Fachkräfte | Standortpolitik

Mit Familiensinn erfolgreich


Der Familienpakt Bayern prämiert Unternehmen, die sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonders einsetzen. Die Gewinner zeigen, wie sich das in der Praxis umsetzen lässt und welche Vorteile daraus entstehen.

Gabriele Lüke, Ausgabe 01/2022

Bayerns Arbeitsministerin Carolina Trautner (CSU) brachte es auf den Punkt: »In Fragen der Familienfreundlichkeit kommt es nicht auf die Branche oder die Betriebsgröße an, sondern auf die Bereitschaft, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen.« Davon würden nicht nur die Beschäftigten, sondern das ganze Unternehmen profitieren.

»Weniger Mitarbeiterfluktuation, einfachere Gewinnung von Fachkräften, weniger Fehlzeiten, erhöhte Produktivität und besseres Betriebsklima. Familienfreundlichkeit ist ein harter Standort- und Wettbewerbsfaktor«, so fasste Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) die Vorteile zusammen. Ministerin und Minister ließen es sich daher auch nicht nehmen, den 21 Betrieben, die im Herbst für ihre Familienfreundlichkeit vom Familienpakt Bayern ausgezeichnet wurden, die Urkunden selbst zu überreichen.

Den Familienpakt Bayern gibt es seit 2014, er ist eine Gemeinschaftsinitiative von Staatsregierung und Wirtschaft, unter anderem engagiert sich der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK). Der Pakt setzt sich für mehr Familienfreundlichkeit in der Arbeitswelt ein und hat mittlerweile rund 1 180 Mitglieder.

Zehn Vorbildunternehmen aus Oberbayern

Seit 2016 werden alle zwei Jahre beim Unternehmenswettbewerb »Erfolgreich. Familienfreundlich«, der vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales ausgeschrieben wird, 20 Vorbildunternehmen gekürt. Wegen der Pandemie erhielten die Preisträger 2020 ihre Auszeichnung erst Ende 2021. Zudem wurden drei Firmen mit einem zusätzlichen Preis für ihr familienfreundliches Engagement in der Coronazeit geehrt, zwei davon waren auch unter den 20 Vorbildunternehmen und erhielten somit zwei Preise. Beworben hatten sich etwa 300 Firmen.

Mehr Informationen auf der Familienpakt-Website – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.

Unter den Preisträgern sind zehn Unternehmen aus Oberbayern, die wir hier näher vorstellen.

Back-up für Notfälle – Geschäftsführerinnen Janine Altendorfer (l.), Doris Tietze
Foto: ARCA-Consult

Auf Notfälle gut vorbereitet

ARCA-Consult GmbH, Pfaffenhofen, 19 Beschäftigte
Ein positiver Gemeinschaftsspirit, ein großes Verständnis für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die ausdrückliche Ermutigung, Wünsche und Probleme gegenüber der Geschäftsführung aktiv anzusprechen, um gemeinsam Lösungen zu finden – dies gehört bei der auf IT- und Informationssicherheit sowie Awareness-Schulungen spezialisierten ARCA-Consult GmbH schon immer zur Unternehmensphilosophie.

Es gilt Vertrauensarbeitszeit, mobiles Arbeiten war schon vor Corona selbstverständlich. Damit auch bei der Kundenbetreuung mehr Flexibilität möglich ist, wurden eigene Strukturen geschaffen: An Kundengesprächen nehmen immer zwei Beschäftigte teil, sodass es ein Back-up gibt, falls familienbedingt eine Person ausfällt. Teilzeitarbeitsmodelle werden individuell auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten, bei Bedarf wird vorübergehend von Voll- auf Teilzeit umgestellt. Kindergartenzuschuss, keine Deckelung der Kinderkrankentage, Spielecken für Kinder und eine geplante Hausaufgabenbetreuung tun ein Übriges für eine familienfreundliche Atmosphäre.

Freude über den Familienpakt-Award – Christian Mader (Koordinator Käserei 2), Elli Völkl (Teamleiterin Personalmanagement), Romana Ramgraber (HR Service Manager), Maximilian Datz (Leiter Verpackung), Felix Kress (Geschäftsführer/ Leiter Personal) (v.l.)
Foto: Bergader

Flexibel auch im Schichtbetrieb

Bergader Privatkäserei GmbH, Waging am See, 524 Beschäftigte
Nur zufriedene Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Unternehmen und sind bereit, gute Arbeit zu leisten. Diesem Motto folgt die Geschäftsführung der Bergader Privatkäserei seit ihrer Gründung 1902. Deshalb setzt sich das Unternehmen auch stark für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein: Es gibt unterschiedlichste Teilzeitmodelle und flexible Arbeitszeiten selbst im Schichtbetrieb. Dabei organisieren die Beschäftigten die tatsächlichen Arbeits- und Abwesenheitszeiten selbstständig und individuell abgestimmt auf die familiäre Situation.

Die Betreuungszeiten der betriebseigenen Kita »Die Käsemäuse« von 5.30 bis 22.30 Uhr sind an die Schichten des Betriebs angepasst. Es bestehen keine festen Hol- und Bringzeiten für die Kinder. Weitere familienfreundliche Angebote: mobiles Arbeiten, Jobsharing, spezielle Vereinbarkeitsmodelle für Mütter und Väter sowie Führung in Teilzeit für Führungskräfte, unter denen Frauen einen guten Anteil haben.

Herzenssache – Seniorgeschäftsführerin Veronika Peters und Geschäftsführer Fritz F. Peters
Foto: Christine Olma

Individuelle Lösungen finden

Gebrüder Peters Gebäudetechnik GmbH, Ingolstadt, 441 Beschäftigte
Der Arbeitsmarkt in Ingolstadt ist eng, familienbewusste Personalpolitik hilft bei der Fachkräftesicherung. Vor allem aber ist sie eine Herzensangelegenheit der Seniorgeschäftsführerin des Gebäudetechnikbetriebs. Das mehr als 115 Jahre alte Familienunternehmen in vierter Generation engagiert sich daher vielfältig und aus Überzeugung für Vereinbarkeit.

Die familiäre Situation der Beschäftigten wird in persönlichen Gesprächen besprochen, um dann die beste individuelle Lösung für Beruf, Karriere und Familie zu finden. Maßnahmen sind: flexible Arbeitszeiten (auch auf Baustellen in Absprache mit den Teams), Teilzeit und Führung in Teilzeit insbesondere für Mütter, Elternzeit vor allem auch für Väter, ein Eltern-Kind-Zimmer.

Hinzu kommen Lösungen, wenn sich an der Familiensituation durch ein erkranktes Kind oder einen Pflegefall etwas ändert. Die Mitarbeitenden überlegen gemeinsam mit den Führungskräften, was möglich ist. Ausländische Kollegen erhalten individuelle, bei Bedarf sprachliche Unterstützung oder spezielle Arbeitszeitregelungen, damit sie oft bei ihren Familien im Ausland sein können.

Eigenverantwortung und Zeitsouveränität – Christina Michaelis, Leiterin Human Relations
Foto: genua GmbH

Männer inTeilzeit

genua GmbH, Kirchheim bei München, 304 Beschäftigte
Mitarbeiterorientierung, eine gute Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit inklusive Mitgestaltung und Selbstwirksamkeit für die Beschäftigten – das hat sich die Geschäftsführung des IT-Sicherheitsunternehmens schon bei der Gründung vor rund 30 Jahren vorgenommen. Die familienfreundlichen Maßnahmen ergeben sich aus dem konkreten Bedarf der Beschäftigten. Auffallend ist der überdurchschnittlich hohe Anteil von Männern bei den Teilzeitkräften. So ist fast die Hälfte der männlichen Führungskräfte in Teilzeit tätig.

Die Arbeit lässt sich dank Vertrauensarbeitszeit eigenverantwortlich und zeitsouverän gestalten, zudem bietet genua flexibles Homeoffice sowie die Vereinbarung zusätzlicher Urlaubstage. Das Unternehmen unterhält am Hauptsitz in Kirchheim eine Kindertageseinrichtung. Ein externer Dienstleister hilft zudem bei kurzfristig auftretenden Betreuungsengpässen und bietet Ferienprogramme an.

51 Dienstzeiten – Pflegedirektor der Danuvius Klinik, Martin Schröter
Foto: Katharina Kratzer

Variantenreiche Arbeitszeitmodelle

Danuvius Klinik GmbH, Ingolstadt, 513 Beschäftigte
Ohne eine familienfreundliche, lebensphasenorientierte Personalpolitik sei ein Klinikbetrieb nicht überlebensfähig, betont die Geschäftsführung der auf die Betreuung psychisch Erkrankter ausgerichteten Danuvius Klinik. Der Frauenanteil in der Belegschaft liegt bei 84 Prozent, mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet wegen Kindern oder pflegebedürftiger Angehöriger in Teilzeit. Fast 74 Prozent der Führungskräfte sind weiblich, Führen in Teilzeit ist möglich.

Trotz Schichtbetrieb gibt es flexible, bedarfsorientierte Arbeitszeitmodelle, wie sich an 51 Dienstzeiten innerhalb der Pflege und dem hohen Maß an Vertrauensarbeitszeit im Bereich Ärzteschaft und Verwaltung zeigt. Kinderbetreuungslösungen oder die Ausweitung des mobilen Arbeitens geht die Geschäftsführung proaktiv und in enger Zusammenarbeit mit dem Personalgremium an.

Eigene Erfahrungen mit Vereinbarkeit – Geschäftsführer Karin und Patrick Hallinger
Foto: Hallingers Genuss Manufaktur

Vertrauenskultur und offene Kommunikation

Hallingers Genuss Manufaktur GmbH, Landsberg am Lech, 52 Beschäftigte
Die eigene Erfahrung wurde zur Grundlage der betrieblichen Familienfreundlichkeit. Das Inhaberehepaar der auf Produktion und Verkauf von Schokolade, Kaffee, Tee, Gewürzen und Pralinen spezialisierten Hallingers Genuss Manufaktur ist seit der Firmengründung 2011 selbst mit der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben konfrontiert.

Ihren eigenen, sehr flexiblen Umgang mit diesen Herausforderungen übernahmen die Eheleute in ihr Führungsmodell. Das sind die ausschlaggebenden Faktoren: sehr flexible Arbeitsmodelle in Bezug auf Zeit und Ort, Vertrauenskultur inklusive vertrauensvoller Kommunikation zu jeder Zeit, gegenseitige Unterstützung in der Belegschaft, Eigenverantwortung und Ergebnisorientierung. Alle Mitarbeitenden können ihren Arbeitsbereich selbstständig planen und umsetzen. Herausforderungen und Konflikte können jederzeit mit der Geschäftsführung besprochen werden, um gemeinsam Lösungen zu finden.

Familienfreundliche Unternehmenskultur – Anneliese Duschl, Hanns Duschl, die beiden Geschäftsführer Andreas und Gerhard Duschl, Irmgard Grzbielok und Prokurist Christoph Winkler (v.l.)
Foto: Duschl Ingenieure GmbH Co. KG

Orts- und zeitunabhängig arbeiten

Duschl Ingenieure, Rosenheim, 130 Beschäftigte
Mitarbeiterorientierte Werte und ein hohes Bewusstsein in puncto Familienfreundlichkeit – das seien die Kernelemente der Unternehmens- und Führungskultur, betont die Geschäftsleitung der Firma, die Ingenieurdienstleistungen im Bereich technischer Gebäudeausrüstung, Energietechnik und Energieeffizienz anbietet. Praktiziert werden: Vertrauensarbeitszeit, flexible Arbeitsorganisation, verschiedenste Teilzeitmodelle, Teilzeit in Führungspositionen, unbezahlte Freistellungen, nahtloser Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Bei der individuellen Arbeitsorganisation gilt, dass die Arbeit je nach Familiensituation in guter Absprache mit dem Team orts- und zeitunabhängig erbracht werden kann.

Zudem gibt es weitere vielfältige Unterstützung für Beschäftigte und ihre Familien – vom günstigen Wohnraum bis zur Weiterbildung. So werden beispielsweise über alle Mitarbeitergenerationen hinweg systematisch geplante Entwicklungswege ermöglicht und finanziell gefördert. Eine unternehmenseigene Vortragsreihe unterstützt die praktische Vereinbarkeit mit Themen wie Work-Life-Balance oder Achtsamkeit.

Extra-Angebote in der Coronazeit – Geschäftsführer Martin und Marion Kilian
Foto: Münchener Schlüsseldienst Kilian GmbH

Sonderurlaub zur Entlastung

Münchener Schlüsseldienst Kilian GmbH, München, 33 Beschäftigte
Die Münchener Schlüsseldienst Kilian wurde gleich doppelt ausgezeichnet: als Vorbildunternehmen und für seine Coronamaßnahmen. Mit viel Offenheit und Verständnis unterstützt das Unternehmen seine Beschäftigten in allen Lebenslagen. Dabei punktet der Betrieb mit Teilzeitarbeitsmodellen, Konzepten zum Wiedereinstieg nach der Elternzeit und vertrauensvoller Kommunikation.

In der Coronazeit entwickelte die Firma zudem weitere Maßnahmen. Sie schenkte ihren Beschäftigten fünf zusätzliche Sonderurlaubstage, damit sie zum Beispiel für ihre Kinder oder pflegebedürftigen Angehörigen mehr Zeit haben, dabei weniger belastet und flexibler sind. Der nicht verfallene Resturlaub kann darüber hinaus ebenfalls zum Beispiel für Kinderbetreuung verwendet werden. An den Firmenzugängen sind Desinfektionsmittelspender montiert und ausreichend Schutzmasken vorhanden, die Büros sind coronagerecht umstrukturiert.

Ein technisch gut ausgestattetes Homeoffice wurde allen Beschäftigten angeboten, die ihre Tätigkeit von zu Hause aus ausüben können. Dort dürfen sie sich zeitlich auf die Bedürfnisse der Familie abgestimmt organisieren – also etwa erst mittags in den Arbeitstag starten.

Workshops und Coachings – Carolin Schlegtendal, Director Human Resources
Foto: Payback Group

Führungskräfte sensibilisieren

PAYBACK GROUP, München, rund 1.000 Beschäftigte
Eine Firmenkultur, die Vertrauen, Akzeptanz und die Berücksichtigung verschiedener individueller Bedürfnisse beinhaltet – dafür setzt sich die Geschäftsführung der PAYBACK GROUP ein, die Kundenbindungsprogramme entwickelt und betreibt. Basis für die praktische Umsetzung ist eine Vielzahl von unterschiedlichen Arbeitsmodellen. Teilzeit – die nicht immer aus der Familiensituation heraus begründet sein muss – hat sich etabliert. Insbesondere Führungskräften werden Seminare angeboten, die sie für die Vereinbarkeitsfrage sensibilisieren. Eltern (auch angehende) werden durch Workshops und Coachings unterstützt.

Frauen für Führungsaufgaben nicht nur zu motivieren, sondern auch zu qualifizieren und sie aktiv zu unterstützen, steht ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung. Ein weiteres Angebot ist die betriebseigene Kita. Mitarbeiterbefragungen und sehr regelmäßige Gespräche der Führungskräfte mit den Mitarbeitenden ermöglichen zudem, je nach Bedarf und Veränderung, zeitnah nachzusteuern.

Sonderpreis Corona – Geschäftsführer Holger Wolff
Foto: MaibornWolff GmbH

Corona – Hilfspaket für Eltern

MaibornWolff GmbH, München, 700 Beschäftigte
Bei dem auf Beratung und Software-Engineering spezialisierten Unternehmen, das den Sonderpreis Corona erhielt, entscheiden alle Mitarbeitenden flexibel über ihren Joballtag: Sie können jederzeit und auch kurzfristig zwischen Teil- und Vollzeit wechseln. Familienauszeiten und Teilzeitmodelle werden auch in Führungspositionen sowie von Vätern genutzt. Ebenso steht jedem frei, wo er arbeiten möchte, ob mehr im Büro oder mehr im Homeoffice. In der Pandemie konnten alle, die aufgrund von Homeschooling oder Homekita ihre Arbeit nicht mehr im vollen Umfang zu leisten vermochten, 25 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit über ein Eltern-Corona-Konto abdecken. Um Eltern zu entlasten, organisierte das Unternehmen eine Lehrerin, die Kinder in einer Büroklasse unterrichtete und betreute. Hinzu kommen Betreuungsangebote für den Notfall oder während der Ferien.

Familienfreundlich ist die Kultur auch deshalb, weil viele Führungskräfte sie vorleben: Terminblocker, weil man das Kind zur Kita bringt, sind ebenso normal wie Onlinemeetings, in denen Kinder auftauchen, Eltern-Kind-Büros in den Standorten sowie das flexible Verlegen von Terminen bei privaten Engpässen.

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