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Gründerinnen starten durch

CargoKite, iComplai, GuudCard ©

Seit dem Ausbruch der Pandemie 2020 steigt die Zahl der Firmengründungen von Frauen – das stärkt den Wirtschaftsstandort. Die IHK unterstützt und vernetzt die Unternehmerinnen.

STEFAN BOTTLER, Ausgabe 07-08/2022

Wer Lebensmittel herstellt und vertreibt, muss über Produktwarnungen sofort Bescheid wissen, Lieferanten und Lieferketten regelmäßig checken und möglichst jedes absehbare Produktrisiko kennen. Genau deshalb hat Asli Solmaz-Kaiser (46) die Plattform iComplai UG gegründet. »Weil neue Gefahren drohen, Vorschriften überarbeitet beziehungsweise neu formuliert werden und bei Verstößen Produktrücknahmen sowie hohe Bußgelder zu befürchten sind, müssen Lebensmittelhersteller ihr Risk Management kontinuierlich aktualisieren«, betont die studierte Ökonomin.

Firmengründung mitten in Pandemie

Das Garchinger Unternehmen sammelt weltweit Informationen über Lebensmittelsicherheit und wandelt diese in maschinenlesbare Datensätze um. Mithilfe von Algorithmen lassen sich verdächtige Abweichungen sofort identifizieren sowie Trendvorhersagen treffen. Die frühere Abteilungsleiterin des TÜV Süd startete iComplai 2020 mitten in der Pandemie. Damit gehört sie zu der größeren Zahl von Gründern, die in dieser Zeit – trotz oder wegen Corona – neue Chancen für eine unternehmerische Existenz erkannten.

26 Prozent mehr Gründungen durch Frauen als vor Corona

Von März 2020 bis März 2021 starteten dem Bayerischen Landesamt für Statistik zufolge etwa 120.000 Personen rund 100.000 Unternehmen. Das entspricht einem Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auffallend ist dabei, dass immer mehr Frauen gründen. Im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten stieg ihre Zahl um elf Prozent. Die Zahl der Unternehmen, die von mehreren Frauen gegründet werden, erhöhte sich sogar um 26 Prozent.

Auf Chefetagen stagniert Frauenanteil 

Eine erfreuliche Entwicklung, findet Elfriede Kerschl, Leiterin des IHK-Referats Fachkräfte, Weiterbildung und Frauen in der Wirtschaft. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass der Frauenanteil auf mittelständischen Chefetagen seit Jahren stagniert. Vor der Pandemie wurden bundesweit nur 16 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen von Frauen geführt. »Wer mehr Frauen auf Chefpositionen wünscht, muss auch mehr Frauen Mut machen zu gründen«, so Kerschl. »Die IHK unterstützt dabei mit viel Input, aber auch mit der Möglichkeit, sich zu vernetzen – etwa auf dem IHK-Unternehmerinnentag oder in unseren Social-Media-Unternehmerinnengruppen.«

Vielfalt vergrößert

Eine florierende Gründerszene stärkt zudem generell einen Wirtschaftsstandort – nicht zuletzt, wenn die jungen Unternehmen in vielen verschiedenen Branchen starten. Gegenwärtig haben im Freistaat vor allem Gründungen im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in der Digitalwirtschaft Konjunktur. Aber auch im verarbeitenden Gewerbe, in der Energieversorgung und sogar in der von der Coronakrise besonders gebeutelten Gastronomie und Veranstaltungswirtschaft fassen viele junge Unternehmen Fuß. Wenn sich darüber hinaus nun auch deutlich mehr Frauen selbstständig machen, vergrößert das die Vielfalt weiter – »und bringt noch mehr und unterschiedlichere Erfahrungen, Kompetenzen, Ideen ein«, so Kerschl.

»Entschlossen und ambitioniert handeln«

Die iComplai-Gründerin Solmaz-Kaiser hat mit ihrer über 14-jährigen Berufsexpertise die Marktlücke für einen auf die Lebensmittelwirtschaft spezialisierten Risk-Management-Dienstleister lange vor der Pandemie erkannt: »Ich komme selbst aus einer Unternehmerfamilie und weiß, was Menschen mit eigener Initiative bewegen können.« Wer entschlossen und ambitioniert handle, finde immer einen Weg zum Erfolg, ist sie überzeugt. Den hat Solmaz-Kaiser offenbar gefunden: Heute betreut die frühere TÜV-Managerin rund zwei Dutzend Nahrungsmittelkonzerne im In- und Ausland, darunter den amerikanischen Branchenriesen Mars Inc.

Ganz am Anfang ihres Berufslebens steht hingegen Amelie Binder (23). Die studierte Wirtschaftsinformatikerin aus München hat mit ihren Kommilitonen Markus Bischoff und Tim Leinenweber 2020 das Start-up CargoKite GmbH gegründet. Das Trio plant rund 50 Meter lange Mikrofrachtschiffe für küstennahe Containerverkehre, die ausschließlich mit Windkraft angetrieben werden und langfristig autonom fahren sollen.

»Mich hat einfach das Projekt fasziniert«

»Ich hatte keine Unternehmensgründung geplant«, sagt Binder. »Mich hat einfach das Projekt fasziniert.« Mithilfe von UnternehmerTUM, der Gründungsberatung der Technischen Universität (TU) München, arbeitete das Trio einen Businessplan aus. Spätestens 2027 sollen die ersten Schiffe starten. Binder ist für die Akquisition von Finanzierungspartnern verantwortlich. »Wir wollen bis zum Start auch mit dem Verkauf einzelner Schiffsbauelemente frühe Umsätze machen«, sagt die Unternehmerin.

Wiederholt hatte sie mit Gesprächspartnern zu tun, die an der Realisierung von CargoKite-Schiffen zweifeln. »Ich lerne auch aus solchen Erfahrungen«, so die Gründerin gelassen.

Was Frauen als Gründerinnen auszeichnet

Innovationsberaterin Susanna Mur (29) wagte ihre Gründung nach mehrjähriger Berufstätigkeit. »Ich möchte ein wirklich nachhaltiges Projekt realisieren und außerdem selbstbestimmt leben«, sagt die Betriebswirtin. Gemeinsam mit der Personalmanagerin Alina Friedrichs (35) entwickelte sie die GuudCard, mit der Mitarbeitende von ihren Firmen bis zu 50 Euro monatlich steuer- und sozialabgabenfrei erhalten und dann im nachhaltigen Einzel- und Onlinehandel ausgeben können. Was Frauen als Gründerinnen auszeichnet? Mur: »Sie bereiten die Gründungen sehr umsichtig vor und planen langfristig.«

Unterstützung beim Weg in die Selbstständigkeit

Mit zahlreichen Initiativen ermutigt und vernetzt die IHK selbstständige Frauen. »Dabei ist uns wichtig, die Idee der Selbstständigkeit schon so früh wie möglich – also schon unter Schülerinnen – zu platzieren«, sagt Elfriede Kerschl, Leiterin des IHK-Referats Fachkräfte, Weiterbildung und Frauen in der Wirtschaft.

  • IHK-Girls’-Day »Ich werde Chefin«
    Unternehmerinnen laden am Girls’ Day Schülerinnen ein und geben Einblicke in die Selbstständigkeit. 2022 hatten 60 Unternehmerinnen 400 Schülerinnen zu Gast. Der nächste Girls’ Day ist am 27. April 2023. Die IHK ist wieder dabei.
  • »Unternehmerinnen machen Schule«
    Als Role Models erklären Unternehmerinnen im Schulunterricht, was die Selbstständigkeit ausmacht. Unternehmerinnen und Schulen, die Interesse haben, können sich melden bei: gabriele.lueke(at)muenchen.ihk.de
  • Vernetzung via Social Media
    Die neue LinkedIn-Gruppe »Unternehmerinnen digital« startet durch unter:
    www.linkedin.com/groups/9182288
  • herCAREER
    Auf der Frauenkarrieremesse ist die IHK regelmäßig vertreten. Auch in diesem Jahr stehen dort wieder Gründungsexpertinnen Rede und Antwort.
    Termin: 6. und 7. Oktober 2022

Mehr Informationen für Unternehmerinnen hier im Ratgeber der IHK 

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