Wohnungen: Was den Bau von Wohnungen bremst
Fachkräfte brauchen bezahlbaren Wohnraum, doch der fehlt in weiten Teilen Oberbayerns. Wo in der Praxis die größten Hindernisse liegen, schildern 2 Unternehmer.
Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 10/2024
Der Wohnungsbau ist in den vergangenen Jahren rapide zurückgegangen. Sowohl bundes- als auch landesweit werden die ambitionierten Ziele nicht annähernd erreicht. Dabei werden Wohnungen dringend benötigt. Um den Bedarf zu decken, müssten in der Metropolregion München bis 2040 mehr als 250.000 Wohnungen entstehen. Dazu wird es höchstwahrscheinlich nicht kommen.
Die Folgen sind weiter steigende Mietpreise und sich zuspitzende Probleme für die Wirtschaft. Denn die Unternehmen brauchen Fachkräfte aus dem In- und Ausland. Diese lassen sich aber immer schwerer gewinnen und halten, wenn sie keine bezahlbaren Wohnungen in der Nähe des Arbeitsorts finden. „Potenzielle Arbeitnehmer ziehen nicht in die Region oder verlassen sie, weil die Kosten fürs Wohnen zu hoch sind“, sagt Elisabeth Zehetmaier-Krocker, Referentin Immobilienwirtschaft und Standortberatung bei der IHK für München und Oberbayern.
Wohnraum schaffen – aber wo?
Aber was bremst den Wohnungsbau? „Die Voraussetzung, um leistbaren Wohnraum zu schaffen, ist vorhandenes Bauland“, sagt Reinhold Krämmel, Aufsichtsratsvorsitzender der Krämmel GmbH & Co. Verwaltungs KG, Holding KG a.A. Daran mangle es aber in fast ganz Oberbayern.
Wo bereits Baurecht besteht, sei es zu teuer, um günstigen Wohnraum schaffen zu können, andererseits werde kaum neues Bauland ausgewiesen. „Flächen außerhalb einer Gemeinde oder Stadt als Bauland auszuweisen, ist mittlerweile ein No-Go“, sagt Krämmel. „Man will ja keine Zersiedelung.“ Im Innenbereich, wo grundsätzlich gebaut werden darf, „wird über Gebäudehöhen oder -abstand gestritten“, sagt er. Deshalb sei Verdichtung nur eingeschränkt möglich. „Die Kommunen sind hier in einer Zwickmühle“, so der Unternehmer. „Nahezu jede angedachte Verdichtung wird von einer Bürgerinitiative oder durch Nachbarschaftsklagen ausgebremst.“
Lähmende Bürokratie
Hinzu kommt, dass die Infrastruktur wie Schulen, Kindergärten oder Straßen bei mehr Wohnraum ebenfalls aufgestockt werden muss. Das alles ist streng geregelt – zu Recht. Aber: „Damit sind wir bei der alles lähmenden Bürokratie“, sagt Krämmel. Er ist wenig zuversichtlich, dass diese mittelfristig abgebaut wird: „Ich sehe nicht, wie man sie abbauen könnte. Der Leidensdruck ist noch nicht hoch genug.“
15 Jahre bis zum bebaubaren Grundstück
Fehlende Mitarbeiter in den Ämtern und Bürokratie bemängelt auch Werner Mooseder, Geschäftsführer der MOOSEDER Wohnbau- und Projektentwicklungs GmbH in Schwabhausen. Somit dauere es Jahre von der Absichtserklärung bis zum bebaubaren, erschlossenen Grundstück. Im Fall der Augustenfelder Höfe in Dachau, eines aktuellen Objekts des Projektentwicklers, gingen dafür fast 15 Jahre ins Land.
„Anschließend braucht es noch einmal 2 Jahre für das Genehmigungsverfahren“, sagt Mooseder. Auch er sieht nicht, dass sich dahingehend mittelfristig etwas ändert: „Der Tanker ist sehr träge.“
Vereinfachung verfehlt
Mooseder moniert ebenfalls die aus seiner Sicht nicht zielführenden Gesetze, die „zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht“ seien. Er verweist beispielhaft auf die neue Bauordnung in Bayern, die das Ziel der Vereinfachung hat und etwa die Verringerung von Abstandsflächen beinhaltet. Diese Verordnung sei wertlos, da zusätzlich festgeschrieben wurde, dass jede Kommune ihre eigene Satzung beschließen darf.
„Bei Ablehnung kann man zwar klagen, aber aufgrund der überlasteten Gerichte dauert das bis zu 3 Jahre“, so der Unternehmer. Überhaupt sei die kommunale Selbstverwaltung ein Bremsfaktor beim Neubau.
Einsprüche halten auf
Die Kommunen haben die Planungshoheit über die Schaffung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen. „Ich kann nur dann in Massen Wohnraum schaffen, wenn Flächen ausgewiesen werden“, sagt Mooseder. Nur geschehe dies häufig nicht, weil Bürger das nicht wollen oder Umweltschutzorganisationen ihr Veto einlegen. „Dabei bringt jeder neue Bewohner Steuereinnahmen.“
Förderung nur begrenzt
Um den Wohnungsbau anzukurbeln, wäre ferner der Ausbau von Förderinstrumenten wichtig. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren jedoch etliche Programme gestrichen, und das zum Teil fast über Nacht. Neu aufgelegte Programme, etwa abrufbar über die KfW, sind stark begrenzt. Sie greifen nur, wenn höchste ökologische Standards erfüllt werden.
Energievorschriften als Kostentreiber
Grundsätzlich sind die Vorgaben zum Umweltschutz mittlerweile derart hoch, dass sowohl Bauen als auch Modernisieren teuer geworden ist. „Alle 2 Jahre kommt eine neue Energieeinsparverordnung“, moniert Unternehmer Krämmel. Innerhalb von 10 Jahren hätten sich die Kosten für Maßnahmen in diesem Bereich verzweieinhalbfacht. „Das ist mit eine der Hauptursachen für den Einbruch in der Branche.“
Materialpreise und Zinsen steigen
Zu all diesen Schwierigkeiten kommen die innerhalb der letzten Jahre enorm gestiegenen Zinsen und die stark erhöhten Materialpreise. Dies hat die Kalkulationen der Bauträger über den Haufen geworfen. Sie müssen, wenn sie überhaupt noch bauen, ihre Objekte teurer als geplant verkaufen. Bei den hohen Preisen sind viele Interessenten mittlerweile aber außen vor. Sie können sich das Eigenheim schlicht nicht mehr leisten. Oder aber die Banken, die immer strengere Kriterien anlegen, lehnen die Finanzierung ab.
IHK fordert Verlässlichkeit
Angesichts dieser Fülle an Problemen erscheint eine Neuausrichtung der Wohnungsbaupolitik dringend notwendig. So appelliert die IHK in ihrem aktuellen Positionspapier „Schaffung von Wohnraum und energetisches Sanieren“ an die Politik, für „verlässliche Rahmenbedingungen und finanzielle Entlastungen zu sorgen“. Im Kern geht es darum, Baukostensteigerungen entgegenzuwirken, Finanzstabilität und steuerliche Anreize zu sichern, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu optimieren sowie Förderbedingungen verlässlich zu gestalten.
IHK-Position zur Schaffung von Wohnraum
Die IHK-Position „Schaffung von Wohnraum und energetisches Sanieren“ gibt es auf der IHK-Website.