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Weniger Handy, mehr draußen

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Große Gesundheitsgefahr – Stress am Arbeitsplatz

Mental stark zu sein hilft auch, unternehmerische Herausforderungen besser zu bestehen. Welche Strategien gegen Überlastung, Stress und psychischen Krankheiten schützen.

Von Sabine Hölper, 3/2025

Seit zehn Jahren meditiert Sigrid Hauer, Inhaberin der EBH GmbH in München, regelmäßig. Sie beginnt jeden Tag mit 45 Minuten Meditation und Yoga. Ein- bis zweimal pro Jahr nimmt sie zudem an 2-wöchigen Meditationsretreats im In- und Ausland teil. „Die Übungen führen dazu, dass ich entspannt bin und mich nicht mehr so gestresst fühle wie früher manchmal“, sagt sie.

Unternehmer haben viel Verantwortung, unzählige Aufgaben und lange Arbeitstage. Jene, die als Soloselbstständige oder mit nur einer sehr kleinen Belegschaft arbeiten, oft umso mehr. Denn sie können weniger delegieren. All dies kann Stress auslösen. Kommen private Belastungen hinzu, potenziert sich der Stress. Außerdem können allgemeine Krisen wie die schlechte Wirtschaftssituation, die aktuelle Weltlage oder der Klimawandel dazu führen, dass die Stimmung ins Negative kippt.

Infoflut als Stresstreiber

Nicht zuletzt treibe die Informationsflut die Menschen in den Burnout und andere psychische Erkrankungen, sagt Ulrike Stefanowski, Ärztin und Inhaberin des Beratungsunternehmens InSano in Hohenschäftlarn. „24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche am Handy zu sein und dann auch noch überwiegend mit schlechten Nachrichten konfrontiert zu werden, gefährdet die mentale Gesundheit immens.“

Angriff auf das Wohlbefinden

Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert mentale Gesundheit als einen Zustand des Wohlbefindens – und hält Stress schon lange für eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. Die aktuellen Zahlen der Krankenkassen bestätigen, dass es um die psychische Gesundheit eher schlecht steht. So haben sich laut DAK Psycho Report 2024 in den vergangenen zehn Jahren Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden um mehr als 50 Prozent erhöht. Inzwischen liegen sie auf Platz 3 der Erkrankungsgruppen, die die meisten Ausfalltage in der Berufswelt verursachen.

Sichtbar werden mangelnder Stressabbau und psychische Belastungen auch durch Symptome wie Muskelverspannungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Beeinträchtigungen des Herz-Kreislaufsystems bis hin zu Erschöpfung, Niedergeschlagenheit und vieles mehr.

Das Handy ausschalten

Irgendwann im Tunnel festzustecken, das kann auch Unternehmern passieren. Wie können Sie sich schützen? Laut Stefanowski ist digitaler Konsumverzicht beziehungsweise -kontrolle der erste wichtige Schritt zur mentalen Gesundheit. „Man sollte das Mobiltelefon öfter mal ausschalten, sich überlegen, zu welchen Zeiten man erreichbar sein möchte und zu welchen nicht.“ Das sei anfangs schwierig. Denn schließlich gebe jede neue Nachricht einen Dopaminschub, sagt Stefanowski. „Das Signal lautet: Ich werde gebraucht.“ Es stresst aber eben auch.

Aktiv Pausen schaffen

Darüber hinaus gibt es weitere erprobte Methoden, die beim Stressabbau unterstützen: „Das fängt damit an, morgens erst einmal rauszugehen, um die Müdigkeit abzuschütteln“, sagt Stefanowski. Der Mensch brauche in der Früh Licht, um das Schlafhormon auszuspülen und fit in den Tag starten zu können.

Außerdem hilft: sich Zeit nehmen und feststellen, was beruflich und privat die größten Stressfaktoren sind. Dazu bewusst Lösungen suchen, zugleich aktive Entspannung etwa in Yoga oder Meditation finden, bewusste Pausen und Auszeiten einlegen, die Natur und Orte, die gut tun, aufsuchen, Sport und regelmäßige Bewegung einplanen, ausreichend schlafen. Wer dabei Unterstützung von Mental-Health-Apps-braucht, solle sie verwenden. Wenngleich, warnt Stefanowski, solche Apps für die Handy-Reduzierung eigentlich wieder kontraproduktiv sind ...

Fürsorge und Vorsorge – auch für Mitarbeitende

Selbst wenn Unternehmer nur einen oder wenige Angestellte beschäftigen: Sie haben eine Fürsorgepflicht. „Das heißt auch, dass sie die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden im Blick haben sollten“, sagt IHK-Arbeitskräfteexperte Tobias König. Die Arbeitswelt wird immer komplexer, der Wettbewerb härter und der Druck größer. „Der Unternehmenserfolg hängt daher mehr denn je von der Leistungsfähigkeit und Motivation der Mitarbeitenden ab. Zumal Krankheit viel mehr kostet als Prävention“, so König. Die mentale Gesundheit der Beschäftigten lässt sich so fördern:

  • Transparente Unternehmensführung: Basis für die Gesundheitsförderung ist ein offener, transparenter Umgang mit den Beschäftigten. Sie müssen über alles Wichtige informiert sein, Gehör beim Chef finden, ihre Fragen sollten beantwortet werden.
     
  • Werteorientierung: Wesentlich ist zudem, ein gemeinsames Wertesystem auszuhandeln, und konsensfähige Regeln, die jeder mitträgt, zu verabreden. Zum Beispiel: faires Miteinander, sofortige Benennung von Problemen, Pünktlichkeit, aber auch keine E-Mails nach 20 Uhr oder im Urlaub.
     
  • Feedbackrunden: Es gilt, in regelmäßigen Abständen zu besprechen, was in der Vergangenheit gut gelaufen ist. „Dopamin im Team“ nennt es Expertin Stefanowski. Zugleich sollte aber auch thematisiert werden, was weniger gut lief und vor allem, wie es sich verbessern lässt.
     
  • Konkrete BGM-Angebote: Die Mitarbeitenden zu animieren, auf sich zu achten, Sport zu treiben oder sich zu entspannen dafür Angebote zu machen, gehört ebenfalls zu den Fürsorgeaufgaben.
     
  • Digitale Unterstützung: Es gibt zahlreiche digitale Angebote, die Unternehmen beim betrieblichen Gesundheitsmanagement und auch bei der Stärkung der mentalen Gesundheit unterstützen. Diese eigenen sich gerade für kleinere Unternehmen oft gut.
     
  • Coachings und Kurse: Nicht zuletzt kann es sich lohnen, einen Coach zu buchen, der den Mitarbeitern (und Unternehmern) beibringt, wie sie stark und resilient bleiben. Unternehmen sollten hier prüfen, inwieweit Krankenkassen sich an den Kosten beteiligen oder welche steuerliche Förderung möglich ist.

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Raus aus unpassenden Rollen

Was ebenfalls zählt: Man sollte laufend überprüfen, ob die Arbeit und das Leben mit dem eigenen Wertesystem übereinstimmen. Tun Menschen dauerhaft Dinge, die sie nicht als sinnstiftend und befriedigend ansehen, werden sie schnell unzufrieden, gereizt, fühlen sich gestresst. Gleiches passiert, wenn sie in Rollen gefangen sind, die sie sich nicht gewünscht haben, sondern in die sie hineingerutscht sind oder die ihnen von außen übergestülpt wurden. Das gilt beruflich wie privat.

Wohltuende Orte aufsuchen

Unternehmerin Hauer fühlte sich mehr und mehr gestresst, als sie ihren kranken Vater pflegte, aber auch, als sie ihre Firma vergrößerte und vier Mitarbeiter einstellte. Sie musste feststellen, dass ihr das über den Kopf wuchs. „Meldete sich ein Mitarbeiter krank, musste ich einspringen“, sagt Hauer. Also hat sie sich wieder verkleinert, beschäftigt heute lediglich ihre Tochter in Teilzeit. Während der Coronapandemie hat sie noch einen weiteren Schritt für ihre Resilienz getan: Sie hat ihren privaten Lebensmittelpunkt in die alte Heimat an den Bodensee verlegt: „Hier schaue ich statt auf Häuser in die Weite, das tut mir sehr gut.“

IHK-Workshop: „Psychologische Sicherheit im Unternehmen – Schlüssel zu Mitarbeiterbindung und Innovation“

Gemeinsam mit der Initiative Predictive People Analytics der LMU München veranstaltet die IHK für München und Oberbayern den Workshop „Psychologische Sicherheit im Unternehmen – Schlüssel zu Mitarbeiterbindung und Innovation“. Neben praxisorientierten Handlungsempfehlungen, Strategien und Tools wird Raum für Praxisbeispiele aus Unternehmen und der Erfahrungsaustausch geboten.

Wann: Donnerstag, 27. März 2025, 9–12.30 Uhr
Wo: IHK für München und Oberbayern, Max-Joseph-Straße 2, 80333 München
Anmeldung hier.

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