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Start-up Keyou macht aus Diesel emissionsfreie Wasserstoffmotoren
Die Keyou GmbH aus Unterschleißheim hat sich auf wasserstoffbasierte Antriebslösungen spezialisiert, mit denen aus konventionellen Motoren emissionsfreie werden. Wie weit das Unternehmen damit ist, erklärt Chief Marketing Officer Jürgen Nadler.
Ausgabe 10/20
Herr Nadler, Keyou wagt sich mit der Entwicklung wasserstoffbasierter Antriebstechnologie auf wenig erschlossenes Terrain. Welche Vision verfolgen Sie dabei?
Die Politik strebt eine völlige Dekarbonisierung der Mobilität bis 2050 an. Dies wurde zuletzt im Green Deal der EU erneut betont. Unser Antrieb ist es, mit unserer Technologie zur Erreichung dieses Ziels beizutragen und in einem zunehmend klimabewussten Gesellschafts- und Wirtschaftssystem eine saubere und nachhaltige Mobilität für alle langfristig zu ermöglichen.
Warum setzen Sie dabei gerade auf Wasserstoff?
Erneuerbar produziert kann Wasserstoff mittels Sonne und Wasser einen nachhaltigen Energie- und Mobilitätskreislauf auf Dauer schließen. Wir wollen Fahrzeug- und Motorhersteller befähigen, emissionsfreie Wasserstoffmotoren auf den Markt zu bringen – wirtschaftlich, CO₂-frei und alltagstauglich. Fahrzeuge, die unsere Technologie verwenden, gelten nach heutigen EU-Richtlinien als »Zero Emission«. Als Qualitätsmerkmal dürfen wir es dabei aber nicht belassen, wenn die Technologie sich etablieren soll. Bezogen auf alle Leistungsdimensionen, gilt der Dieselmotor für uns als Benchmark.
Was heißt das konkret?
In Anwendung und Wirkung ist Wasserstoff als Antriebsmittel für Motoren sehr nah am Diesel – nur eben CO₂-frei. Er erzielt vergleichbare Ergebnisse in Robustheit, Nutzlast und Reichweite. Das macht diese Antriebsform alltagstauglich und damit sehr attraktiv, vor allem für die Nutzfahrzeugbranche, in der andere alternative Antriebe derzeit an ihre Grenzen stoßen. Als Anhaltspunkt: Für Stadtbusse mit Wasserstoffmotor sind mehr als 350 Kilometer Reichweite, auch im Winter, kein Problem. Dabei verursacht unser Brennverfahren keine Treibhausgas-Emissionen. Da Wasserstoff keinen Kohlenstoff enthält, entsteht bei der Verbrennung nur Wasserdampf.
Sie führen noch andere Vorteile von Wasserstoff an, welche?
Die Energie- und Klimawende fordert Stromspeicher, deren Kosten tragbar und deren Kapazitäten ausreichend sind, um eine immer volatilere Produktion aus erneuerbaren Energiequellen auszutarieren. Wasserstoff weist eine hohe Energiespeicherdichte auf. Wasserstoffspeicher sind zudem kosteneffizient sowie vergleichsweise rohstoffarm. Die Herstellung von Wasserstoff selbst kann durch gezielte Forschung und Entwicklung stetig kostengünstiger und umweltschonender werden. Perspektivisch kann Wasserstoff auf Basis von erneuerbar erzeugtem Strom klimaneutral produziert werden. Außerdem fällt er als Nebenprodukt in industriellen Prozessen an.
Warum setzen Ihre Lösungen an konventionellen Verbrennungsmotoren an?
Das ist ein weiterer Pluspunkt. Konventionelle Verbrennungsmotoren und Getriebe benötigen keine seltenen Erden in der Produktion, die Produktionsprozesse sind langjährig erprobt und optimiert. Motoren- und Fahrzeughersteller können bei Weiternutzung ihrer Infrastrukturen und ihres Know-hows die Mobilitätswende sinnvoll mitgestalten und ihren Kunden aufgrund der kosteneffizienten Produktion ein wirtschaftlich attraktives Endprodukt anbieten, ohne milliardenschwere Investitionen.
Wie hoch schätzen Sie das Potenzial für den Klimaschutz dabei?
Rund 99 Prozent der jährlich weltweit 70 bis 80 Millionen produzierten Fahrzeuge werden mit Verbrennungsmotoren ausgestattet, auf die unsere Technologie anwendbar ist. Allein das lässt erahnen, was wir theoretisch erreichen können. Würde man die derzeit aus industriellen Prozessen und erneuerbar erzeugtem Überschussstrom gewinnbare Wasserstoffmenge als Antriebsmittel für unsere Technologie einsetzen, könnten 40.000 Nutzfahrzeuge betrieben werden – eine Einsparung von circa 25 Millionen Tonnen CO₂.
Wie weit sind Sie von dieser Vision noch entfernt?
Bis sich Wasserstoff als Kraftstoff der Zukunft in der Breite durchsetzt, wird es noch etwas dauern. Nicht zuletzt, weil es dafür auch eines Vorankommens bei den notwendigen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bedarf, wie der passenden Infrastruktur, gesetzlichen Regelungen und Akzeptanz. Auch der Preis von Wasserstoff spielt eine entscheidende Rolle. Im Vergleich zum Diesel ist er aktuell noch zu hoch, um wettbewerbsfähig zu sein.
Angesichts der neuen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ist jedoch davon auszugehen, dass sich dies ändert. Wie schnell, hängt von der Entwicklung in Politik und Gesellschaft ab. Steigt die Nachfrage nach wasserstoffbasierten Fahrzeugantrieben rasch, wirkt sich das natürlich auch positiv auf den Preis aus. Genauso wie Fortschritte in der Wasserstoffherstellung.
Und wie fortgeschritten ist die Entwicklung der Technologie selbst?
Was unser Produkt betrifft, haben wir eine wichtige Etappe bereits gemeistert. Auf dem Prüfstand konnten wir den derzeit effizientesten Wasserstoffmotor der Welt zeigen. Technisch sind wir also grundsätzlich so weit, ihn jetzt anzuwenden. Mit unseren Motorenpartnern wollen wir deshalb schnellstmöglich erste Fahrzeuge auf die Straße bringen. Derzeit fügen wir noch die letzten Puzzleteile zusammen. Mit dem Deutz-Prototyp-Motor sind wir am weitesten. Eine Endanwendung in einem Stadtbus oder Lkw bietet sich hier an, Pilotprojekte sind definiert. Parallel arbeiten wir an weiteren Motoren für verschiedene Hersteller.
In welchen Bereichen würden Sie sich mehr Unterstützung wünschen?
Als Start-up sind wir besonders auf die Unterstützung und auch Risikobereitschaft aller Stakeholder angewiesen. Das Vertrauen, das uns unsere Investoren bereits entgegenbringen, ist für uns Gold wert. Aber auch von der Politik wünschen wir uns Rückendeckung, damit wir unsere Idee weiterentwickeln können und sie sich am Markt etablieren kann. Dass die Entwicklung von Power-toGas-Anlagen politisch gezielt vorangetrieben wird, ist zum Beispiel ein Schritt in die richtige Richtung.
»Fortsetzung deutscher Technologieführerschaft im Verbrennungsmotor«
Allerdings nützt es uns in der Praxis wenig, dass mittlerweile überall »Technologieoffenheit« gepredigt und Fördertöpfe gefüllt werden, aber es oftmals mit der Umsetzung nicht so einfach klappt. Am Ende kommt es vor allem auf konkret spürbare Unterstützung an. Ein Beispiel: Im Bundesverkehrsministerium haben wir vor mehr als einem Jahr eine Projektskizze für Entwicklung und Aufbau von Lkw verschiedener Klassen eingereicht und trotz mehrmaliger Nachfrage lange Zeit gar keine Rückmeldung erhalten.
Die Bedeutung des Wasserstoffmotors für den Klimaschutz, aber auch als evolutionäre Fortsetzung der deutschen Technologieführerschaft im Verbrennungsmotor, scheint noch nicht überall angekommen zu sein – auch wenn wir mittlerweile vom Ministerium ein positives Signal bekommen und die Zusage auch von einem europäischen Förderprojekt erhalten haben.