Unternehmen | Unternehmen

Durchblick für Manhattan

Klaus Mergel ©
Unternehmer Dieter Funk in seiner Brillenmanufaktur

Dieter Funk hat mit seinem Brillenunternehmen Funk Eyewear eine internationale Marke etabliert – produziert wird überwiegend in Handarbeit in Kinsau am Lech. Eine bayerische Erfolgsgeschichte.

Klaus Mergel, Ausgabe 06/20

Mancher muss sich seinen guten Namen erarbeiten, Dieter Funk hat seinen seit Geburt. »Funk«, das klingt nach Manhattan, Clubkultur und großer, weiter Welt. Dort werden seine Brillen durchaus getragen, von Popstars wie Lenny Krawitz und Bootsy Collins oder von Regisseur Steve McQueen. Aber auch Normalbürger in München, Berlin oder Garmisch setzen Funk-Brillen auf. Die edlen Fassungen entstehen in Oberbayern: In Kinsau (Kreis Landsberg) hat Funk mit seiner Ehefrau Sashee Schuster eine erfolgreiche Brillenmanufaktur aufgebaut.

Bayerische Wertarbeit für den Weltmarkt: Ab 350 Euro ist eine Funk-Brille zu haben. Funk Eyewear beschäftigt 56 Mitarbeiter. 14 davon in der Produktion, 19 in vier eigenen Läden. Umsätze nennt der 53-jährige Inhaber nicht. Angesichts der Produktion von 12.000 bis 18.000 Brillen pro Jahr und den Erlösen der preisgünstigen Drittmarke Funkfood, die in China produziert wird, dürften sie im Bereich von acht bis zwölf Millionen Euro liegen.

Notdienst als wirtschaftliches Desaster

Sichtbares Zeichen des Erfolgs: 2017 konnte die Firma ihr neues Firmengebäude in Kinsau mit einer »gläsernen Manufaktur« und einem Ladengeschäft auf 2.500 Quadratmetern beziehen. Die Coronakrise traf die Firma jedoch wie ein Hammerschlag. »Am 18. März war der Umsatz auf null«, sagt Funk. Was als Hoffnungsschimmer schien, entpuppte sich eher als Fluch: Optiker durften, da systemrelevant, einen Notdienst anbieten. »Das haben wir gerne gemacht, um zu helfen, wenn eine Brille kaputt war«, sagt Funk. »Wirtschaftlich war das jedoch ein Desaster, wenn wegen einer Reparatur jeden Tag zwei Mitarbeiter da waren.«

»Vielleicht zwei blaue Augen, aber wir kriegen das hin«

Das Unternehmen beantragte Soforthilfe, ebenso Kurzarbeit – in der Produktion war praktisch Stillstand. Doch seit Ende April ist die Lage »hoffnungsvoll«, so Funk: »Die Leute kommen wieder, wir spüren ihren Zuspruch.« Im April entwickelte die Funk-Truppe viel Kreativität, vor allem bei der Kundenbindung: Ein Newsletter an Optiker wurde aufgebaut, mit Tipps und Bezugsquellen zur Schutzausrüstung; eine Spotify-Playlist erstellt, zum Mutmachen; ein Onlineshop aus dem Boden gestampft, der die örtlichen Optiker einbindet, etwa für die Augenvermessung. »Ich will nicht nur verkaufen«, sagt Funk. »Wir reden hier über Sehkraft, da ist vernünftiges Handwerk gefragt.«

Das positive Feedback sei überwältigend. In den sozialen Medien wuchs die Zahl der Follower ordentlich – auch unter Endkunden. »Wir schaffen das, vielleicht mit zwei blauen Augen, aber wir kriegen das hin«, so der Brillenmacher.

Für die Techno- und Extremsportszene

Reichlich Erfahrung, um die Lage zu bewältigen, bringt er in jedem Fall mit. Funk und Schuster starten ihr Unternehmen 1992 in München. Mit verrückten Sonnenbrillen – damals noch nicht aus eigener Herstellung – stattet das Paar die Techno- und die Extremsportszene aus. 2002 wird Funks Traum einer eigenen Brillenproduktion wahr – in der Scheune eines alten Bauernhauses in Kinsau. Die ersten Stücke entstehen mit sogenannten Pantografen, welche die Form eines Prototyps mechanisch abtasten und so kopieren. »Das ging oft schief«, erinnert sich Funk.

Wissen der Mitarbeiter führte zum Erfolg

Nach und nach kauft er alte Maschinen ehemaliger Hersteller auf. Er macht frühere Mitarbeiter dieser Firmen ausfindig und entlockt ihnen das Wissen, worauf man achten muss. Sein bevorzugtes Material: Zelluloseacetat, das zu 70 Prozent aus Baumwolle hergestellt ist. Teurer als Plastik, erste Wahl für gute Brillen.

Vor über zehn Jahren entwirft Funk dann »Nerd-Brillen«. Und das lange, bevor diese massiven Vollrandbrillen zum Trend werden. Sashee Schuster dagegen arbeitet mit Laminiertechnik von Acetatplatten, in die sie Blüten, Blätter, Blattgold oder weitere Naturmaterialien einlegt. Die Labels »Dieter Funk« und »Sashee Schuster« sprechen heute verschiedene Zielgruppen an: Die eine tritt eher maskulin auf, die andere feminin. Zusätzlich wendet sich »Funkfood« an modebewusste Kunden mit kleinerem Budget. Mit 50 Prozent Umsatzanteil eine echte Cashcow. Diese Brillen werden in China produziert. Funk achtet beim Partner in Fernost jedoch streng auf Einhaltung sozialer Standards: zwei- bis dreimal so hohe Löhne wie üblich, Urlaub, Altersversorgung und ein 8-Stunden-Tag. »Ich schau da durchaus unangemeldet vorbei.«

Qualitätsbewusste Verbraucher - und Käufer

Doch seit einigen Jahren, so der Unternehmer, steige der Anteil bayerischer Ware stetig. »Unser Konzept funktioniert, weil die Verbraucher bereit sind, den Preis für ein hochwertiges Produkt zu zahlen«, sagt er. Man setzt zwar heute in Kinsau auf moderne CNC-Frästechnik für Mittelteil und Brillenbügel. Doch viele der rund 160 Arbeitsschritte geschehen in Handarbeit. Made in Kinsau, Bayern, das gilt in der Branche als Qualitätsmerkmal. Mit dem Bekenntnis zu Bayern trifft Funk einen Nerv unserer Zeit: den der Sehnsucht nach regionaler Identität.

Statement statt Gebrauchsartikel

Dazu kommt, dass eine Brille wohl mehr ist als ein Gebrauchsartikel. »Man trägt sie im Gesicht. Sie ist ein Statement«, erklärt Funk. Soll heißen: Der Träger will nicht nur gut sehen. Er will auch gut aussehen – und sich von der Masse abheben. Werbung? Findet kaum statt, wenn man von der Bandenwerbung am örtlichen Fußballplatz absieht. Dafür digitales Marketing. Funk Eyewear bedient unter anderem Facebook, Instagram und Pinterest. Das übernimmt die gelernte Werbekauffrau Sashee Schuster mit zwei Mitarbeiterinnen. Denn die junge Zielgruppe ist im Netz unterwegs. Zur Brillenwahl geht jedoch auch diese Kundschaft eher ins stationäre Geschäft. Hier gibt es Service, Brillenanpassung, Stilberatung und Sehtests, meist sogar kostenlos. Funk Eyewear beliefert den Großhandel.

Glaubwürdigkeit durch Kunden als Tester

Zudem betreibt die Firma seit Jahren in Berlin, München, Wien und Kinsau eigene Läden – auch wenn die nur 30 Prozent des Umsatzes erwirtschaften. »Das kostet richtig Geld. Doch dort sind wir näher dran am Verbraucher. Diese Kunden sind unsere Tester: Da sehen wir gleich, was funktioniert und was nicht«, sagt Funk. Und es bringe Glaubwürdigkeit. Klar, Funk Eyewear ist ein Zwerg. Brillenproduzenten gibt es in Deutschland nur noch knapp ein Dutzend. Fast 90 Prozent des Markts liegen in der Hand weniger Player. Der Branchenriese EssilorLuxottica etwa besitzt Marken wie Armani, Oakley, Chanel, Ray-Ban, Prada oder DKNY. Damit erwirtschaftet der Konzern mit rund 150.000 Mitarbeitern weltweit einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro. »Wir besetzen nur eine Nische«, sagt Funk, »aber das tun wir ziemlich gut.«

Verwandte Themen