Fachkräfte | Standortpolitik

Für Bewerber attraktiv

Walter Glück ©
Freiraum für Fortbildung – auch das finden Fachkräfte anziehend

Weil Fachkräfte gesucht sind, ist Employer Branding für Unternehmen wichtiger denn je: Als Arbeitgeber müssen sie zeigen, wer sie sind und was sie können.

MELANIE RÜBARTSCH, Ausgabe 12/2022

Die ConSol Software GmbH beschäftigt rund 200 Mitarbeiter in Deutschland – im Grunde könnten es noch mehr sein. »Wie überall in der Branche ist der Fachkräftemangel bei uns zum Alltag geworden. Wir sind dauerhaft auf der Suche etwa nach talentierten Software-Entwicklern oder IT-Consultants«, berichtet PR-Chefin Isabel Baum.

Positionierung im War for Talents

Um sich im War for Talents gut zu positionieren, hat ConSol von Anfang an viel Wert auf sein Employer Branding gelegt. »Wir wollen und müssen nach außen zeigen, wofür wir stehen und was Bewerber erwartet«, sagt Baum. So möchte der Mittelständler sicherstellen, dass potenzielle Arbeitnehmer und Unternehmen wirklich zueinanderpassen.

Employer Branding, also die Markenbildung eines Unternehmens als Arbeitgeber, hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Auf dem aktuellen Arbeitsmarkt sind es schließlich oft die Unternehmen, die sich um die besten Mitarbeiter bewerben.

»Ein strukturierter Employer-Branding-Prozess hilft, sich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen und authentisch abzubilden, was man Bewerbern bieten kann und möchte«, sagt Sebastian John, Referent für Fachkräfte und Arbeit 4.0 bei der IHK für München und Oberbayern. Zugleich kann solch ein Prozess auch generell die Mitarbeiterbindung stärken.

Was macht uns aus?

Der Erfolg von Employer Branding hängt nicht zuletzt davon ab, ob alle Aktivitäten sinnvoll miteinander verzahnt sind: »Extern wie intern, online wie offline muss ein stimmiges Gesamtbild entstehen«, sagt John. Dafür muss ein Unternehmen zunächst einige Vorarbeit leisten. »Es geht erst einmal darum, den eigenen Markenkern zu identifizieren«, erklärt Manuela Sanmiguel, Mitinhaberin der Münchner Agentur Sanmiguel GmbH. Was macht das Unternehmen aus, was unterscheidet es von anderen Arbeitgebern? Worauf legt es Wert? Das Ergebnis ist die Basis, von der alle folgenden Maßnahmen abgeleitet werden.

»Mensch im Mittelpunkt der Unternehmenskultur«

Bei ConSol zum Beispiel hatte Geschäftsführer Ulrich Schwanengel bereits bei der Gründung den Leitsatz »Der Mensch steht im Mittelpunkt der Unternehmenskultur« geprägt. »Auf dieser Basis haben wir im Lauf der Zeit die Werte Mut, Vertrauen, Exzellenz und Klarheit als Eckpfeiler all unserer Aktivitäten und Entscheidungen definiert«, erklärt PR-Chefin Baum.

Zielgruppe kennenlernen

Neben dem eigenen Unternehmen gilt es, die gewünschte Zielgruppe kennenzulernen. Was ist den Fachkräften, die man gern für sich gewinnen möchte, wichtig? Flexibilität in Arbeitszeit und -ort sowie Nachhaltigkeit haben hier in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

»Insbesondere die junge Generation hat zudem im Zuge der verschiedenen Krisen, die wir gerade erleben, ein erhöhtes Bedürfnis nach ökonomischer Sicherheit und Sinnhaftigkeit entwickelt«, beobachtet Expertin Sanmiguel. Work-Life-Balance, Homeoffice, Bonussystem, Fortbildungen oder Entwicklungsprogramme – was ein Arbeitgeber bieten kann, muss er auch zeigen.

Kein Greenwashing

Aber Vorsicht: »Er darf nichts präsentieren oder versprechen, was er am Ende nicht halten kann«, sagt die Beraterin. Nennt sich ein Unternehmen familienfreundlich, agiert aber zum Beispiel in Sachen Teilzeitbeschäftigung eher starr, passt das nicht zusammen. Und auch ein Arbeitgeber, der sich als besonders nachhaltig ausgibt, am Ende aber nur eine Photovoltaikanlage und ein E-Auto als Belege anführen kann, gerät bei Bewerbern leicht in den Verdacht des Greenwashing.

Wenn feststeht, welche Themen und Botschaften ein Arbeitgeber transportieren und welche Mitarbeiter er im Team haben möchte, beginnt die Suche nach den richtigen Kommunikationskanälen und Recruitingmaßnahmen. Der wichtigste Kanal ist die eigene Karrierewebsite, die den Arbeitgeber charakterisiert, seine Benefits und möglichen Karrierewege präsentiert, Onlinebewerbungen ermöglicht und Ansprechpartner mit Kontaktmöglichkeit nennt. »Sinnvoll ist es, spezielle Unterseiten zu verschiedenen Zielgruppen zu kreieren – zum Beispiel für Einsteiger, Azubis, Berufserfahrene oder spezielle Berufsgruppen«, empfiehlt Sanmiguel.

Authentizität wichtig

Die sozialen Medien zielen hingegen darauf ab, die Präsenz bei der gewünschten Zielgruppe zu verstärken oder Employer-Branding-Kampagnen zu verbreiten. LinkedIn oder Facebook gelten als Kanäle, die sachlich informieren, was es Neues gibt – fachlich oder aus Sicht der Personalabteilung. Instagram liefert Schnipsel und unterhaltsame Einblicke aus dem Unternehmensalltag. Auf dem eigenen YouTube-Kanal können Interviews mit Mitarbeitenden oder kurze Dokus über aktuelle Projekte oder soziales Engagement laufen.

TikTok nutzen Unternehmen hingegen oft, um das Image zu stärken, das sie bereits auf Instagram aufgebaut haben. TikTok ist in erster Linie ein Kanal, um junge potenzielle Kandidaten – zwischen 16 und 24 Jahren – auf sich aufmerksam zu machen. Hier ist es ebenfalls enorm wichtig, sich authentisch zu präsentieren.

Der IT-Dienstleister ConSol versucht darüber hinaus, in der realen Welt bei potenziellen Bewerbern gut sichtbar zu sein. So treten Mitarbeitende des IT-Spezialisten zum Beispiel regelmäßig an Hochschulen in Erscheinung – als Mentoren bei Nachwuchsprogrammen, als Gastdozenten oder als Veranstalter von Hackathons.

Negative Bewertungen vermeiden

Im Blick haben muss ein Unternehmen schließlich, dass Menschen heute insgesamt gut vernetzt sind und sich Informationen schnell verbreiten – unter anderem auf Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu oder Glassdoor. »Dabei ist es natürlich die beste Werbung für ein Unternehmen, wenn andere Arbeitnehmer oder Bewerber etwas Positives oder zumindest nichts Negatives im Netz berichten«, sagt Sanmiguel.

Nicht nur aus diesem Blickwinkel ist nach Ansicht der Münchner Expertin ein wertschätzender Umgang mit Kollegen und Bewerbern, der Bedürfnisse wahr- und ernst nimmt, essenziell. Dazu gehöre auch ein möglichst zeitnahes und persönliches Feedback – sowohl auf eingegangene Bewerbungen als auch auf Absagen. »Wenn ich einem Bewerber erkläre, warum es diesmal noch nicht geklappt habe, stoße ich ihn nicht vor den Kopf, helfe ihm vielleicht sogar und vergrößere darüber im besten Fall sogar mein Netzwerk«, so die Beraterin.

Regelmäßige Anpassung kostet Zeit

Employer Branding ist ein laufender Prozess. Es ist nicht damit getan, die Karrierewebseite einmal aufzubauen und sich dann zurückzulehnen. »Man muss seine Maßnahmen und Botschaften regelmäßig an interne und externe Entwicklungen anpassen«, sagt Expertin Sanmiguel. Das kann jede Menge Arbeitszeit kosten. Firmen müssen daher gut ausloten, welche Manpower sie realistisch zur Verfügung haben. Danach priorisieren die Unternehmen, welche Maßnahmen sie angehen können.

Bekanntheitsgrad? Hoch!

Bei dem IT-Unternehmen ConSol etwa bindet das Employer Branding – über die einzelnen Abteilungen gerechnet – etwa zwei volle Stellen. Aus Sicht von PR-Chefin Baum hat sich das bislang ausgezahlt: »ConSol hat nach unseren Erfahrungen inzwischen als relativ kleiner Mittelständler einen überdurchschnittlich hohen Bekanntheitsgrad.« Es gingen zudem regelmäßig Bewerbungen von Kandidaten ein, die sich auf konkrete Employer-Branding-Maßnahmen beziehen. Besonders stolz ist ConSol zudem darauf, dass das Unternehmen bei Arbeitgeberwettbewerben bereits häufiger Top-Platzierungen erreicht hat.

IHK-Service zum Employer-Branding

Mehr Informationen zum Employer-Branding auf der IHK-Webseite über Recruiting

Checkliste für Employer Branding

Wie werden Unternehmen zum attraktiven Arbeitgeber? Und wie präsentieren sie ihre Vorzüge am besten? Employer-Branding-Expertin Manuela Sanmiguel rät Firmen zu folgenden Schritten:

  • Identität – klar und deutlich definieren, wofür das Unternehmen als Arbeitgeber steht. Was ist der Firma wichtig und was den Mitarbeitern? Unternehmen können ihren Markenkern als Kompass nutzen, der den Weg zu geeigneten Kommunikationsmaßnahmen weist.
  • Insights – die aktuellen und die künftigen Mitarbeiter richtig kennenlernen. Welche Beschäftigten möchte das Unternehmen haben und wie sehen deren Bedürfnisse aus?
  • Blick nach innen – regelmäßige Mitarbeiterbefragungen und -gespräche führen. Ideenmanagement oder das Erfragen von Absagegründen von Bewerbern bringt wichtige Erkenntnisse, wie Fachkräfte das Unternehmen sehen.
  • Blick nach außen – Wettbewerbssituation analysieren. Welches Image haben Konkurrenten und warum?
  • Transparenz – die reale Arbeitswelt authentisch darstellen und die Unternehmensvision und -mission plakativ präsentieren. Das bildet die Grundlage der Positionierung als Arbeitgebermarke. Wichtig: nichts präsentieren, was man nicht halten kann, und nur Bilder oder Filme einsetzen, die den Alltag im Unternehmen realistisch und nicht gestellt zeigen.
  • Information – konkrete Stellenbeschreibungen sowie Hinweise zum Bewerbungsprozess angeben. Auch Informationen zu Nachhaltigkeit, gesellschaftlicher Verantwortung oder Work-Life-Balance auf der Karriereseite zeichnen ein genaueres Jobbild. Wichtig: Auch die aktuellen Mitarbeiter up to date halten.
  • Interaktivität – speziell für das Recruiting Module zur Onlinebewerbung, Videos oder Self-Assessments anbieten. Ansprechpartnern im Unternehmen mit Foto, Telefon und Chat ein Gesicht geben. Bewerber sollten es so einfach wie möglich haben.
  • Social Media – auf den gleichen Plattformen präsent sein, auf denen sich die Zielgruppe – Bewerber und aktuelle Mitarbeiter – aufhält. Die sozialen Medien nutzen, um imagefördernde Kampagnen zu fahren und das Profil als Arbeitgeber zu schärfen.
IHK-Veranstaltungstipp: Fachkräfte finden, binden, qualifizieren

Wie sind Unternehmen bei der Suche nach Auszubildenden und Fachkräften erfolgreich? Wie lassen sich Mitarbeiter mit Qualifizierungsbedarf weiterbilden? 
Die IHK für München und Oberbayern und die Bundesagentur für Arbeit Traunstein bieten dazu eine dreiteilige Onlineveranstaltungsreihe unter dem Titel »Mitarbeiter gewinnen und qualifizieren« an. 
Termine: 17. Januar 2023, 7. Februar 2023, 28. Februar 2023, jeweils 15.30–17 Uhr, online
Anmeldung: www.ihk-muenchen.de/fachkraeftegewinnung

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