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Gelungener Start – das Einleben im Betrieb gelingt zu jedem Zeitpunkt

Eine Ausbildung muss nicht am 1. September beginnen, der Start ist auch unterjährig möglich. Das flexible Onboarding erhöht für Firmen sogar die Chance, alle freien Plätze besetzen zu können. Und das ist nicht der einzige Vorteil.

Sabine Hölper, Ausgabe 09/2021

Im Hotel Bayerischer Hof haben neue Auszubildende am 1. September 2021 angefangen – das ist der traditionelle Ausbildungsbeginn in Bayern. Doch auch schon am 1. August begrüßte das Unternehmen Lehrlinge. Für einige Azubis ging es sogar bereits am 1. Februar los. Das Hotel in der Münchner Innenstadt hält es seit Jahren so. »Bei rund 30 neuen Azubis pro Jahr ermöglichen uns die entzerrten Einstellungstermine, individueller auf jeden einzelnen einzugehen«, sagt Franziska Wagner (33), zuständig für Onboarding und Training.

Eine Ausbildung muss nicht im September beginnen. Im Gegenteil, es sprechen einige Gründe dafür, junge Leute auch während des Jahres einzustellen. Schließlich verlaufen Biografien – auch in jungen Jahren – nicht immer nach Schema F. Manche beginnen zum Beispiel ein Studium oder die Fachoberschule, steigen aber nach einigen Monaten aus. Eine Ausbildung ist dann oft eine gute Alternative. Wer sein Studium jedoch beispielsweise im Winter abbricht, hätte bis zum Ausbildungsbeginn im September eine lange Wartezeit. Die entfällt beim unmittelbaren Einstieg. Auch für Unternehmen bietet der flexible Start eindeutige Vorteile.

Das Hotel Hilton mit seinen drei Münchner Häusern Munich Airport, Munich Park und Munich City stellt neue Auszubildende ebenfalls zu drei verschiedenen Terminen ein. »Gerade wenn jemand von einem anderen Beruf oder Studium in die Hotellerie wechselt, ist dies eine sehr bewusste Entscheidung und die Person für uns ein wertvoller Kandidat«, sagt HR-Managerin Angela Heinisch. Ähnlich verhalte es sich mit Abschlussschülern, die sich im Anschluss an die Schule erst einmal eine Auszeit nehmen, etwa für einen Auslandsaufenthalt oder eine Sprachreise. »Durch den Auslandsaufenthalt bringen sie tolle Erfahrungen mit«, beobachtet Heinisch. Der Ausbildungsstart kann grundsätzlich in jedem Monat erfolgen, etwa im November oder Januar.

Plätze schneller besetzen

Dieses Szenario ist vor allem dann sinnvoll, wenn ein im Sommer eingestellter Azubi die Probezeit nicht besteht oder von sich aus aufgibt. Der Betrieb ist in diesem Fall daran interessiert, sofort Ersatz zu finden und nicht erst im nächsten September. Oder ein Azubi verkürzt seine Ausbildung wegen sehr guter Leistungen. Auch dann werden unterjährig Ausbildungsstellen frei. Es ist meist sinnvoll, sie direkt zu besetzen. »Unternehmen, die junge Leute terminlich flexibel einstellen, erschließen sich einen größeren Bewerberkreis und erhöhen die Chancen, alle offenen Stellen zu besetzen«, sagt Florian Kaiser, Leiter Bildungsberatung bei der IHK für München und Oberbayern.

Beachten müssen ausbildungswillige Betriebe nur die Prüfungsregelungen: Die IHK für München und Oberbayern bietet zwei Prüfungen im Jahr an, eine im Sommer und eine im Winter. Die Sommerprüfung findet schriftlich im Mai statt, mündlich im Juni/Juli, die Winterprüfung schriftlich im November, mündlich im Januar/Februar.

Für beide Prüfungstermine gibt es Stichtagsregelungen. Für die Sommerprüfung ist das ein Ausbildungsende spätestens am 30. September, für die Winterprüfung ein Ausbildungsende spätestens am 31. März des jeweiligen Jahres. Das bedeutet:

  • Ausbildungs- und Vertragsende: 31. Oktober 2024 Der Azubi nimmt an der folgenden Winterprüfung teil.
  • Ausbildungs- und Vertragsende: 30. April 2024 Der Azubi nimmt an der folgenden Sommerprüfung teil.

In manchen Fällen kann es also passieren, dass die Prüfungen erst nach Ausbildungsende stattfinden. Das ist nicht optimal. Vor allem dann nicht, wenn der Azubi nicht vom Ausbildungsbetrieb übernommen wird oder von sich aus den Arbeitgeber nach der Lehre wechselt. Daher ist es in der Regel sinnvoll, »die Ausbildungszeit entsprechend zu verkürzen und somit die Stichtagsfalle zu umgehen«, sagt IHK-Experte Kaiser. Sofern ein Azubi mindestens die Mittlere Reife hat oder bei Ausbildungsbeginn 21 Jahre oder älter ist, ist die Verkürzung möglich. So handhaben es auch die Hilton-Häuser. Einzige Hürde: Azubis, die im Februar einsteigen, müssen den Stoff der ersten Monate Berufsschule eigenständig nachholen. Das habe laut Hilton-Managerin Heinisch aber »noch nie eine Schwierigkeit dargestellt«.

Stichwort: Kombimodell im Handel - mehr Zeit zum Lernen

Das neue Kombimodell im Handel vertieft die duale Berufsausbildung. So können Auszubildende besonders gut gefördert werden – Azubis und Firmen profitieren.

Umfangreiche Informationen zum Kombimodell Handel auf der IHK-Website.

Der beste Weg, den Bedarf an Fachkräften im Handel zu decken, ist die Ausbildung im eigenen Betrieb. Um mehr junge Leute für den Ausbildungsberuf Verkäufer/ Verkäuferin zu gewinnen und die Chancen zu steigern, dass sie die Prüfung schaffen, bietet die IHK für München und Oberbayern ab September 2021 gemeinsam mit dem Referat für Bildung der Landeshauptstadt München sowie dem Bayerischen Handelsverband an der Städtischen Berufsschule für den Einzelhandel München Mitte ein neues Ausbildungsformat an: das Kombimodell für den Handel.

Kern dieses Modells, das bereits seit 2016 erfolgreich bei der IHK zu Coburg läuft, ist ein zusätzlicher Berufsschultag zumindest im ersten Ausbildungsjahr. Nach dem ersten Jahr können die Azubis die Unterstützung weiterhin in Anspruch nehmen. Wenn die Leistungen es zulassen, können sie aber auch in die Regelklasse wechseln. Um den zusätzlichen Berufsschultag aufzufangen, dauert die Ausbildung zweieinhalb statt zwei Jahre.

Dass die Zeit in der Berufsschule ausgeweitet wird, ist sinnvoll. Die Erfahrung zeigt, dass es bei lernschwächeren Schülern meist Schwierigkeiten mit der Theorie gibt, während die praktische Ausbildung im Betrieb gut läuft. Doch in der Schule ist die Zeit bisher zu knapp für gezielte Nachhilfe. Der zusätzliche Tag ist genau dafür reserviert. Ein weiterer Pluspunkt: Die Kombimodell-Klassen sind kleiner, eine individuelle Förderung ist so besser möglich.

Schon mehrere Handelsunternehmen aus der Region beteiligen sich. Unter anderem hat die Rewe Markt GmbH, Zweigniederlassung Süd, für den Ausbildungsstart zum 1. September 2021 mehrere Azubis eingestellt, die am Kombimodell für den Handel teilnehmen. »Insbesondere für Geflüchtete und junge Menschen mit Migrationshintergrund eignet sich das Modell«, sagt Corinna Trier (60), Leiterin HR Kompetenzcenter. Das neue Angebot einer Teilzeitausbildung mit höherem Förderanteil an der Berufsschule schließe eine Lücke.

Vorteile des Kombimodells Handel auf einen Blick:
  • kompetente Förderung zentral an der Berufsschule – nur ein Ansprechpartner
  • Entlastung der Ausbilder
  • Stabilisierung der Ausbildung durch einen ganzheitlichen Ansatz, keine zusätzlichen Förderangebote notwendig
  • Planungssicherheit während der gesamten Ausbildungszeit
  • weniger Ausbildungsabbrüche, da die Azubis dauerhaft motiviert sind
  • mehr Möglichkeiten zur Gewinnung von Azubis/späteren Fachkräften
  • reduzierte Ausbildungsvergütung um bis zu 20 Prozent

Das Kombimodell kommt für alle Ausbildungsbetriebe im Großraum München in Betracht. Es richtet sich an junge Menschen ohne Abschluss oder mit einem schlechteren Mittelschulabschluss, ebenso an jene, die noch nicht so lange in Deutschland leben. Sprachniveau A2 – die Azubis können sich in Alltagssituationen auf Deutsch verständigen – ist Voraussetzung.

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