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Fachkräfte nach Maß

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Fachkräfte sind rar – gezielte Weiterbildung von vorhandenem Personal kann helfen

Unternehmen können Mitarbeiter und Quereinsteiger mit Fortbildungen passgenau qualifizieren. Wofür die Arbeitsagentur finanzielle Zuschüsse gibt.

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 12/20

Mit rund 1.600 Beschäftigten – davon 900 am Stammsitz Schönbrunn – gehört die Franziskuswerk Schönbrunn gGmbH (FWS) zu den größten Arbeitgebern im Landkreis Dachau. Rund 850 Menschen mit Assistenzbedarf nehmen die Wohn- und Arbeitsangebote von FWS in Anspruch. Zudem bietet die Einrichtung für Behinderte weitere ambulante Services, etwa eine Frühförderstelle. Dass viele engagierte Mitarbeiter notwendig sind, um ein solches Angebot zu schultern, versteht sich von selbst.

Daher steht das Unternehmen vor einigen Herausforderungen. Denn Einrichtungen in der Eingliederungshilfe müssen gesetzliche Fachkraftquoten erfüllen. »Doch Fachkräfte sind rar«, sagt Ausbildungskoordinatorin Jennifer Kapferer. Das Unternehmen habe aber »viele Hilfskräfte, die schon lange bei uns arbeiten, also bereits über Praxiserfahrung verfügen, sowie eine eigene Akademie, in der Fach- wie Hilfskräfte in unterschiedlichen Berufen ausgebildet werden können«, so die 37-Jährige. »Da bietet es sich natürlich an, dass wir sie selbst qualifizieren.«

Interner Weiterbildungsaufruf »zur Fachkraft«

Anfang 2020 starteten Kapferer und ihr Team den internen Weiterbildungsaufruf »Von der Hilfskraft zur Fachkraft«. Vier Fortbildungen standen zur Auswahl: Pflegefachfrau/-mann (dreijährig), Pflegefachhelfer/in (ein Jahr) sowie Heilerziehungspfleger/in (zwei-/dreijährig) und Heilerziehungspflegehelfer (ein Jahr).

»Die Resonanz war enorm, 30 Bewerbungen gingen ein«, so die Projektverantwortliche. Mittlerweile durchlaufen 22 Personen eine der Ausbildungen, die meisten sind zwischen 30 und 55 Jahre alt. Dass so viele gleichzeitig qualifiziert werden können, hat auch mit der Unterstützung der Arbeitsagentur Dachau zu tun. Sie hat das FWS beraten und steuert im Rahmen des Programms WEITER.BILDUNG! der Bundesagentur für Arbeit (früher: »Fortbildung Beschäftigter«) beachtliche Zuschüsse zum Arbeitsentgelt bei – als Lohnausgleich für diejenigen, die wegen ihrer Qualifizierungsmaßnahme nicht Vollzeit arbeiten können.

»Viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind schon lange bei uns und wollen zur Praxis endlich die Theorie lernen, sich nachweislich inhaltlich weiterbilden und neue Perspektiven schaffen«, so Kapferer. Damit ergebe sich ein Mehrwert für alle Beteiligten: »Denn wir bekommen so hoch motivierte, qualifizierte Fachkräfte und stärken gleichzeitig unsere Personalbindung.« Parallel erhielten die Teams, in denen die fortgebildeten Beschäftigten arbeiten, neue Impulse.

Qualifizierungsoffensive

»Strukturwandel, Digitalisierung, demografische Entwicklung – Weiterbildung ist für Unternehmen ein notwendiges Mittel, um in diesen Zeiten des Umbruchs und des Fachkräftemangels qualifiziertes Personal zu bekommen«, betont Sebastian John, Referent für Fachkräfte und Zukunft der Arbeit bei der IHK für München und Oberbayern. Firmen sollten daher prüfen, ob für sie die Qualifizierungsoffensive WEITER.BILDUNG! infrage kommt. »Das Besondere: Sie steht seit 2019 nicht nur Geringqualifizierten und Älteren, sondern allen Beschäftigten offen. Die Höhe der Zuschüsse zu den Lehrgangskosten und zum Arbeitsentgelt ist dabei abhängig von der Unternehmensgröße«, erläutert John.

Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass die Unternehmen für ihre Beschäftigten eine Weiterbildung von mehr als 120 Unterrichtseinheiten anstreben. »Auch ist beispielsweise vorab zu prüfen, ob der jeweilige Maßnahmeträger förderfähig ist«, sagt Yvonne Diel-Rambeau (53), Fachberatung Fortbildung Beschäftigter bei der Arbeitsagentur in Dachau. Außerdem würden in der Regel nur Arbeitnehmer gefördert, deren letzte Ausbildung mindestens vier Jahre zurückliegt.

Mehrere Quereinsteiger en bloc gefördert qualifizieren

»Am einfachsten ist es, wenn sich interessierte Unternehmerinnen und Unternehmer frühzeitig bei ihrer zuständigen Arbeitsagentur melden, um zu besprechen, welche Qualifizierungsvorhaben sich wie realisieren lassen und wie sich die Antragstellung zeitnah erledigen lässt«, rät Diel-Rambeau.
In engem Austausch mit der Agentur ist es mitunter auch möglich, mehrere Quereinsteiger en bloc gefördert zu qualifizieren und so komplexe Lösungen zu realisieren – so wie bei den Stadtwerken Dachau.

Die Stadtwerke führen auf einigen Buslinien einen Zehn-Minuten-Takt ein und haben daher einen hohen Bedarf an zusätzlichen Fahrern. »Das hatten wir bei einem Pressetermin im Herbst 2019 kommuniziert«, erinnert sich Reinhard Dippold (57), Abteilungsleiter Verkehrsbetrieb. »Daraufhin kam eine Mitarbeiterin der Arbeitsagentur auf uns zu, die vorschlug, gemeinsam die Personalsuche anzugehen und Fördermöglichkeiten zu prüfen.« Dippold formulierte detailliert seinen entsprechenden Bedarf. Die Arbeitsagentur wählte unter den bei ihr gemeldeten Bewerbern aus, wer fachlich wie gesundheitlich für den Job als Busfahrer im Linienverkehr geeignet sein könnte.

Mehr als 40 Leute kamen in die engere Wahl – von der Reinigungskraft bis zum Universitätsabsolventen, dessen Abschluss aus Syrien hierzulande nicht anerkannt wird. Mit allen führte der Abteilungsleiter Personalgespräche, die meisten empfahlen sich für den Job.

Einstellungszusagen und Bildungsgutscheine

Mit Blick auf die Bewerber – das Gros zwischen 40 und 60 Jahre alt und alle mit unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen – kristallisierten sich zwei Arten der Umschulung samt Fördermöglichkeiten heraus: »Den meisten gaben wir eine Einstellungszusage, wenn sie ihren Führerschein bestanden haben. Um diesen zu machen, erhielten sie jeweils einen Bildungsgutschein der Arbeitsagentur«, so Dippold. Ein paar Bewerber stellten die Stadtwerke direkt als Helfer ein. Sie konnten ihren Führerschein ebenfalls über einen Bildungsgutschein erwerben. Für diesen Zeitraum erhielten die Stadtwerke als Arbeitgeber entsprechend Zuschüsse als Lohnersatz.

8 von 10 Bewerbern angestellt

»Über 80 Prozent haben bestanden und sind jetzt bei uns angestellt«, bilanziert Dippold. Auch die Reinigungskraft, bei der anfangs die Sorge bestand, sie könnte wegen ihrer Sprachkenntnisse scheitern, schaffte alle Prüfungen. »Diese Erfolgsgeschichten sind besonders schön«, sagt er. »Die Menschen freuen sich, eine solche Chance bekommen zu haben und beweisen zu können, dass es sich lohnt, in sie und ihre Fähigkeiten zu vertrauen.«

IHK-Service

Noch mehr Informationen zur Initiative WEITER.BILDUNG! der Bundesagentur für Arbeit sowie zu weiteren Förderangeboten wie Aufstiegsstipendium, Meisterbonus oder Bildungsprämie gibt es auf der IHK-Webseite.

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