Unternehmen | Unternehmen

Ein Prosit auf bessere Zeiten

Graminger Weißbräu ©
Familiensache – die Schwestern Sabine Detter, Iris Detter und Birgit Strasser (v. l.) führen das Graminger Weißbräu zusammen mit ihren Eltern

Die Pandemie trifft die oberbayerischen Brauereien unterschiedlich hart. Während einige von mehr Flaschenbier-Nachfrage profitieren, müssen andere viel Kreativität beweisen, um ihre Umsatzeinbußen zumindest teilweise aufzufangen.

Steffi Sammet, Ausgabe 03/21

Das abgesagte Volksfest in Altötting, das geschlossene Gasthaus, der eingebrochene Umsatz an Fassbier im Jahr 2020 – all das scheint Sabine Detter abzuschütteln. Es ist die Zukunft, die der Mitinhaberin der Brauerei Graminger Weißbräu Sorgen bereitet: »Eigentlich wären wir jetzt mitten in den Vorbereitungen für unser Festzelt auf der Dult in Altötting.« Dass die Geschäfte im Februar und März dieses Jahres stillstehen, liege ja auf der Hand. »Aber was ist im Sommer? Wie viel Bier sollen wir brauen?«, fragt sich die 51-jährige Braumeisterin.

Brauprozesse bräuchten ihre Zeit und das Brauhaus wisse nicht, wie es weiter gehe. Viele Braumeister der knapp 90 Brauereien, die in Oberbayern Weiß- und Märzenbier, Dunkles und Helles brauen, pflichten Detter bei. Dennoch wirkt sich die Pandemie nicht bei allen Braustätten gleich hart aus: Je nachdem, wie sie sich im Markt positioniert haben, spüren sie die Auswirkungen der Lockdowns mehr oder weniger stark.

Einige Brauhäuser, deren Umsätze einbrechen, versuchen, kreative Antworten auf die Krise zu finden, damit sie ihr Bier dennoch unters Volk bringen. So wie die Brauerei Graminger Weißbräu, deren Geschäft auf verschiedenen Säulen basiert: Neben dem Flaschen- und Fassbierverkauf unterhält sie einen eigenen Gasthof, beliefert andere Gastronomen und betreibt ein Festzelt auf der Altöttinger Dult.

Weil der Shutdown es nicht erlaubt, das Gasthaus zu öffnen, und die umliegenden Wirte, die ansonsten das Weißbier des Brauhauses beziehen, ebenfalls keine Kunden bewirten dürfen, bietet Detter mit ihren Schwestern samstags und sonntags »Essen to go« an. »Unter der Woche rentiert sich das Angebot nicht, weil wir dafür zu abseits liegen«, sagt sie. Am Wochenende laufe es aber ganz gut. »Wir merken, dass die Leute helfen wollen.«

Darüber hinaus betreibt Graminger Weißbräu seit einigen Monaten einen »Tante Inge Laden«: »Er ist nach meiner Mutter benannt, die bei meinen Cousinen nur die Tante Inge ist«, erklärt Detter den ungewöhnlichen Namen. In den Räumen des Gasthauses bietet die Brauerei ihre Biere im Sixpack oder flaschen- und kistenweise an. Regionale Produkte wie Honig aus den nahen Imkereien oder von Biobauern, die unter anderem Nudeln aus eigener Getreideproduktion herstellen, finden sich ebenfalls im Laden.

Begeistert nehmen viele Kunden auch die Möglichkeit von Bierverkostungen wahr. Im Schnitt veranstaltet Detter einmal wöchentlich ein Bierseminar online, für das die Brauerei den Teilnehmern ein Paket mit den Graminger Weißbieren und Malz zum Probieren zusendet. Während der Verkostung erfahren die Teilnehmer dann online alles Wissenswerte über die Kriterien, nach denen sich ein Bier beurteilen lässt: die Farbe, den Schaum, den Geruch und den Geschmack. »Mir machen die Seminare viel Spaß, sie bringen Leute zusammen, die sich gar nicht kennen. Selbst aus Hamburg hatten wir schon Teilnehmer«, berichtet Detter.

Mit Social Media gegen die Absatzkrise

Auch Georg Hell hat eine Antwort auf die Herausforderungen der Coronapandemie gefunden. Der 27-Jährige braut in fünfter Generation die Malzgetränke der Altöttinger Brauerei Hell. Hell geht davon aus, dass »die Altöttinger Hofdult, die Kirta und das Töginger Volksfest, bei denen wir jeweils ein Festzelt betreiben, 2021 nicht stattfinden«. Um dennoch Umsatz zu generieren, hat das Brauhaus im Sommer 2020 einen Imagefilm erstellt und auf Facebook gepostet. Auch auf Instagram macht Hell Werbung für das Hell-Bier. »Mit Erfolg«, wie er betont, »denn die Aktionen hatten durchaus positive Effekte.«

Lieblingsgetränk mit 95 Liter im Jahr

Kein Wunder, denn zwischen Kiel und Garmisch-Partenkirchen zählt Bier zu den beliebtesten alkoholischen Getränken der deutschen Verbraucher. 2020 tranken die Deutschen im Schnitt rund 95 Liter pro Kopf. Obwohl der Bierkonsum hierzulande seit einigen Jahren kontinuierlich sinkt und sich auch die Coronakrise durch die geschlossenen Kneipen und Gastwirtschaften sowie die abgesagten Veranstaltungen wie das Oktoberfest auswirkt, gibt es einige Brauereien, bei denen der Absatz stabil geblieben ist. Zu diesem Kreis zählen insbesondere die Brauhäuser, die ihre Umsätze vor allem im Handel erwirtschaften.

»Die Nachfrage nach Flaschenbier ist bei uns seit Beginn der Pandemie gestiegen«, beobachtet Karl Berger, Inhaber der gleichnamigen Brauerei in Reischach, etwa 95 Kilometer östlich von München. Zwar habe der eigene Braugasthof geschlossen und das Geschäft mit dem Fassbier sei komplett zum Erliegen gekommen, weil es seit Ausbruch der Coronakrise kaum private Feiern und Erntedank- oder Trachtenfeste gegeben habe, sagt der 71-Jährige, der die kleine Brauerei in dritter Generation führt. »Aber dennoch sind wir gut ausgelastet.«

Verkauf jenseits der Landkreisgrenzen

Die drei Biersorten, die er gemeinsam mit seiner Tochter Katharina braut, verkaufen sich längst über die Landkreisgrenzen hinaus. Traditionell macht Berger keine Werbung für seine Malzgetränke – und daran hält der Brauereichef selbst in Pandemiezeiten fest. Keinen Grund zu Beschwerden hat auch die private Landbrauerei Schönram, die etwa auf halber Strecke zwischen Waging am See und Freilassing liegt. »Natürlich steht bei uns das Fassbiergeschäft komplett still«, berichtet Marketingleiter Christian Thiel. Aber dafür sei die Nachfrage nach Flaschenbier gestiegen. »Das Bier, das die Leute sonst in Biergärten oder Gastwirtschaften getrunken hätten, trinken sie jetzt eben zu Hause«, ist Thiel überzeugt.

Am Kapazitätslimit, auch jetzt

Das mehr als 240 Jahre alte Brauhaus in Schönram liefert sein Bier zu etwa 90 Prozent an den Handel aus. Seit drei, vier Jahren bereits produziert die Brauerei am Kapazitätslimit. »Daran hat Corona nichts geändert«, ergänzt der Marketingleiter. Dennoch will bei ihm nicht so richtig gute Laune aufkommen. Es tue weh zu sehen, wie die Kollegen leiden, die sich stark auf den Gastro-Bereich konzentrieren. Thiel: »Es ist ungut, wenn sich die Geschäfte innerhalb der Branche so unterschiedlich entwickeln.«

 

Verwandte Themen