Wir beschaffen fast alles

Electronic Direct ist ein Unternehmen, das Bauelemente für elektronische Systeme findet, die andere dringend suchen. Auch im digitalen Zeitalter setzt es besonders auf persönliche Kontakte.
SEBASTIAN SCHULKE, Ausgabe 12/2022
In der Lagerhalle sitzt ein Mann vor einem Computer, neben ihm kleine und große Kartons, voll mit elektronischen Bauelementen und Systemkomponenten. Hubwagen und Rollbehälter sind zu sehen. Weiter hinten auch kleine Gabelstapler, die lange Hochregale befüllen. Dort lagern wuchtige Kisten, die mit Nummerncodes und jeweils einem großem E und D gekennzeichnet sind.
Zwei Buchstaben, die für ein Unternehmen stehen: Electronic Direct. Der Name der GmbH ist Programm. Die Firma aus Putzbrunn am östlichen Stadtrand von München kümmert sich darum, dass hochwertige und oft auch schwer zu beschaffende Bauelemente für elektronische Geräte oder Systeme schnell und direkt bereitstehen und geliefert werden können.
Weltweites Netzwerk
Dafür sitzen in einem Büro neben der Lagerhalle zwölf Leute, die unentwegt telefonieren, um Aufträge und Angebote zu organisieren und zu koordinieren. »Da geht es zu wie in der Frankfurter Börse«, meint Kornelius Schmitz, der zusammen mit Ulrich Vogel die Geschäfte von Electronic Direct führt. Das Unternehmen betreibt Standorte und Büros in Montreal, New York, Shanghai, Hongkong, Shenzhen, Kopenhagen und eben Putzbrunn – ein weltweites Netzwerk.
Persönlicher Kontakt
»In den Elektronik-Hotspots dieser Welt haben wir Tochtergesellschaften angesiedelt und verfügen direkt vor Ort über eine sehr gute Vernetzung mit Top-Lieferanten«, erklärt Schmitz. »Unsere Kunden sagen uns, was sie suchen. Und wir finden es, indem wir unsere Leute kontaktieren. So gibt es kaum ein Bauelement, das wir nicht beschaffen können.« Damit werden bei den Kunden Materialengpässe gelöst oder sogar ein Fertigungsstillstand verhindert. Schmitz betont: »Wir legen viel Wert auf den persönlichen Kontakt zu unseren Kunden und Lieferanten – das ist auch im digitalen Zeitalter immer noch wichtig.«
2022 als »Bayerns Best 50« ausgezeichnet
Kornelius Schmitz kümmert sich um den kaufmännischen Part – also Personal, Vertrieb und Finanzen. Ulrich Vogel ist als Ingenieur für den technischen Bereich zuständig. Dazu gesellen sich 30 Mitarbeitende in Putzbrunn sowie 20 weitere in den anderen Standorten, Tendenz steigend. In diesem »Jahr wurde Electronic Direct vom Bayerischen Wirtschaftsministerium als »Bayerns Best 50« ausgezeichnet und für seine »besondere Wachstumsstärke in den vergangenen Jahren« gewürdigt – bezogen auf Umsatz und Mitarbeiterzahl. »Eine tolle Auszeichnung für uns«, meint Schmitz. »Allerdings achten wir darauf, dass wir gleichmäßig wachsen und den Bodenkontakt nicht verlieren. Wenn wir Leute einstellen, dann wollen wir diese auch langfristig halten.«
Neben der Distribution und Sonderbeschaffung kümmert sich das Putzbrunner Unternehmen auch um die Qualitätssicherung der elektronischen Bauelemente, damit diese in einem einwandfreien Zustand und unter Einhaltung aller Transport-, Handling- und Lagervorschriften in kürzester Zeit beim Kunden eintreffen. »In Fällen, in denen wir nicht vom Hersteller oder dessen Vertragsdistribution direkt beliefert werden, kaufen wir bei externen Händlern«, erklärt Schmitz. »Gerade diese Ware prüfen wir dann.«
Eigene Inspektionszentren
Dafür hat Electronic Direct seine eigenen Inspektionszentren, die mit modernster Technik ausgestattet sind – wie etwa mit Digitalmikroskopen, die die Bauteiloberfläche nach kleinsten Schleifspuren, Remarkings oder Kratzern untersuchen. Mit speziellen Röntgengeräten wird die Ware durchleuchtet, gezählt und analysiert. Unter Umständen wird ein elektronisches Bauelement auch geöffnet. »Qualitätssicherung ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Schließlich wollen wir unseren Kunden zuverlässig einwandfreie Ware liefern«, meint Schmitz. »Ein einfacher Grundfunktionstest reicht da nicht aus.«
Zertifizierungen als Vertrauensbeweis
So leiste Electronic Direct seit vielen Jahren erfolgreich Pionierarbeit im Kampf gegen Fälschungen und manipulierte Ware. Schmitz betont: »Wir haben eine ISO-Zertifizierung vom TÜV SÜD und werden sogar von unseren Kunden direkt zertifiziert – das ist ein großer Vertrauensbeweis.«
In Putzbrunn befindet sich das Inspektionszentrum direkt neben dem Hochlager. In einfachen Metallregalen sind schwarze Kisten gestapelt, deren Inhalt noch geprüft werden muss. Ein Mitarbeiter hält gerade eine Filmrolle in der Hand, die er in eine große Röntgenmaschine legt. »Da ist kein Film drauf, sondern lauter kleine Bauelemente, die nun gezählt und gecheckt werden«, erklärt Schmitz. »1.437 Stück« erscheint kurz darauf auf dem Bildschirm. Zur Qualitätssicherung gehört auch die Überprüfung der Stückzahl. Hier und da sind grün markierte Stellen zu erkennen. »Das können potenzielle Fehlerquellen sein«, meint der Geschäftsführer.
»Jede Kiste ein kleines Lager für sich«
Nach der Inspektion landen die passiven, aktiven oder elektromechanischen Bauelemente und Systemkomponenten in den großen Kisten im Hochlager. »Jede Kiste ist ein kleines Lager für sich, in dem wir für den Kunden die entsprechenden Warenbestände für ein gesamtes Jahr oder für ein Projekt aufbewahren und diese je nach Bedarf liefern können«, erklärt Schmitz. Wenn Bauelemente nicht auf Lager sind, startet Electronic Direct seine weltweite Suchmaschine.
Ein kurzer Blick zurück: 1995 gründet Kornelius Schmitz Electronic Direct. Damals mit einer Handvoll mittelständischer Firmen als Kunden. Bald lässt der Handy-Boom die Nachfrage nach elektronischen Bauelementen massiv steigen. 2000 kommt Ulrich Vogel als Partner und zweiter Geschäftsführer dazu. Über die Jahre wird der Kundenkreis größer und breiter. Konzerne aus den Branchen Automotive, Luft- und Raumfahrt, Industrie und Militär werden beliefert. Schmitz: »Mittlerweile stecken diese kleinen Teile ja fast überall drin.«
»Wertschätzung macht viel aus«
Da das Unternehmen seine Mitarbeiter selbst schult und ausbildet, macht sich der momentane Fachkräftemangel im Betrieb nicht so stark bemerkbar. »Zumal unsere Leute auch die eine oder andere Extraschicht einlegen«, so Schmitz. »Wir haben ein sehr gutes und eingespieltes Team. Ich kenne jeden Mitarbeiter persönlich, nicht nur hier in Putzbrunn. Jeder ist wichtig. Diese Wertschätzung macht viel aus.«
»50:50-Betrieb«
Daran habe auch das durch die Pandemie eingeführte Homeoffice nichts geändert. Auch wenn Schmitz dem zunächst skeptisch gegenüberstand. Doch der »50:50-Betrieb«, bei dem jeder die Hälfte der Zeit zu Hause arbeitet, bewährt sich. Durch die Mischung sei eine ausgewogene Flexibilität für die Mitarbeiter entstanden, die auch von zu Hause aus effektiv arbeiten könnten. Der persönliche Austausch im Büro vor Ort sei allerdings ebenso wichtig – für den Teamspirit und für interne Abläufe.
Ein ganz anderes Problem waren laut Schmitz die zuletzt nur in geringem Umfang verfügbaren Frachtkapazitäten sowie Engstellen beim Zoll. »Das ist ein besonderes Ärgernis, wenn wir mit viel Aufwand und Einsatz schwer beschaffbares Material ab Lager bereitstellen, jedoch die Paketversender nicht pünktlich zustellen.«
Kernkompetenz: Lieferenpässe beheben
Deswegen wurden Lieferprozesse verändert und Lieferungen nach Priorität abgearbeitet. Zudem seien durch den Krieg in der Ukraine die Kosten in sämtlichen Unternehmensstrukturen gestiegen – gerade die Frachtraten. Das habe jedoch auch einen positiven Effekt gehabt: Es war der Anlass, die Beschaffungsprozesse noch weiter zu hinterfragen und zu optimieren. Die viel beklagten Lieferengpässe bereiten Electronic Direct keine Sorgen. Genau darum dreht sich ja die Kernkompetenz des Putzbrunner Unternehmens.