Fachkräfte | Standortpolitik

Viele Gäste, wenig Personal

Platzl Hotels ©
Employer Branding mit Surfbrett – mit Mitarbeitern und deren Hobbys wirbt PlatzlHotellerie um neues Personal nach dem Motto »Was du kannst, macht uns noch besser«

Das Stammpersonal in Gastronomie und Hotellerie ist zwar trotz Lockdowns während der Pandemie größtenteils an Bord geblieben. Dennoch kämpft die Branche gegen Fachkräftemangel – mit bewährten und neuen Strategien.

EVA ELISABETH ERNST, Ausgabe 07-08/2022

Endlich wieder Gäste im Hotel, im Restaurant und in der Bar: Christopher Riemensperger, geschäftsführender Gesellschafter der Hotel Olymp GmbH & Co. KG, ist ausgesprochen froh darüber, dass die Geschäfte nach den langen coronabedingten Schließungen nun wieder rasant anziehen. »Vor allem die Übernachtungen von Tagungs- und Messegästen steigen stark«, berichtet er. Ein weiterer Grund zur Freude: Der Großteil seines Teams, das derzeit ohne Azubis aus 32 Beschäftigten besteht, hielt ihm die Treue.

Nachholeffekte nach Corona

Nicht nur im Hotel Olymp geht es aufwärts. Die Tourismusbranche insgesamt schätzt ihre Geschäftsaussichten deutlich positiv ein, wie der aktuelle BIHK-Konjunkturindex zeigt. Überall gibt es Nachholeffekte, die Zahl der Buchungen zieht an. Allerdings hat die Coronakrise Spuren hinterlassen. Manche Mitarbeiter sind in andere Branchen abgewandert, nicht alle kehren zurück. Hinzu kommt, dass viele Betriebe schon vor der Pandemie auf der Suche nach Personal waren. Wie also können Firmen neue Fachkräfte finden und bewährte Beschäftigte an sich binden?

Videos, um Kontakt zu halten

Gute Mitarbeiter halten – das sah Hotelier Riemensperger auch schon vor Corona als eine seiner Hauptaufgaben. Während der Pandemie zahlte er Voll- und Teilzeitkräften den Coronabonus und hielt Kontakt zu ihnen. »Ich habe unter anderem Videos davon gedreht, wie es bei uns während der Schließungszeiten aussah«, erinnert er sich.

»Arbeitsmarkt ist leer gefegt«

Da für Aushilfskräfte kein Kurzarbeitergeld bezahlt wird, hatte Riemensperger Verständnis dafür, dass sich die 450-Euro-Kräfte während der Pandemie neue Jobs suchten. »Momentan beschäftigen wir nur zwei Aushilfen, vorher waren es zu Spitzenzeiten bis zu sechs«, sagt er. »Doch egal, ob Aushilfe, Azubi oder Fachkraft: Wir finden derzeit keine geeigneten Mitarbeiter. Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt.« Auch Outsourcing helfe nicht weiter: Das vom Hotel Olymp beauftragte Reinigungsunternehmen kann seinen Vertrag derzeit nicht erfüllen – wegen Personalmangels.

Kreative Lösungen zur Entlastung

»Wir improvisieren, teilen die vorhandenen Mitarbeiter sehr flexibel ein und lassen ihre Arbeitszeitkonten volllaufen«, sagt Riemensperger. Zur Entlastung setzt er auch auf kreative Lösungen: So erhalten Gäste, die auf die tägliche Zimmerreinigung verzichten, ein Freigetränk an der Bar. Die Aktion kommt bei den Gästen sehr gut an, der Entlastungseffekt hält sich jedoch in Grenzen: Im Schnitt bleiben die Gäste im Hotel Olymp nur 1,7 Nächte.

Dass in diesem Jahr fünf der sieben Azubis ihre Ausbildung abschließen und an Bord bleiben werden, bezeichnet Riemensperger als Hoffnungsschimmer. »Natürlich werden sie sich früher oder später auch in anderen Betrieben umschauen wollen und uns verlassen«, sagt er. Aber er bemühe sich darum, den Kontakt zu allen ehemaligen Mitarbeitern aufrechtzuerhalten, damit sie vielleicht eines Tages wieder ins Hotel Olymp zurückkommen.

Gesamtpaket für »emotionale Heimat«

»Bei uns stimmt das Gesamtpaket und es herrscht eine familiäre Atmosphäre. Wir bieten unseren Mitarbeitern Fortbildungen und greifen auch gern ihre Ideen auf«, sagt Riemensperger. »Darüber hinaus besuchen wir alle zusammen den Gastro-Frühling, quasi das Volksfest unserer Branche, es gibt ein Sommerfest und eine Weihnachtsfeier für das Team. Wir arbeiten und wir feiern gern zusammen.«
Dass die »emotionale Heimat«, die erfolgreiche Hoteliers und Gastronomen ihren Mitarbeitern bieten, einen wesentlichen Bestandteil ihrer Attraktivität als Arbeitgeber bildet, betont Susanne Droux, die als Geschäftsführerin beim Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA für Berufsbildung und Branchenförderung verantwortlich ist.

»Aber auch die Chance, weltweit zu arbeiten und bereits in jungen Jahren Verantwortung zu übernehmen, zählt zu den großen Vorteilen unserer Branche.« Darüber hinaus sei es durchaus sinnhaft, Menschen in ihrer Freizeit etwas Gutes zu tun, ihnen Lebensqualität und Genuss zu bieten. »Das Gastgewerbe ist vielschichtig und eröffnet Menschen in den verschiedensten Lebenssituationen viele berufliche Chancen«, so Droux.

Normale Abschmelzung ohne neue Rekrutierung

Sie betont, dass es in den Coronajahren und den damit verbundenen Betriebsschließungen erstaunlicherweise zu keiner überdurchschnittlichen Fluktuation im Gastgewerbe gekommen sei. »Dazu hat natürlich auch das Kurzarbeitergeld einen sehr wichtigen Beitrag geleistet.« Auf rund zehn Prozent beziffert Droux den Rückgang bei den Voll- und Teilzeitkräften. »Das war die ganz normale Abschmelzung von Mitarbeitern, die in Rente gegangen oder in andere Branchen gewechselt sind.« Allerdings konnten während der Lockdowns und Kurzarbeit keine neuen Mitarbeiter rekrutiert werden, was den Fachkräftemangel, den es bereits vor Corona gab, verschärft habe.

Dies bestätigt Jürgen Schmude (66), wissenschaftlicher Leiter des Bayerischen Zentrums für Tourismus (BZT) sowie Präsident der deutschen Gesellschaft für Tourismuswirtschaft. Ihm lagen zu Redaktionsschluss zwar noch keine Zahlen aus dem vergangenen Jahr vor. »Aber ich gehe davon aus, dass sich die Situation 2021 nicht anders entwickelt hat als im Jahr davor – und hier hat eine Studie des BZT gezeigt, dass es zumindest bei den Voll- und Teilzeitkräften zu keinen großen Veränderungen jenseits der üblichen Fluktuation gekommen ist.«

Weniger ausländische Arbeitnehmer

Allerdings belege die BZT-Studie, dass der Anteil ausländischer Arbeitnehmer, die 2020 aus dem touristischen Arbeitsmarkt ausgeschieden sind, überproportional hoch war. »Und der Großteil dieser Arbeitnehmer ist bislang auch nicht wiedergekommen.«

Wegfall vieler 450-Euro-Kräfte 

Dramatischer, so Schmude weiter, sei die Situation bei den 450-Euro-Kräften: »Hier ist 2020 ein starker Anstieg der Zahl der aus dem Arbeitsmarkt ausscheidenden Arbeitskräfte zu beobachten.«

»Schere wird kleiner«

Laut Schmude ist das Lohnniveau im Gastgewerbe im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren im unteren Bereich angesiedelt. »Aber wie die Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, holt die Tourismusbranche auf, die Schere wird kleiner.« Angesichts des allgemeinen Wettbewerbs um Arbeitskräfte finde offenbar ein Umdenken statt. »Die Erhöhung des Mindestlohns wird die Attraktivität von Jobs im Tourismus weiter erhöhen – allerdings müssen dann auch die Verbraucher akzeptieren, dass die Dienstleistungen teurer werden«, so Schmude.

Employer Branding für Aufbau Arbeitgebermarke

Um Fachkräfte im Gastgewerbe zu gewinnen, empfiehlt DEHOGA-Geschäftsführerin Droux Employer Branding, also den Aufbau einer Arbeitgebermarke. Dazu gehört es, Angebote und Leistungen für die Mitarbeiter professionell darzustellen – auch auf der Website und in Social Media. »Eine der wichtigsten Maßnahmen ist und bleibt jedoch die Ausbildung von Nachwuchskräften«, sagt Droux.

»Qualität setzt sich durch – das gilt auch für Arbeitgeber«

»Qualität setzt sich durch – das gilt auch für Arbeitgeber«, so die Erfahrung von Nina Mahnke (39), Leiterin Personal- und Qualitätsmanagement bei der Platzl Hotel Inselkammer KG. Das Unternehmen betreibt neben dem Platzl Hotel in der Münchner Innenstadt das Boutique Hotel Marias Platzl in der Au sowie das Restaurant Pfistermühle, die Wirtshäuser Ayinger am Platzl, Ayinger in der Au, die Josefa Bar & Kaffee sowie die Außenbar Karree Boden & Bar. Von den rund 160 Vollzeitstellen in den Betrieben sind derzeit rund zehn Prozent nicht besetzt. »Damit sind wir gut durch Corona gekommen«, sagt Mahnke. Personalnot und Fachkräftemangel seien im Gastgewerbe allerdings keine pandemiebedingte Ausnahmesituation, sondern die Norm. »Wir halten aber nichts davon, deswegen im Jammertal zu versinken, sondern kämpfen um Talente.«

Im Februar und März 2021 konnten die Platzl Hotels sogar mehr Azubis und Studierende für die duale Berufsausbildung einstellen als geplant. Die Aushilfskräfte sind auch hier während der Pandemie abgesprungen. »Aber wir rekrutieren jetzt neu – und es läuft sehr gut«, sagt Mahnke. Dadurch lasse sich auch der aktuelle Hochzeitsboom bewältigen, der in der Eventlocation viel Personal binde.

Motto: »Was du kannst, macht uns noch besser«

Seit zwei, drei Jahren setzt das Unternehmen intensiv auf Employer Branding. Dazu gehören Posts auf Instagram und LinkedIn, Vorträge bei Hochschulen sowie Pressearbeit rund um Mitarbeiter- und Ausbildungsthemen. Mittlerweile gibt es unter www.platzltalente.de sogar eine separate Karriere-Website. Unter dem Motto »Was du kannst, macht uns noch besser« präsentiert das Unternehmen dort Beschäftigte mit ihren Hobbys, die zeigen sollen, wie sich Talente im Betrieb besonders entfalten können. Außerdem werden die Leistungen für die Mitarbeitenden dargestellt, wie etwa Sportangebote, Personalzimmer, Personalrabatte, Kick-off-Partys, Teamevents und entspannte Sommerfeste.

Auszeichnung mit »Hospitality HR Award«

Dass die Betriebe beim »Hospitality HR Award« für die strategische Personalarbeit ausgezeichnet wurden, freut Mahnke besonders. »Wir haben allerdings auch ausreichend Kapazitäten in der Personalabteilung, sodass wir uns nicht nur ums Recruiting, sondern auch um strategische Themen und um unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kümmern können.« Regelmäßige Team- und Mitarbeitergespräche sowie eine jährliche Mitarbeiterbefragung gehören dazu.

»Führungskräfte, die auf Augenhöhe führen«

Wichtig ist Personalleiterin Mahnke das Talentmanagement: »Dabei geht es darum herauszufinden, was jeder Mitarbeitende braucht, um für sich selbst Zukunftsperspektiven im Unternehmen zu erkennen.«  Passende Fortbildungen bietet die hauseigene Platzl-Akademie. »Die wichtigsten Merkmale eines attraktiven Arbeitgebers«, so Mahnke, »sind Führungskräfte, die auf Augenhöhe führen – und eine positive Unternehmenskultur.«

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