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Reibungslos ins Ausland

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Auf internationalem Kurs – neue Services im Dienstleistungskompass

Services in anderen Ländern zu erbringen, ist für Firmen mit vielen Meldepflichten und Vorgaben verbunden. Der BIHK-Dienstleistungskompass hilft, den Überblick zu behalten.

Von Eva Müller-Tauber, IHK-Magazin 01-02/2025

An sich lief alles perfekt: Der US-Zulieferer hatte die Kuppel des Planetariums zuverlässig zum Zielort in die Schweiz gebracht; die Spezialisten aus UK für die Montage waren ebenfalls pünktlich angereist. Dennoch musste der Bau des Kuppeltheaters kurzzeitig unterbrochen werden. Die Feinheiten der Meldepflichten bei der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland hatten das Projekt der oberbayerischen Sky-Skan International GmbH gestoppt.

Die schweizerischen Behörden hatten moniert, dass die amerikanischen und englischen Dienstleister nicht im Arbeitsportal angemeldet waren. „Und da es nicht unsere Mitarbeiter waren und wir selbst als Auftraggeber fungierten, konnten wir sie auch nicht ohne Weiteres selbst anmelden“, sagt Ursula Schwarzer, bei Sky-Skan für Marketing und Administration zuständig. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt gab es zwar bereits ein Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland, wie eine Mitarbeiterentsendung zu erfolgen hat. Eine entsprechende Vereinbarung mit den USA und Großbritannien fehlte jedoch.

Projekt wegen nationaler Vorgaben auf der Kippe

In Kooperation mit den Beteiligten fand sich schließlich doch noch zeitnah eine Lösung – zum Glück für das oberbayerische Unternehmen aus Seeshaupt, das Multimediasysteme insbesondere für Planetarien und Kuppeltheater herstellt und vertreibt sowie Beratung, Planung und Projektmanagement dafür übernimmt. „Die Fachleute für die Installation werden weltweit gebucht“, erklärt Schwarzer. „Können sie ihre Zeitpläne nicht einhalten, sind sie womöglich für mehrere Monate nicht mehr verfügbar. Dann hätten wir das Projekt nur sehr zeitverzögert umsetzen können – wenn überhaupt.“

Grenzüberschreitende Dienstleistungen und Mitarbeiterentsendungen sind durch die zahlreichen nationalen Vorgaben nach wie vor knifflig und kompliziert – auch innerhalb der EU. „Wenn Sie heute Mitarbeitende nach Frankreich entsenden, müssen Sie diese nicht nur stets im Portal SIPSI anmelden“, so Schwarzer. „Sie brauchen auch einen Ansprechpartner – zum Beispiel einen Steuerberater – auf französischem Boden, dem alle Arbeitsverträge, Gehaltsnachweise und Entsendebescheinigungen vorliegen, damit die Kontrollbehörde im Fall der Fälle darauf zugreifen kann.“ Hinzu kommt außerdem zu jeder Entsendungsmeldung noch die Beantragung einer A1-Bescheinigung als Nachweis, dass der Mitarbeiter auch im Ausland den deutschen Sozialversicherungspflichten unterliegt.

Stärkster Wachstumstreiber ausgebremst

Obwohl die Marktintegration Fortschritte macht, gibt es im Dienstleistungssektor weiterhin erhebliche Ineffizienzen und Barrieren innerhalb der EU. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass Dienstleister die Größe des europäischen Markts nur eingeschränkt ausschöpfen können – zum Nachteil für die Europäische Gemeinschaft. Denn Dienstleistungen waren in den vergangenen Jahren stärkster Wachstumstreiber der EU-Wertschöpfung: Mehr als 81 Prozent des europäischen Wirtschaftswachstums beruhen laut einer aktuellen Studie des Münchner ifo Instituts auf Dienstleistungen.

„Wegen der zum Teil sehr unterschiedlichen Ausgestaltung der entsenderechtlichen Vorgaben in den Mitgliedstaaten stehen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung aktuell noch vor großen bürokratischen Herausforderungen“, bestätigt Johannes Weidl, stellvertretender Referatsleiter Europa, Drittländer, Außenhandelsfinanzierung  bei der IHK für München und Oberbayern. „Rückmeldungen der Kontrollbehörden zu Vor-Ort-Kontrollen zeigen, dass eine Mehrzahl der Unternehmen derzeit nicht in der Lage ist, die geforderten entsenderechtlichen Vorgaben umzusetzen.“

Zahlreiche Stolpersteine innerhalb der EU

Probleme entstehen insbesondere dadurch, dass einem uneinheitlichen nationalen Arbeits- und Sozialrecht ein EU-weites Entsenderecht übergestülpt wird. Bereits die Informationsgewinnung macht den Unternehmen zu schaffen. „Aber auch die Kurzfristigkeit sowie Änderungen, unterschiedliche Meldeverfahren bei der Entsendung, Sprachbarrieren, Ansprechpartner vor Ort und sozialversicherungs- wie steuerrechtliche Fragen“, zählt IHK-Experte Weidl die wichtigsten Stolpersteine auf.

Dass bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen Unterstützung notwendig ist, haben die bayerischen IHKs (BIHK) früh erkannt und vor über 8 Jahren den Dienstleistungskompass etabliert. Das Onlinetool im Außenwirtschaftsportal Bayern liefert den Unternehmen umfangreiche länderspezifische Informationen (siehe Kasten unten). Viele Firmen haben seither das Tool, das Netzwerk und das Beratungsangebot der IHKs mit Erfolg genutzt.

Datenaustausch und Vereinheitlichung wünschenswert

„Die ursächlichen Probleme sind aber immer noch vorhanden“, kritisiert Weidl. Grundlegende Vereinfachungen für die Unternehmen ließen sich beispielsweise erreichen, wenn Sozialversicherungen notwendige Daten grenzüberschreitend digital austauschen würden. Hilfreich wäre es zudem, wenn ein EU-weit einheitliches, digitales Registrierungsformular (die sogenannte eDeclaration) inklusive Registrierungsportal geschaffen würde, wie es derzeit diskutiert wird. Darüber sollten die Melde- und Nachweispflichten vereinheitlicht werden.  Bis dies realisiert ist, braucht es andere Lösungen. Wer oft Mitarbeiter in verschiedene Länder entsendet und nicht im Dschungel der nationalen Vorgaben verloren gehen will, ist gut beraten, Spezialisten einzusetzen.

Die msg systems ag in Ismaning hat 2017 daher einen eigenen Inhouse-Service innerhalb ihrer HR-Abteilung geschaffen. Das Unternehmen bietet IT-Dienstleistungen – von der Transformationsberatung über die Implementierung passender Lösungen bis hin zum Betrieb – und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeitende in 34 Ländern. Mitarbeitende, die für die Firma grenzüberschreitend tätig sind, können sich an den Unternehmensbereich HR Global Mobility wenden, der sich um alle Formalitäten kümmert.

Für Betriebsprüfungen gewappnet

„Es ist wichtig, dass bei einer Beschäftigung im Ausland alle wichtigen Dokumente vorliegen. Nicht nur, falls die nationalen Behörden diese vor Ort überprüfen, sondern auch, um bei künftigen Betriebsprüfungen auskunftsfähig zu sein“, sagt HR Global Specialist Katharina Lichtenecker. „Allerdings ist das manchmal eine Herausforderung angesichts der unterschiedlichen nationalen Vorgaben, aber auch, weil es immer wieder gesetzliche Änderungen gibt.“

Bei einigen Ländern seien Prozesse innerhalb der Abteilung schon automatisiert. „Aber bei Staaten, in die wir nicht so häufig Mitarbeiter entsenden, sind wir dankbar, dass wir den Dienstleistungskompass nutzen können“, sagt die Wirtschaftsjuristin. Dort sei auf einen Blick zu sehen, was das Unternehmen aktuell bei den Registrierungsprozessen und Unterlagen beachten muss.

Oft stecke der Teufel im Detail: So gibt es beispielsweise in der Schweiz kantonale Unterschiede. „Darüber hinaus sind auch die Beratungen von IHK und AHK sehr wichtig“, ergänzt Lichteneckers Kollegin Yue Yu. „Denn zu wissen, dass etwa in Tschechien alle Arbeitsverträge auch in tschechischer Sprache vorliegen müssen, ist das eine.“ Man müsse aber auch wissen, wo man diese übersetzen lassen kann.

Kommt das digitale EU-Meldeportal?

1.600 Dienstreisen ins Ausland hat das HR Global Mobility Team allein 2024 betreut. „Mittlerweile liegen wir damit fast wieder auf Vor-Corona-Niveau“, so Yu. Die meisten Stolpersteine bei der Mitarbeiterentsendung könnten in der Regel überwunden werden, auch, weil „viele Behörden dialogbereit und kooperativ“ seien. Dennoch sind sich die beiden Personalerinnen einig: „Ein einheitliches digitales EU-Meldeportal, in dem überall dieselben Unterlagen hinterlegt werden, würde viele Prozesse beschleunigen und vereinfachen.“

Die Chancen, dass dieser Wunsch wahr wird, stehen gar nicht mal so schlecht. Immerhin hat die EU-Kommission Mitte November 2024 einen Vorschlag zur Einrichtung eines einheitlichen digitalen Meldeportals veröffentlicht.

IHK-Info: Was der Dienstleistungskompass bietet

Welche arbeitsrechtlichen Regelungen gelten in der Slowakei? Welche Dokumente muss ich bei einem Einsatz in Österreich mitführen? Was hat es mit dem piano operativo di sicurezza, kurz: POS, bei Baustellen in Italien auf sich? Antworten auf solche länderspezifischen Fragen finden sich im Onlinetool Dienstleistungskompass auf dem Außenwirtschaftsportal Bayern.

Das Portal ist ein Service der bayerischen IHKs und Handwerkskammern und wird laufend aktualisiert, optimiert und ergänzt. Vor Kurzem wurde die Plattform mit den IHKs aus Hessen und Nordrhein-Westfalen zu einem Drei-Länder-Portal weiterentwickelt. Zudem wurden neue Funktionen hinzugefügt und das Look & Feel verbessert.

Im Dienstleistungskompass werden sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen der Entsendung von Mitarbeitern dargestellt als auch die steuerlichen Regelungen der anschließenden Rechnungsstellung.

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