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Logistik ist weiblich

Marion Vogel ©
Bayerische Unternehmerin des Jahres 2022 – Loxxess-Chefin Christina Thurner

Christina Thurner führt den Logistikdienstleister Loxxess mit großer Leidenschaft für Logistik und Innovation zusammen mit ihrem Bruder. Mit Nachdruck setzt sie sich für mehr Chancengleichheit in der Branche ein.

HARRIET AUSTEN, Ausgabe 12/2022

Eine unsichtbare Branche«, nennt Christina Thurner die Logistik, und liefert gleich die Begründung mit: zu unbekannt in ihrer Vielfalt und Attraktivität als Arbeitgeber, zu viele Vorurteile und Stereotype in der Art von »Das sind ja nur Paketboten«. Die Vorständin des Logistik- und Fullfillmentdienstleisters Loxxess AG unternimmt einiges, um das Image der Branche zu verbessern – durch Workshops im Familienbetrieb oder als Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL), wo sie dafür zuständig ist, junge Menschen für die Branche zu begeistern. »Die Logistik ist ein vielfältiger Bereich mit zahlreichen spannenden Berufsbildern, Entwicklungspotenzialen und Perspektiven«, betont die Topmanagerin.

Sie hat das ja selbst erfahren und erlebt. Thurner ist zusammen mit ihrem Bruder Claus-Peter Amberger in einem Unternehmerhaushalt in Ingolstadt aufgewachsen, »die Spedition saß als drittes Kind immer mit am Tisch«, erinnert sie sich.

Wirtschaftswissenschaften statt Schauspiel

Trotzdem war es zunächst offen, ob sie in die Firma einsteigt. »Man kann zwar viel gestalten, hat aber auch wenig Freizeit«, sagt sie. Sie liebäugelte mit der Schauspielerei, legte ihren Fokus aber, auch auf Anraten der Eltern, auf das Studium der Wirtschaftswissenschaften. In Zürich verband sie beides: Studium mit Schwerpunkt Logistik und Schauspielschule. Als sie ein großes Engagement in Aussicht hatte, musste sie sich entscheiden. Sie wählte die Firma.

Mit 29 Jahren trat sie als Assistentin der Geschäftsführung (die nicht ihr Vater war) in die Loxxess Pharma GmbH in Wolfratshausen ein, wo sie gleich mit der Vielfalt der Logistik konfrontiert wurde. »Ich wollte alles von der Pike auf lernen«, nahm sie sich vor und begann im Lager. Das liegt ihr mit seinen klaren Organisationsstrukturen immer noch besonders.

Spezialität: Sensibles Handling von Pharmaprodukten

Thurner freut sich über das enorme Wachstumspotenzial des Geschäftsbereichs. »Unsere Spezialität ist das besondere und sensible Handling, das bei Lagerung, Verpackung und Versand von Pharmaprodukten nötig ist. Die Kunden, deren Volumen ständig steigt, schätzen das.«

Entspannter Sprung ins kalte Wasser

Schon nach einem Jahr wurde sie Mitglied der Geschäftsleitung im Familienbetrieb, »ein großer Schritt und ein Sprung ins kalte Wasser«, gibt sie zu. Vater Peter Amberger, der die Loxxess-Gruppe 1998 gegründet hatte, wollte sich zurückziehen und die Firma zu gleichen Teilen seinen zwei Kindern übergeben. Sie konnte »entspannt eintreten«, wie sie sagt. Durch Praktika an verschiedenen Lagerstandorten kannte sie schon viele Mitarbeiter, der Bruder (er war bereits im Vorstand) unterstützte sie tatkräftig.

Persönlich offen für neue Technologien

Der Vater hinterließ den Geschwistern ein gesundes Unternehmen. Die Loxxess-Gruppe, zu der auch die Tochter Loxxess Pharma GmbH und eine 50-Prozent-Beteiligung am Expresslieferdienst trans-o-flex GmbH gehören, betreibt als weltweiter Distributionsdienstleister und Nischenanbieter 28 Lager für Pharmaprodukte, E-Commerce und Gefahrgut.

Führungsphilosophie: Prozessverbesserung von unten nach oben 

Thurner empfand es als großen Vorteil, dass sie sich Aufgaben aussuchen und eigene Ideen einbringen konnte. Den Freiraum nutzte sie: Sie strukturierte die Personalabteilung um, baute Marketing und PR neu auf, führte Lean LOXXESS ein und prägte eine Firmenkultur mit flachen Hierarchien und offener Fehlerkultur. »Wir beschließen im Team«, sagt die 42-Jährige, der es darum geht, »die Prozesse von unten nach oben und nicht von oben nach unten zu verbessern«.

Innovationen durch Vernetzung

Die Chefin gilt als ausgesprochen innovationsfreudig. In ihrem weiteren Aufgabengebiet, der IT, ist sie offen für neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Blockchain oder Internet der Dinge. Da sich der Mittelständler keine eigene Innovationsabteilung leisten kann, setzt sie auf Vernetzung, beteiligt sich an einem Fonds für Start-ups und gründete einen Innovation-Circle, dem Loxxess-Experten aller Fachrichtungen angehören. Sie testen und bewerten zukunftsträchtige Logistiklösungen von Start-ups, die sich beim firmeneigenen Logistic Game-Changer Award beworben haben.

2022 doppelt ausgezeichnet

2022 erhielt Thurner, die eine der wenigen Topmanagerinnen der Branche ist, selbst zwei Auszeichnungen: Sie ist »Bayerische Unternehmerin des Jahres« und Preisträgerin von »Logistik ist weiblich«. Die Ehrungen habe sie stellvertretend für alle Frauen in der Logistik entgegengenommen, erklärt die Unternehmerin, die 2020 in den Vorstand des Branchenverbands BVL gewählt wurde. Nun könne sie sich als Vorbild mit noch mehr Nachdruck für Chancengleichheit einsetzen. »Frauen sollen sich in der Transport- und Logistikbranche wiederfinden«, so Thurner. »Wir müssen uns zeigen und so dem erheblichen Fachkräftemangel entgegenwirken.«

Zur Person: Christina Thurner

Christina Thurner, Jahrgang 1980, studierte Wirtschaftswissenschaften in Zürich und sammelte erste Berufserfahrungen in einem Konzern. 2010 wurde sie in die Geschäftsleitung, 2021 in den Vorstand der Loxxess AG, Tegernsee, berufen. Gemeinsam mit ihrem Bruder Claus-Peter Amberger leitet Thurner den Familienbetrieb, heute ein Logistik- und Fulfillmentdienstleister mit 2.600 Mitarbeitern, 250 Millionen Euro Umsatz und 28 Standorten in Deutschland, Polen und Tschechien. Thurner ist verheiratet und Mutter zweier Kinder.

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