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Klimaschutz und Energie – neue Konzepte sind gefragt

Klimaneutrale Energieträger aus Biomasse und Ladesäulen mit integrierten Batteriespeichern – die Sieger des Wettbewerbs Energie Start-up Bayern 2022 überzeugen mit zukunftsträchtigen Ideen.

JOSEF STELZER, Ausgabe 01/2023

Gesucht sind wegweisende Neuerungen. Der Wettbewerb Energie Start-up Bayern prämiert alle zwei Jahre kluge Konzepte, die beim Klimaschutz helfen und einen Beitrag zur Sicherung der Energiezukunft des Freistaats leisten. Durchgeführt wird er vom Bayerischen Wirtschaftsministerium zusammen mit zahlreichen Partnern.

»Die diesjährigen drei Gewinner sind mit ihren innovativen Lösungen leuchtende Vorbilder«, urteilt IHK-Energieexperte Norbert Ammann. »Ihre Neuerungen zeigen vielversprechende Wege für die Energieversorgung auf und helfen dabei, die klimaschädlichen CO2-Emissionen zu reduzieren.« Wir stellen die Unternehmen und ihre prämierten Ideen auf den folgenden Seiten vor.

Mehr Informationen zum Wettbewerb "Energie Start-up Bayern hier.

Reverion: Mehr Effizienz für Biogasanlagen

»Wir erreichen bei der Stromerzeugung einen elektrischen Wirkungsgrad von 80 Prozent gegenüber konventionellen Gasmotoren, die nur 40 Prozent schaffen, erzielen also die doppelte Leistung«, verspricht Geschäftsführer Stephan Herrmann (37). Möglich macht das ein Mikrokraftwerk, das elektrischen Strom aus Biogas mittels Brennstoffzellen produziert. Eine Pilotanlage wird 2023 im oberpfälzischen Waldmünchen installiert. Das System bietet neben der Stromproduktion die Möglichkeit, überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien zur Gewinnung von Methan aus Biogas zu verwenden.

Hintergrund dieser Variante: Wenn in den Sommermonaten gerade sehr viel Strom aus Photovoltaik (PV) zur Verfügung steht, kann es sein, dass die Netzbetreiber große PV-Anlagen drosseln oder abschalten, um eine Überlastung der Stromnetze zu vermeiden. Die Reverion-Anlagen könnten hier für Abhilfe sorgen.

»Weil wir überschüssigen PV-Strom zur Methanerzeugung nutzen können, werden Eingriffe der Netzbetreiber seltener oder womöglich ganz überflüssig«, so Herrmann. Das brennbare Methan wiederum eignet sich für die Einspeisung in die Erdgasnetze oder ist zur Wärmeerzeugung nutzbar.

Potenzielle Kunden gibt es reichlich, so der promovierte Maschinenbauingenieur: »Im Grunde kommen alle Biogasanlagen für unser System infrage, allein in Deutschland sind es rund 9.700.«

blueFLUX Energy: Wasserstoff aus Bioabfällen

Das Unternehmen blueFLUX Energy überzeugte die Jury mit einem Verfahren zur Herstellung klimaneutraler Energieträger. Auf Basis organischer Reststoffe etwa aus Landwirtschaft, Kommunen oder Industriebetrieben lassen sich damit vor allem grüner Wasserstoff und grünes Synthesegas, aber auch weitere klimaneutrale Energieträger wie etwa synthetische Kohle, Biomethanol oder Biomethan erzeugen. Der produzierte Wasserstoff kann fossile Energieträger in vielen Bereichen ersetzen, zum Beispiel in der Wärmeerzeugung, im Verkehr oder in der Industrie.

Biomasse als Ausgangsstoff

Die blueFLUX-Anlagen verwerten Biomasse, die üblicherweise aus Grünschnitt, Gülle, Mist und anderen organischen Reststoffen oder aus dem Klärschlamm der kommunalen Abwasseranlagen besteht. Auch biogener Abfall aus der Gastronomie, Produktionsreste aus der Lebensmittelindustrie oder abgelaufene Lebensmittel aus Supermärkten samt Kunststoffverpackungen werden eingesetzt. Derzeit sind zwei Testanlagen im Dauerbetrieb. »Unser Ziel ist die Bereitstellung von grüner, CO2-neutraler Energie aus der Region und für die Region«,sagt Vorstand Hubert Kohler (53), der im Landkreis Weilheim-Schongau eine Wasserstoff-Modellregion initiieren will. Das oberbayerische Start-up, eine Ausgründung der Peißenberger Holzner Druckbehälter GmbH, kooperiert bei der Produktentwicklung unter anderem mit Forschungseinrichtungen wie dem Augsburger bifa Umweltinstitut.

Die Herstellung des grünen Wasserstoffs (H2) aus organischen Reststoffen verläuft in mehreren Schritten in einer Reihe von chemischen Reaktionen. Dabei entsteht auch Kohlendioxid, das ursprünglich in den Abfällen gebunden war und das somit ebenfalls als klimaneutral einzustufen ist. Bei der H2-Produktion bleibt am Ende nur Asche übrig, die sich je nach Ausgangsmaterial entweder als Dünger nutzen lässt oder entsorgt wird.

Deutlicher Kostenvorteil

Landwirtschaftliche Betriebe, Industrieunternehmen und kommunale Kläranlagenbetreiber könnten durch die Anlagen in mehrfacher Weise profitieren. »Gegenüber der klassischen Elektrolyse verbraucht unser System deutlich weniger Strom. Ein weiterer Vorteil liegt in der Entsorgung und der gleichzeitigen Verwertung von wertvollen organischen Reststoffen«, sagt Prokurist Ulrich Mach (39) und rechnet vor: »Die Produktionskosten belaufen sich mit unserer Anlage auf zwei bis drei Euro je Kilogramm Wasserstoff, im Vergleich zur Elektrolyse erzielen wir damit einen deutlichen Kostenvorteil.«

»Markt schier unendlich groß«

Alternativ zur Wasserstoffherstellung eignen sich die Anlagen auch zur Produktion von synthetischer Kohle, die in der Industrie bei der Kohlestaubfeuerung oder Kohlenverstromung als klimafreundlicher Ersatz für fossile Braun- und Steinkohle zum Einsatz kommen kann. Die patentierte Technik wird in Containern untergebracht und arbeitet weitgehend automatisiert, die Fernwartung lässt sich per Internet durchführen. Zu den potenziellen Kunden gehören Entsorger, Betreiber von Biogasanlagen, beispielsweise aus der Entsorgungs- und Lebensmittelindustrie, landwirtschaftliche Betriebe sowie Kläranlagenbetreiber, die mit den blueFLUX-Anlagen synthetische Kohle oder ihren eigenen klimaneutralen Wasserstoff herstellen können. Kohler: »Für unser System gibt es eine Vielzahl von Anwendungsbereichen, der Markt ist schier unendlich groß.«

Numbat: Aufladen mit Ökostrom

Für seine integrierte Schnellladesäule mit zwei Ladepunkten samt stationärem Batteriespeicher wird das Start-up Numbat ausgezeichnet. Das Besondere: Die in den Ladesäulen eingebauten Speicher lassen sich mit Ökostrom aus erneuerbaren Energien permanent aufladen.

Die Geschäftsführer Maximilian Wegener (38) und Martin Schall (35) planen nun, die Schnellladesäulen auf den Parkflächen der Einzelhandelskette tegut aufzustellen. Vorgesehen ist, die Mehrzahl der Filialen mit bis zu fünf Numbat-Systemen auszustatten. Schall ist überzeugt: »Mit dem dritten Platz bei dem Start-up-Wettbewerb können wir unseren Bekanntheitsgrad hier in der Region weiter ausbauen.«

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