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Kinderbetreuung – Zuschüsse unterstützen Mitarbeiter

Fach- und Führungskräfte zu finden und zu binden, ist gerade für kleine Unternehmen eine Herausforderung. Familienfreundliche Strukturen im Betrieb können helfen, dass dies gelingt.

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 10/2021

»Wir können nicht so hohe Gehälter zahlen wie unsere große Konkurrenz aus dem Maschinenbau und der Automobilzulieferindustrie, wir müssen die Leute inhaltlich mitreißen und weitere Anreize schaffen«, sagt Beate Maria Freyer, Chefin von rund 20 Festangestellten. Vor gut zwölf Jahren gründete die Betriebswirtin mit Ehemann Georg Wünsch, einem Ingenieur, die machineering GmbH & Co. KG in München. Das IT-Unternehmen entwickelt innovative Softwarelösungen für die Echtzeit-Materialfluss- und Robotersimulation und beschäftigt vor allem Softwareentwickler, die jedoch von vielen Arbeitgebern umworben werden.

Das Unternehmerpaar – selbst Eltern von vier Kindern – versucht, familienfreundliche Strukturen zu etablieren, um Mitarbeitern möglichst optimale Jobbedingungen zu bieten und sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Denn Familienfreundlichkeit ist heute für viele Arbeitnehmer ein wichtiges Argument bei der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Stelle. »Der Altersdurchschnitt in unserer Firma liegt bei etwa 30 Jahren, da sind Familienplanung und Familie generell ein großes Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen«, sagt Unternehmerin Freyer.

So können Mitarbeiter im Notfall ihre Kinder mit ins Büro bringen, es gibt Zuschüsse zu den Kinderbetreuungskosten. Im Zuge von Corona führte das Unternehmen konsequentes Homeoffice ein und stattete Mitarbeiter umfassend mit dem notwendigen technischen Equipment aus.

Familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl »online schwieriger«

Das kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich vereinfachen – aus Unternehmersicht ist es jedoch nicht unproblematisch. Werde ausschließlich mobil gearbeitet, fehle der persönliche Austausch, dann sei es schwieriger, das familiäre Zusammengehörigkeitsgefühl aufrechtzuerhalten, das gerade kleine Betriebe oft auszeichnet, sagt Freyer. »Und wenn eine unserer hoch qualifizierten Fachkräfte nur begrenzt verfügbar ist, müssen wir die Arbeit anderweitig verteilen, was sich bei unserer hohen Spezialisierung in der Praxis nicht immer einfach umsetzen lässt – und was von der gesamten Belegschaft eine große Flexibilität und Einsatzbereitschaft fordert.«

Dass es besonders für kleine Firmen oft ein Spagat ist, familienfreundliche Lösungen für jede Lebenslage anzubieten und trotzdem arbeitsfähig zu bleiben, weiß Julia Naetsch (40) von der Servicestelle des Familienpakts Bayern (Stichwort unten): »Da sind Flexibilität und Vertrauen wichtig, ist das ganze Team gefragt. Ohne das gegenseitige Verständnis für die individuelle Situation gibt es keine Familienfreundlichkeit.« Gleichwohl lasse sich aus aktuellen Befragungen von Eltern und Unternehmen ableiten, dass die Bedeutung von betrieblichem Familienbewusstsein während der Coronakrise weiter gestiegen ist »und die hohe Bedeutung auch nach der Krise bleiben wird – unabhängig von der Branche und Unternehmensgröße«, so Naetsch.

»Sehr viele gute und pramatische Lösungen - beeindruckend«

»Firmen sollten das Thema also im eigenen Interesse weiterverfolgen«, bekräftigt Elfriede Kerschl, Referatsleiterin Fachkräfte, Weiterbildung, Frauen in der Wirtschaft bei der IHK für München und Oberbayern, »allerdings stets im Rahmen ihrer Möglichkeiten.« Es gelte, miteinander die passende betriebliche Lösung für die jeweils individuelle Lebensphase zu finden, also auch etwa für den Fall, dass die Pflege eines Angehörigen mit dem Beruf vereinbart werden muss. »Dann kann Familienfreundlichkeit die Zugehörigkeit zum Betrieb stärken und dazu beitragen, mehr Fachkräfte zu gewinnen«, sagt Kerschl.

Was die Familienpakt-Expertin Naetsch optimistisch stimmt: »Es gibt schon sehr viele gute und pragmatische Lösungen in kleinen Unternehmen – das hat uns beeindruckt.«

Teamleiter in Elternzeit - Führungsduo übernimmt

Auch machineering feilt weiter an seinen Angeboten. So gibt es immer noch Homeoffice, aber in der Regel nur für einige Tage der Woche und nicht ausschließlich. »Das entspricht auch dem Wunsch unserer Mitarbeiter«, sagt Firmenchefin Freyer. Geht ein Teamleiter in Elternzeit, soll künftig ein Führungsduo seine Aufgaben übernehmen. »So verteilen wir die Zusatzarbeit besser und schaffen zugleich ein Back-up, falls jemand ausfällt.« Zudem sei Jobsharing in Führungspositionen eine gute Möglichkeit, Karrierechancen in Teilzeit zu ermöglichen und zugleich potenzielle Kandidaten auf ihre Eignung hin zu prüfen.

»Vieles austesten können, aber auch mehr planen müssen«

Zudem werden bei Elternzeitplanungen oder Arbeitszeitverkürzungen nun auch die jeweiligen Partner stärker mit einbezogen. Tragen sie die Entscheidung langfristig mit? Wie sieht eine für alle Seiten befriedigende Lösung aus? Wann steigt der Mitarbeiter wieder (voll) in seinen Job ein? »Wir sind ein kleines Unternehmen und können deshalb Vieles austesten, müssen aber auch mehr planen«, so Freyer.

Die Texas Trading GmbH in Windach, die qualitativ hochwertige Ausrüstung für die artgerechte Großtierhaltung vertreibt, hat mit familienfreundlichen Strukturen bereits gute Erfahrungen gemacht. »Wir sind nicht aktiv auf Mitarbeitersuche, haben eine sehr geringe Fluktuation, viele unserer 22 Beschäftigten halten uns schon lange die Treue«, sagt Marion Riedel, die den Betrieb 2008 von ihrem Vater übernommen hat und ihn seither mit ihrem Mann leitet. »Es gibt sogar welche, die zwischenzeitlich woanders gearbeitet haben und wieder zu uns zurückgekehrt sind«, freut sich die Firmenchefin.

Grund zur Freude: Mitarbeiter, die von anderen Arbeitgebern zurückkommen

Sie alle scheinen familienfreundliche Rahmenbedingungen zu schätzen: Individuelle Teilzeit ist bei Texas Trading üblicher als Vollzeit und auch in Führungspositionen und in der Ausbildung möglich. Das Unternehmen bietet auf Wunsch Homeoffice bei Arbeitsplätzen, die dies zulassen. Mittags kann jeder Angestellte ein Tiefkühlessen ordern, das er gefroren oder warm nach Hause mitnehmen kann, »damit schnell etwas auf dem Tisch steht, wenn die Zeit nicht zum Kochen reicht oder auch, um beispielsweise die pflegebedürftige Mutter mit zu versorgen«, erklärt Riedel.

Dass der Nachwuchs in den Ferien notfalls mit ins Büro kann, wenn keine Betreuung möglich ist, war schon früher selbstverständlich. »Dass bei einem familiären Notfall jeder Betroffene seine Arbeit liegen lassen darf und die Kollegen für ihn einspringen, ebenfalls.« Sie überlege einfach bei jeder Neuerung oder Änderung im Geschäftsbetrieb, »was mir in der familiären Situation geholfen hätte, und prüfe zugleich, ob es für alle machbar und finanziell realistisch ist«, erläutert die Firmenchefin, selbst Mutter von drei erwachsenen Söhnen und mittlerweile Oma.

Bereit zu idividuellen Lösungen

Das heißt in der Praxis: Einen Mitarbeiter bei voller Bezahlung für die Pflege freizustellen, kann sich das kleine Unternehmen nicht leisten. Auch für einen Betriebskindergarten oder eine Tagesmutter fehlen Mittel und Möglichkeiten. »Aber wir können unter Umständen einem Mitarbeiter eine begrenzte Zeit unbezahlten Urlaub gewähren, uns an Kinderbetreuungskosten beteiligen oder weitere, individuelle Lösungen suchen«, erklärt die 52-Jährige. Familienfreundlichkeit sei bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern ein Pluspunkt, ebenso wie eine gute Work-Life-Balance, weiß Riedel aus Erfahrung. Sie und ihr Mann haben einen Nachmittag pro Woche für ihre Enkel reserviert. »Wir müssen uns nach wie vor als attraktiver Arbeitsgeber präsentieren. Unser Vorteil: Wir brauchen hier nur unseren Weg weiterzuverfolgen, andere Unternehmen müssen nachlegen.«

Stichwort: Basisinfos zum Familienpakt Bayern

Der Familienpakt Bayern hat im Rahmen seines Jahresthemas 2021 »Kleiner Betrieb – Große Wirkung: Wie kleinere Unternehmen mit Familienfreundlichkeit Zukunft gestalten« konkrete Lösungen und Tipps zusammengestellt. Neben einer Erstberatung bietet die Servicestelle Arbeitgebern Wissen aus der Praxis an - auch online.

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