Fachkräfte | Standortpolitik

Arbeitsplatz plus Wohnung

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Für (neue) Kollegen – Werkswohnungen machen Firmen als Arbeitgeber attraktiv (im Bild: Mitarbeiterwohnungen der Stadtwerke München)

Was nützt das beste Stellenangebot, wenn in der Umgebung keine bezahlbare Bleibe zu finden ist? Unternehmen haben mit Mitarbeiterwohnungen ein zusätzliches Argument, um Fachkräfte zu gewinnen.

Von Eva Müller-Tauber, IHK-Magazin 09/2023

Noch sind die Handwerker beim Wendehammer am Kogelweg im Kurviertel in Bad Tölz bei der Arbeit. Aber Ende des Jahres soll die Bebauung Kogelweg II mit 3 Doppelhäusern plus Tiefgarage abgeschlossen sein.

Kilian Willibald, Chef der gleichnamigen Tief- und Straßenbaufirma in Lenggries, kann es kaum erwarten, dass die 10 Wohnungen auf dem rund 2.000 Quadratmeter großen Areal endlich bezugsfertig sind. Die Gebäude – 4 Wohnungen mit ungefähr 55 Quadratmetern und 6 Wohnungen zwischen 100 und 110 Quadratmetern groß – hat der Unternehmer eigens für seine Mitarbeiter geplant und bauen lassen.

Attraktive Zugabe: Werkswohnung

„Bezahlbarer Wohnraum ist generell knapp, nicht nur in den Metropolen, sondern auch in so attraktiven ländlichen Zuzugsregionen wie der unseren“, sagt Willibald. „Um Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen, müssen wir diesen etwas bieten“, ist der Firmenchef überzeugt, der rund 90 Angestellte beschäftigt. Auch wenn sein Familienbetrieb personell gut aufgestellt sei, müsse er der natürlichen Fluktuation Rechnung tragen: „Es gehen immer wieder Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand, jährlich stellen wir 4 bis 5 neue Leute ein“, so Willibald.

Werkswohnungen seien ein gutes Argument, um Fachkräfte zu halten und in ländliche Regionen zu locken, findet der Unternehmer. Denn sie liegen – obgleich sie sich am regionalen Mietspiegel orientieren müssen – preislich in der Regel deutlich unter dem allgemeinen Mietpreisniveau von Wohnungen, die auf dem freien Markt verfügbar sind. Auch entfalle so die umständliche Wohnungssuche, was gerade für neue Mitarbeitende eine Erleichterung sei.

Wohnungsmangel schadet Firmen

Das Interesse an seinen neu gebauten Wohnungen belegt Willibalds Einschätzung. Die ersten 5 Wohnungen waren schon nach der Erteilung der Bauerlaubnis reserviert. Nun bleiben noch 5, die der Firmenchef neuen Mitarbeitenden anbieten kann, damit sie einen guten Grund mehr haben, sich für sein Unternehmen zu entscheiden.

Das Beispiel zeigt: Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt mit kontinuierlich steigenden Preisen macht indirekt auch immer mehr Firmen zu schaffen. Denn wer den Löwenanteil seines Gehalts in die Miete investieren muss, überlegt es sich zweimal, ob er nicht doch lieber bei einem Arbeitgeber in einer weniger teuren Gegend anheuert. In der diesjährigen Standortumfrage der IHK für München und Oberbayern gehört Wohnraummangel nach 2019 erstmals wieder zu den 5 Top-Themen, bei denen Firmenchefs den größten Handlungsbedarf sehen.

Auch auf dem Land sind Wohnungen rar

„Es ist längst nicht mehr nur ein städtisches Problem, sondern betrifft zunehmend auch die Region. Ohne bezahlbaren Wohnraum wird es für Unternehmen immer schwieriger, die dringend notwendigen Arbeits- und Fachkräfte zu gewinnen und zu halten“, bestätigt Elisabeth Zehetmaier, IHK-Referentin Immobilienwirtschaft und Standortberatung.

Dabei geht es nicht nur darum, bezahlbaren Wohnraum für Hochqualifizierte zu schaffen. „Gerade Beschäftigte der unteren und mittleren Entgeltgruppen brauchen Unterstützung, denn sie haben speziell in prosperierenden Städten wie München zumeist schlechtere Chancen auf dem freien Mietwohnungsmarkt“, betont Bernhard Boeck, Leiter Immobilien bei der Stadtwerke München GmbH (SWM).

Bewerber fragen nach Wohnungen

Die SWM mit rund 11.000 Beschäftigten seien als kommunales Unternehmen zur Daseinsvorsorge verpflichtet und müssen die Stadt mit Dienstleistungen für Energie, Mobilität und Telekommunikation am Laufen halten, so Boeck. „Das funktioniert aber nur, wenn wir genügend Mitarbeitende haben, die hier oder in der näheren Umgebung wohnen können.“

Gerade beim Bäder- und Fahrpersonal herrscht jedoch kontinuierlich erheblicher Mangel. „Bei den Fahrern müssen wir mittlerweile verstärkt auch Bewerber außerhalb der Region, zum Teil sogar aus dem europäischen Ausland, anwerben“, sagt Boeck. „Arbeitgeber, die wie wir eigene Werkswohnungen anbieten können, erhöhen ihre Chancen beträchtlich, bewährte Arbeitskräfte zu binden und neue, externe zu akquirieren“, betont Boeck (siehe unten). Wohnraumbedarf sei mittlerweile in fast jedem Bewerbungsgespräch ein Thema.

Nötig: schnellere Genehmigungen

Boeck sieht Werkswohnungsbau allerdings nicht nur als Instrument zur Mitarbeitergewinnung. „Er entlastet auch den allgemeinen Wohnungsmarkt und sollte daher durch die Politik noch stärker unterstützt und gefördert werden, etwa durch zusätzliche Investitionsanreize und schnellere Baugenehmigungsverfahren.“

Das sieht Unternehmer Willibald ähnlich. Für den Mittelständler, der seine Werkswohnungen fast ausschließlich aus eigenen Mitteln finanziert, war der Bau ein Kraftakt. Bereits 2013 spielte er erstmals mit der Idee, eigene Wohnungen zu errichten. Doch Baugrund war schon damals Mangelware und damit teuer. Auch die Baukosten stiegen zuletzt stark an, rund 4 Millionen Euro investierte der Bauherr insgesamt. Vor allem aber zog sich das Genehmigungsverfahren.

Ausgleich mit den Anwohnern

Ab 2017 stand das Bauvorhaben des Unternehmers immer wieder auf der Tagesordnung des Bad Tölzer Stadtrats. „Es gab einige Nachbarschaftsklagen, viele Anwohner wollten keinen unmittelbaren Wohnungsbau“, sagt Willibald. Schließlich musste das Bayerische Verwaltungsgericht entscheiden – mit positivem Ausgang für das Unternehmen. 2021 wurde endlich die Baugenehmigung erteilt, 2022 mit dem Bau begonnen. Um sicherzugehen, dass wirklich Miet- und keine Eigentumswohnungen entstehen, unterzeichnete Willibald einen entsprechenden städtebaulichen Vertrag mit der Stadt.

Auch wenn der Unternehmer froh ist, das Projekt durchgezogen zu haben, und er es wieder machen würde, hadert er doch mit der Bürokratie und der aus seiner Sicht ausbaufähigen Förderung durch die Politik. „Auf die eine oder andere Bauvorschrift ließe sich sicher verzichten und eine steuerliche Förderung beim Bau von Werkswohnungen auf Unternehmerseite wäre hilfreich“, schlägt Willibald vor. Seine Forderung: „Der Gesetzgeber muss Firmen stärker unterstützen, die als Benefit für ihre Mitarbeiter Wohnungen bauen.“

Gebäude nach dem Lego-Prinzip

Die IHK setzt sich für Erleichterungen im Wohnungsbau ein. Ende Juni 2023 beschloss die Vollversammlung das Positionspapier „Schaffung von Wohnraum“. Es fordert, mit mehr Anreizen und Vereinfachungen den Bau neuer Wohnungen zu forcieren. So sollten etwa die Genehmigungsverfahren für den Werkswohnungsbau beschleunigt werden. Zudem gelte es, modulares Bauen verstärkt nutzbar zu machen. Wohnungsgebäude werden hierbei ähnlich wie in der Automobilbranche durch industrielle Herstellungsprozesse in einem Werk zumindest teilvorgefertigt. Als Vorlagen dienen Gebäudeteile oder Module, die dann mehrfach produziert werden. „Vor Ort werden diese Module nach dem ‚Lego-Prinzip‘ aufeinandergestapelt und miteinander verbunden“, erläutert IHK-Referentin Elisabeth Zehetmaier. Weiter sei es notwendig, die Spielräume für den Wohnungsbau zu erweitern.

Vorschriften vereinfachen, Kosten senken

So könnte etwa ein Gebäudetyp E (E für experimentell oder einfach) eingeführt werden. „Er sieht eine Vereinfachung des Gebäudebaus vor und kann damit helfen, die Kosten zu reduzieren“, sagt Zehetmaier. So müssten nur die für Umweltschutz, Standsicherheit und Brandschutz relevanten Bauvorschriften eingehalten werden. Alle anderen Normen sollen nur dann anwendbar sein, wenn sie im privatrechtlichen Vertrag zwischen dem Architekten und dem Bauherrn festgeschrieben werden.

Beispiel: Klare Regeln für die Wohnungsvergabe bei den Stadtwerken München

Bis Anfang der 2030er-Jahre wollen die Stadtwerke München (SWM) im Rahmen einer Werkswohnungsbauoffensive insgesamt 3.000 Wohneinheiten zur Verfügung stellen, Stand heute sind es bereits 1.500 Wohnungen. Die SWM bauen vornehmlich auf eigenen Grundstücken, auf denen vormals Betriebshöfe, Umspannwerke, Parkplätze oder Heizzentralen untergebracht waren, die verkleinert oder nicht mehr benötigt werden – etwa nahe dem Königsplatz, wo einst ein Heizkraftwerk stand, oder direkt neben dem neuen Busbahnhof in Moosach. Dort haben die SWM unweit ihrer Zentrale im Herbst 2022 einen Neubau mit 118 Werkswohnungen fertiggestellt.

Voraussetzung für den Einzug in eine SWM-Wohnung ist ein Arbeitsvertrag. Bei der Vergabe gelten klare Regeln, die mit dem Konzernbetriebsrat verbindlich fixiert wurden. Berücksichtigt werden etwa Haushaltseinkommen, familiäre Situation und Dringlichkeiten wie Familienzuwachs. Wer aus dem Unternehmen ausscheidet, verliert spätestens 6 Monate nach Ende des Arbeitsverhältnisses seinen Anspruch auf eine Werkswohnung. Für Rentner gelten spezielle Ruhestandsvereinbarungen.

Wohnungen für verschiedene Lebensphasen

Da die Stadtwerke München Wohnungen in unterschiedlichen Größen anbieten und mittlerweile mit anderen städtischen Töchtern kooperieren, die auch Werkswohnungen bereitstellen – etwa das Münchenstift und die München Klinik – können sie leichter auf individuelle Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter reagieren. Bernhard Boeck, Leiter Immobilien bei den SWM: „Junge Mitarbeitende sind anfangs häufig alleinstehend und brauchen nur eine kleine Wohnung, später oft eine größere, weil sie eine Familie gründen. Bei älteren Mitarbeitern ist es umgekehrt. Hier sind wir recht flexibel und können mit dem größer werdenden Wohnungsbestand oft auch Umzugsangebote innerhalb der Viertel machen.“

IHK-Position zur Schaffung von Wohnraum

Die IHK hat ein Positionspapier zur „Schaffung von Wohnraum“ verabschiedet.

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