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Sich in Ruhe umsehen und beraten lassen: Das bietet der stationäre Einzelhandel

Der Einzelhandel ist im Umbruch, mal wieder. Wo die größten Herausforderungen der Branche liegen und wie kleine Betriebe sie erfolgreich meistern können.

Von Sabine Hölper, 5/2025

„Handel ist Wandel.“ Dieses Sprichwort galt vor knapp 70 Jahren, als die ersten Supermärkte in Deutschland eröffneten und nach und nach die Tante-Emma-Läden verdrängten. Und es gilt auch jetzt – vielleicht sogar mehr denn je. Die Bedrohung der stationären Geschäfte in den Ortszentren geht heute vor allem vom Onlinehandel aus. Der Branchenriese Amazon macht seit Jahren hohe Umsätze, hinzugekommen sind chinesische Billiganbieter wie Temu, SHEIN oder Alibaba. 

Außerdem ist Onlineshopping für die Verbraucher bequem. So konnte sich diese Sparte, insbesondere auch durch die Geschäftsschließungen und Zutrittsrestriktionen während der Corona-Pandemie befeuert, rasant entwickeln und dem stationären Handel mehr und mehr Marktanteile abnehmen. 

Onlineumsatz wächst

Laut dem Handelsverband Bayern betrug 2014 der Onlineumsatz im bayerischen Handel 6 Milliarden Euro. 2024 war es mit 12,2 Milliarden Euro schon mehr als das Doppelte. Vom gesamten Einzelhandelsumsatz in Bayern in Höhe von gut 76 Milliarden Euro macht das Onlinegeschäft heute etwa 16 Prozent aus. In Oberbayern sind die Verhältnisse ähnlich: Insgesamt setzte der oberbayerische Handel 29,4 Milliarden Euro um. Auch hier entfallen rund 16 Prozent auf den Onlinehandel, rund 84 Prozent auf die Geschäfte vor Ort. Das sind 58.000 Betriebe mit 320.000 Beschäftigten. 

Drohender Leerstand

Das Gros der Firmen ist mittelständisch, es sind aber auch viele kleine Einzelhändler darunter. Sie stellen die Versorgung sicher, bieten Alltägliches und Ausgefallenes. Sie ermöglichen Einheimischen und Touristen Shoppen mit Anprobieren, Anfassen, Fühlen, Riechen, Schmecken. Die Verkäufer bieten fachkundige Beratung. Das leistet kein Onlineshop. „Deshalb ist der stationäre Handel auch noch lange nicht tot“, sagt Peter Groten, Referent Handel bei der IHK für München und Oberbayern, „schon gar nicht im kaufkraftstarken Oberbayern.“ 

Dennoch müsse der Handel sich den Herausforderungen stellen, um nicht unterzugehen. Denn auch das ist die Wahrheit, so Groten: Die Passantenfrequenz nimmt ab, 43 Prozent der Ladeninhaber beklagen diese Entwicklung. Leerstand droht oder ist teils schon deutlich sichtbar. Die Innenstädte und Ortszentren der Gemeinden könnten in Folge veröden. Die Händler müssen sich etwas einfallen lassen, wenn sie nicht die nächsten sein wollen, die schließen müssen.

Präsent auf mehreren Kanälen

Stichwort Multichannel-Marketing: Viele setzen seit Jahren darauf, eröffnen also neben dem stationären Laden auch einen Onlineshop. So etwa Tobias Schuhmacher, vertretungsberechtigter Gesellschafter des kleinen Innkaufhauses in Wasserburg am Inn. „Es ist nicht leicht, einen Onlineshop gewinnbringend zu betreiben“, sagt er. Doch mit einem hohen Grad an Digitalisierung und einem entsprechenden Warenwirtschaftssystem gelinge es. Ferner wichtig sei die Präsenz in den sozialen Medien. „Ohne geht es nicht“, sagt er. „Sonst ist man für eine ganze Generation nicht sichtbar.“ Die Aktivitäten auf Instagram & Co. treiben aber nicht nur die Onlineabverkäufe in die Höhe, sondern auch die im Ladenlokal. „Die Leute kommen mit Screenshots herein“, sagt Schuhmacher.

Lokal verwurzelt

Außerdem kurbelt das Zusammenspiel aus einem Geschäft am Ort und einer Plattform im Netz die Umsätze an, sagt auch Steffen Seifert, Inhaber des Imkereibedarfs Imkado: „Die Mischung macht es.“ Allerdings ist Seibert den Weg andersherum gegangen. Zuerst verkaufte er seine Produkte wie Schutzkleidung oder Werkzeuge über Amazon, dann startete er einen eigenen Webshop – und erst danach, vor 2 Jahren, eröffnete er zusätzlich ein Ladenlokal in Isen. Zwar macht er rund 3 Viertel seines Umsatzes im Internet, aber die „stationäre Präsenz ist sinnvoll“, sagt er. „Man wird als lokal verwurzelter Einzelhändler wahrgenommen und erfährt wegen der Nähe zu den Kunden, was diese sich wünschen.“ Beim Ladenlokal, sei aber auch die Lage wichtig: entweder innerörtliche Premiumlage, sagt Seifert, oder – wie sein Geschäft nah an der Autobahn – verkehrsgünstig.

Aktion Innenstadt Freitag

Gemeinsam kommt man weiter: Was den Einzelhandel ebenfalls stärkt, ist seit letztem Jahr im Oberland zu beobachten: eine gemeinschaftliche Aktion von damals 8, heuer schon 11 Orten. Von Mai bis September findet in allen teilnehmenden Gemeinden jeweils einmal pro Monat der „Innenstadt Freitag“ statt, ein buntes Programm, das Einzelhandel, lokale Schulen, Kindergärten, Vereine und die Gastronomie einbindet – und somit mehr Passanten als gewöhnlich in die Zentren lockt. Initiator André Liebe ist angetan von der Zusammenarbeit der eigentlich konkurrierenden Verbände und dem Erfolg der Aktion.

Wissen, wie’s geht

Auch Claudia Zill, die ebenfalls mitmacht, ist begeistert. Ihr Mann Christian Zill ist Inhaber von Elektro Zill in Bad Wiessee. Jetzt will sich das Ehepaar den sozialen Medien öffnen, mehr Präsenz auf Instagram zeigen. Deshalb nimmt Claudia Zill ein kostenloses Weiterbildungsangebot zum digitalen Marketing der „Aktionsgemeinschaft Innenstadt“ von André Liebe an. „Ich will jetzt genau wissen, wie es geht“, sagt sie. Damit das Unternehmen auch die jungen, Social-Media-affinen Kunden gezielt ansprechen kann.

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