativen Stress erzeugen. Rein digitale Angebote können womöglich die Vereinsamung im Homeoffice steigern, wenn nicht für ausreichend Chat- und Kommunikationsmöglichkeiten sowie persönliche Begegnungen gesorgt ist.

„Zukunft des BGM ist hybrid“

„Ein entscheidender Faktor für ein erfolgreiches BGM ist auch in digitalen Zeiten die Führungskraft“, ergänzt Nürnberg. „Vor allem sie muss motivieren, vorbildlich vorangehen, BGM individuell lotsen.“ Sein Fazit: „Unterm Strich brauchen wir beides: analoges wie digitales BGM. Die Zukunft ist hybrid.“

Die B·A·D GmbH hat viele dieser Hinweise umgesetzt: Sie bietet eine breite Palette von Webinaren oder Vorträgen, etwa zu Ernährung oder Bewegung, die direkt über die Plattform abgerufen werden können. Die Plattform vernetzt aber auch zu Fitnessstudios oder anderen analogen und firmeninternen Angeboten.

Ansporn durch BGM-Multiplikatoren

„Wir haben auch schon länger analog wie digital die psychische Gesundheit im Programm: Achtsamkeit, Resilienz, Suchtprävention, wie Mitarbeitende sich gegen Mobbing oder sexuelle Belästigung schützen“, erläutert Janine Stollenwerk, die Guido Schoch bei der Umsetzung des BGM unterstützt.

Manche Angebote sind kostenlos, andere bezuschusst. „Selbst einen finanziellen Anteil zu leisten, erhöht Motivation und Durchhaltevermögen“, so Schoch. Die Mitarbeiter zu motivieren, ist dabei nicht allein die Aufgabe der Führungskräfte. Spezielle BGM-Multiplikatoren weisen vor Ort auf neue Angebote hin. „Unterm Strich profitiert unser BGM von der Digitalisierung und unser Unternehmen von der digitalen Gesundheitsförderung – die Mitarbeiter sind zufriedener, wir gewinnen als Arbeitgeber“, sind sich Schoch und Stollenwerk einig.

Digitaler Schub für Gesundheitswirtschaft

Durch die Digitalisierung verändert sich auch die Gesundheitsbranche selbst, wie die motio GmbH in München zeigt. „Wir haben schon vor der Pandemie erste digitale Angebote zur Vertiefung analoger Gesundheitsangebote entwickelt: In Onlinevideos haben Trainer etwa ergonomische Übungen zum Heben, Bücken und Tragen nachgestellt, die die Teilnehmer im Nachgang zu den Seminaren dann über ihre Smartphones abrufen konnten“, erklärt die geschäftsführende Gesellschafterin Ilse Goldschmid. Dann kam Corona.

Kleine, kompetente Häppchen

Motio richtete von heute auf morgen ein Filmstudio ein, übersetzte viele seiner analogen Angebote in digitale Formate. „Unsere Kunden, besonders die Teilnehmer, haben das sehr gut angenommen. Heute können wir circa 80 Prozent unseres Portfolios hybrid anbieten und arbeiten täglich in beiden Welten.“ Dabei werden die Formate für den Onlinesektor stetig weiterentwickelt. Es gibt nun beispielsweise einen Podcast für Führungskräfte mit kurzen Audiofolgen. „Wir erleben das klar als Trend – kleine Häppchen, kurz, aber intensiv und fachlich kompetent aufbereitet“, sagt Goldschmid. Wenn die Einheiten zeitlich und örtlich flexibel sowie mobil abrufbar seien, kämen sie besonders gut an.

Persönliche Begegnung bleibt wichtig

Vor allem freut die Unternehmerin, dass sich auch Angebote zur psychischen Gesundheit digital realisieren lassen. „Es ist in diesen Zeiten ein entscheidendes Thema. Wir sind inzwischen alle so sehr an Videokonferenzen gewöhnt, dass auch solche sehr persönlichen Formate digital gut funktionieren.“ Dennoch ist Goldschmid überzeugt, dass das Analoge seinen Stellenwert behalten wird: „Die Menschen brauchen nach wie vor auch die persönliche Begegnung im Unternehmen, bei Arbeitsplatzprogrammen vor Ort, bei Gesundheitstagen oder im persönlichen Coaching.“

Klimawandel bei BGM mitdenken

Die B·A·D GmbH hat im Übrigen noch ein weiteres Gesundheitsthema adaptiert. „Wir verbinden BGM mit dem Umwelt- und Klimaschutz. Beides hängt unmittelbar zusammen – BGM nützt nichts, wenn die Umwelt krank ist und krank macht“, sagt Schoch.

Bonus für Gesundheit und Umwelt

Im Rahmen einer Nachhaltig-aktiv-Challenge ruft B·A·D Mitarbeitende unter anderem dazu auf, sich mehr zu bewegen, und belohnt den Einsatz mit einem Beitrag zum Umweltschutz: Wer viel Fahrrad fährt und eine bestimmte Kilometerzahl erreicht, für den pflanzt B·A·D einen Baum. „So tun wir sowohl etwas für die Gesundheit der Mitarbeiter als auch für die Umwelt.“ Gemessen und ausgewertet wird die Aktion natürlich digital.    

IHK-Service zum BGM

Viele Informationen zur Gesundheit im Betrieb finden sich auf der IHK-Ratgeber-Seite zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement.

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