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Es ist modern und vermittelt Start-up-Feeling, soll das Wir-Gefühl stärken und jedem Mitarbeiter zeigen, dass er etwas im Betrieb bewegen kann. Zwei Meinungen zum generellen »Du« in der Unternehmenskultur.

Ausgabe 02/21

PRO von Sarah Bretzler (37), Head of Sales & Marketing Robotise GmbH:

Sarah Bretzler war vor ihrem Wechsel zu dem Münchner Technologieunternehmen Robotise viele Jahre in der Luxushotellerie tätig. Bei Rocco Forte The Charles Hotel arbeitete sie zuletzt als Director of Sales & Marketing.

Als junges, innovatives Technologieunternehmen ist es für uns selbstverständlich, dass sich die Mitarbeiter duzen. Wir unterscheiden dabei nicht nach Hierarchieebenen, sondern begegnen uns stets auf Augenhöhe, sodass auch der Praktikant eine Führungskraft mit »Du« anspricht. Das schafft ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl und trägt außerdem zur positiven Arbeitsatmosphäre bei, aus der heraus Innovationen wie unser Serviceroboter JEEVES erst entstehen können.

Alltagssprache Englisch ohne »Sie«

Hinzu kommt, dass wir in unserem Unternehmen Englisch sprechen. In dieser Sprache gibt es bekanntlich kein Pendant zu unserem »Sie«. Mit unserem internationalen Team, das an unserem Standort in München rund 30 Mitarbeiter umfasst, wäre ein ständiger Wechsel zwischen Du und Sie also gar nicht möglich. Deutlich flexibler agiert hier unser Serviceroboter JEEVES, der sowohl in der Hotellerie als auch im Kranken- und Pflegebereich eingesetzt wird. Mit einem Touch-Display und verschiedenen, kühlbaren Fächern ausgestattet, liefert er in Münchner Hotels Snacks, Getränke, Hygieneartikel oder Zeitungen direkt an die Zimmertür.

Der Serviceroboter kommuniziert mit den Gästen nicht nur über das Display, sondern spricht auch mit ihnen. Mit einem Knopfdruck kann das Personal die Sprache beispielsweise auf Englisch umstellen und so auch den internationalen Gästen ein Service-Highlight bieten. Die Frage, ob der Roboter die Gäste duzt oder siezt, entscheidet der Hotelbetrieb selbst, analog zur generellen Ansprache der Gäste im jeweiligen Haus. In den Gesprächen mit Kunden stellen wir immer wieder fest, dass das Siezen vor allem in der Luxushotellerie weiterhin zum guten Ton gehört. Die Gästeansprache mit »Du« findet man hingegen eher in der Budgethotellerie oder in Designhotels, die ein jüngeres Publikum ansprechen. Wir freuen uns, dass wir mit JEEVES beide Regelungen – sei es Sie oder Du – umsetzen können.

CONTRA von Jutta Schröppel (48), Randstad District Manager Bayern-Süd:

Jutta Schröppel ist seit 2000 bei Randstad Deutschland. Sie hat dort als Senior Consultant begonnen und ist heute als District Manager für die Region Bayern-Süd und damit auch für München zuständig. Das Unternehmen ist Marktführer für Personaldienstleistungen in Deutschland.

Der Ursprung unseres Unternehmens liegt in den Niederlanden. Den dortigen Gepflogenheiten entsprechend, gehört das »Du« bei Randstad daher von vornherein zum guten (Umgangs-)Ton. Das ist innerhalb unserer Teams selbstverständlich – ob sie nun an einem Standort zusammenarbeiten oder sich für eine Aufgabe zusammenfinden. Wir sind uns allerdings bewusst, dass sich dies nicht ohne Weiteres auf andere Länder und Kulturkreise übertragen lässt. Wenn wir in Deutschland das zwanglose »Du« zum Beispiel durchgehend in Stellenanzeigen verwenden würden, spräche das vor allem jüngere Arbeitnehmer auf Augenhöhe an.

Aber wie geht’s dann weiter? Konsequenterweise müssten unsere Recruiter im fortlaufenden Bewerberprozess beim »Du« bleiben. Bedeutet: im Anschreiben duzen, beim Erstkontakt am Telefon duzen und: selbst geduzt werden. Und was ist mit den älteren Kandidaten, die Randstad vermittelt? Für diese Zielgruppe liest sich das auf einen jüngeren Bewerberkreis gerichtete »Du« zwischen den Zeilen so: »Wenn Du Dich auf diese Weise nicht angesprochen fühlst, passt Du nicht zu uns.« Für Randstad wäre dieser Rückschluss fatal. Wir sehen daher Authentizität als Schlüssel zum Erfolg – von der Bewerberansprache bis zur Einstellung.

Tatsächlich kameradschaftlicher und lockerer Umgang?

Würde Randstad den Erwartungen der Bewerber gerecht, weil sich Mitarbeiter durchgängig untereinander duzen und auch ihre Vorgesetzten mit »Du« ansprechen? Wie wichtig sind Hierarchien im Haus und wird tatsächlich der kameradschaftliche und lockere Umgang gepflegt, den die »Du-Stellenanzeige« vermuten lässt?

Mit der Stellenanzeige bewerben wir uns bei unseren potenziellen Kandidaten. Unser Ziel muss es also sein, unsere Zielgruppe möglichst authentisch anzusprechen und zu ermutigen, sich bei uns zu bewerben. Es darf aber keinen Bruch in der Anrede- und Unternehmenskultur geben, denn dies führt zu Unsicherheiten und Fehleinschätzungen. Beim Erstkontakt sehen wir uns mit dem »Bewerber-Sie« auf der sicheren Seite und empfehlen daher, in Stellenanzeigen zu siezen

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