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Ins Ausland verkaufen – Chance für Mittelständler

E-Commerce über Grenzen hinweg bietet Unternehmen viele Chancen, stellt sie aber auch vor spezifische Herausforderungen. Eine DIHK-Studie zeigt, welche Erfahrungen Firmen beim Aufbau ihres digitalen Vertriebs ins Ausland machen.

MECHTHILDE GRUBER, Ausgabe 09/2022

Der Onlinehandel boomt. Die Pandemie hat diesen weltweiten Trend zusätzlich befeuert. Immer mehr Konsumenten kaufen über Grenzen hinweg online ein, immer mehr Firmen verkaufen ihre Produkte weltweit über digitale Vertriebswege und kaufen dort auch ein. »Unternehmen müssen sich jetzt mit den Chancen und Risiken auseinandersetzen, die ihnen der Onlinevertrieb ins Ausland bietet. Nur so können sie ihre Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft sichern«, sagt Christian Neugebauer, Projektleiter »Online erfolgreich im Ausland« der IHK für München und Oberbayern. Durch Corona ist dieses Thema noch einmal relevanter geworden.

Von Land zu Land verschieden

Der digitale Vertrieb macht einen Einstieg ins Auslandsgeschäft jedoch nicht unbedingt einfacher, betont der IHK-Experte: »Beim Onlinevertrieb kommen zu den klassischen Cross-Border-Problemen noch spezifische Anforderungen des digitalen Geschäfts dazu, die in jedem Land verschieden sein können.«

Um die Unternehmen dabei zu unterstützen, die Potenziale der Digitalisierung beim Vertrieb ins Ausland zu nutzen, hat das Forschungs- und Beratungsinstitut ibi research an der Universität Regensburg im Auftrag des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) eine Umfrage zum internationalen E-Commerce durchgeführt. Bundesweit wurden 439 Händler und Hersteller befragt, wie sie ihren digitalen Vertrieb aufgebaut haben, welche Erfahrungen sie dabei machten und wo sie sich mehr Unterstützung wünschen.

Drei Viertel international aktiv

Deutschlands Unternehmen sind international sehr stark engagiert, das bestätigt die Studie. Knapp drei von vier Firmen verkaufen ihre Waren oder Dienstleistungen im oder ins Ausland. Unterschiedlich ist dabei die Wahl der Vertriebskanäle, wobei die Unternehmensgröße ein wichtiger Faktor ist. Auch zeigen sich Händler deutlich online-affiner als Hersteller.

Der mit 54 Prozent beliebteste Kanal für den Vertrieb ins Ausland ist der eigene Onlineshop, den vor allem Einzelhandelsunternehmen bevorzugen (81 Prozent). Bei diesen ist auch die Präsenz bei Amazon (38 Prozent) oder eBay (35 Prozent) sowie auf ausländischen Marktplätzen (18 Prozent) stark im Kommen.

Onlineshop oder Marktplatz

Marktplätze bieten kleineren Firmen viele Vorteile, verursachen aber zusätzliche Kosten, welche die Marge schmälern. Auch sind in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Plattformen interessant und etabliert, betont IHK-Experte Neugebauer: »Das muss man vorab klären. Durch Marktrecherche sollten sich Unternehmen frühzeitig darüber informieren, wo sich für ihr Produkt die besten Chancen bieten.« Je exklusiver ein Produkt, desto interessanter ist für Unternehmen der eigene Onlineshop.

»Soziale Netzwerke Kanal der Zukunft«

Wer damit Erfolg haben will, muss jedoch selbst dafür sorgen, dass Kunden auf ihn aufmerksam werden. Und Marketing kostet. Um den Onlineshop zu promoten, bieten die sozialen Netzwerke viele Möglichkeiten, die von oberbayerischen Firmen aber vergleichsweise wenig genutzt werden, wie die Studie zeigt. Hier herrsche noch Nachholbedarf, sagt IHK-Experte Neugebauer: »Die sozialen Netzwerke sind der Kanal der Zukunft, hier halten vor allem jüngere Kunden nach neuen Produkten Ausschau.«

Die große Mehrheit der Hersteller (73 Prozent), und darunter vor allem die großen Firmen (67 Prozent), organisieren den Vertrieb dagegen nach wie vor hauptsächlich über klassische Außendienstmitarbeiter oder Handelsvertretungen im Ausland. Oberbayerische Firmen sind außerdem – deutlich mehr als der deutsche Durchschnitt (32 gegenüber 20 Prozent) – auf Auslandsmessen aktiv. Gerade von kleinen und mittelständischen Firmen wird dabei das Messebeteiligungsprogramm von Bayern International gern genutzt.

Fünf Hauptabsatzmärkte

Ein kaum überraschendes Ergebnis der Studie sind die fünf umsatzstärksten Absatzmärkte für deutsche Unternehmen: An der Spitze stehen die europäischen Anrainerstaaten Österreich, Schweiz, Frankreich, Niederlande und Italien. Hier wirken sich die Vorteile des freien Binnenmarkts, aber auch geringe Sprachbarrieren und kulturelle Nähe aus.

Oberbayerische Unternehmen sind im Nachbarland Österreich erstaunlicherweise kaum stärker engagiert als deutsche Firmen insgesamt (56 gegenüber 54 Prozent). Italien dagegen ist für Oberbayern ein weitaus wichtigerer Absatzmarkt als für den Rest Deutschlands (33 gegenüber 21 Prozent).

Hürden bei Nicht-EU-Staaten

Die Nicht-EU-Staaten USA und China – volumenmäßig die größten Märkte – sind vor allem für Hersteller interessant. Für kleinere Händler sind hier, und das gilt im besonderen Maße für den E-Commerce, die Logistikanforderungen sowie die rechtlichen und steuerlichen Hürden meist zu hoch.

Beträchtliche Versandkosten und rechtliche Unsicherheiten sind laut Umfrage dann auch die Hauptgründe, warum Unternehmen nicht den Schritt in die internationalen Märkte wagen. Komplizierte Zollabwicklungen und hohe steuerliche Aufwände werden als weitere Argumente genannt. Diese Herausforderungen stellen sich auch beim internationalen E-Commerce, wobei das Einbeziehen eines Logistikdienstleisters im Absatzland hier Abhilfe schaffen kann.

»Viel Beratungsbedarf«

Bei rund einem Fünftel der oberbayerischen Firmen jedoch ist die fehlende Länderexpertise der Grund, warum sie nicht aktiv ins Ausland verkaufen. »Hier gibt es viel Beratungsbedarf«, sagt Neugebauer.

An Unterstützungsleistungen der bayerischen IHKs schon bei der Vorbereitung auf Auslandsmärkte mangelt es nicht. Vor allem oberbayerische Unternehmen nutzen diese Angebote auch, wie die Umfrage zeigt: Während deutschlandweit nur 13 Prozent der Firmen bei der Vorbereitung auf den Markteintritt Kontakt zu ihrer IHK aufnehmen, ist es in Oberbayern fast ein Drittel.

Plattform für internationalen E-Commerce

Laut Studie suchen Unternehmen hier noch weitere Unterstützung – ein Wunsch, dem die bayerischen IHKs mit dem Projekt »Online erfolgreich im Ausland« Rechnung tragen. Sie haben eine Plattform (weltweit-erfolgreich.de/e-commerce) geschaffen, auf der sich Firmen ausführlich über grenzüberschreitenden E-Commerce informieren und konkrete Hilfe erhalten können.

Ausführliche Länderexpertise können sich Unternehmen bei einer kostenfreien Webinarreihe aneignen (siehe Kasten unten). In den Veranstaltungen stehen bis Februar 2023 einzelne europäische Länder, aber auch die USA, China, Südostasien und Nordafrika im Fokus. Derart gut vorbereitet, können auch kleine mittelständische Unternehmen die Chancen des grenzüberschreitenden Onlinehandels für sich nutzen.

Webinarreihe: ONLINE erfolgreich im Ausland

Die Webinarreihe der bayerischen IHKs (BIHK) will Unternehmen fit für das digitale Auslandsgeschäft machen. Nachdem es zuerst um die Grundlagen für internationalen E-Commerce sowie Spezialwissen zu internationalem Recht, Steuern, Zahlungsabwicklung, Logistik und Marketing ging, stehen nun einzelne Ländermärkte im Mittelpunkt.

In insgesamt 15 Webinaren erläutern Experten vom 15. September 2022 bis zum 9. Februar 2023 jeweils donnerstags kostenfrei länderspezifische Themen wie Marktplätze, Zahlungsmethoden, Zollabwicklung oder rechtliche Rahmenbedingungen für den digitalen Vertrieb. Für ausgewählte Länder gibt es zudem Webinare zur digitalen Beschaffung. Die meisten Webinare sind später als Aufzeichnung abrufbar.

Auf dem Programm stehen unter anderem:

Online verkaufen in den USA
Termin: 29. September 2022, 14:30 - 16 Uhr

Online beschaffen in Indien
Termin: 13. Oktober 2022, 9:30-10:30 Uhr

Weitere Infos, Termine und Anmeldung auf der Webseite der BIHK.

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