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Azubis aus Drittstaaten: Die Lücke schließen

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Junge Leute aus Drittstaaten – der Einstieg als Azubi wird einfacher

Auszubildende aus Drittstaaten wie Marokko oder Vietnam eröffnen eine neue Dimension in der Fachkräfterekrutierung. Wie Mittelständler Azubis im Ausland finden und integrieren.

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 11-12/2023

Carola Portenlänger, Seniorchefin im Alten Wirt in Grünwald und Personalleiterin sowohl für das Hotel Alter Wirt als auch Xaver’s Wirtshaus in München, muss nach dem Telefoninterview los – um eine Schulung für Azubis abzuhalten. Sie vermittelt den Umgang mit Gästen, Kommunikation, Stressresistenz. Einmal pro Woche gibt sie gemeinsam mit ihrem Ex-Mann auch Deutschunterricht. Denn 8 – von insgesamt 21 – Auszubildenden des Unternehmens stammen aus Ländern außerhalb der EU.

Die jungen Menschen kommen mit nicht immer ausreichenden Deutschkenntnissen aus Ägypten, Vietnam oder Indonesien nach Oberbayern. „Wenn man sich entscheidet, Azubis aus Drittstaaten einzustellen, muss man sich auch kümmern“, sagt Portenlänger.

Nicht nur Hoteliers und Gastronomen, der gesamte oberbayerische Mittelstand sucht dringend Auszubildende. Aus dem Umkreis kommen nicht mehr genug Bewerbungen. Im August meldete die Bundesagentur für Arbeit für die Region München noch 16.200 unbesetzte betriebliche Ausbildungsstellen bei 3.770 unversorgten Bewerbern.

Wichtige Azubi-Märkte: Marokko und Vietnam

Also weiten die Unternehmen ihren Suchradius aus, mittlerweile immer mehr über die EU hinaus. Mit Erfolg. Vor allem aus Vietnam und Marokko kommen vermehrt junge, ausbildungswillige Leute nach Oberbayern. Und es könnten bald noch viel mehr werden. Denn die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes erleichtert Auszubildenden aus Drittstaaten den Start in Deutschland.

Zwei Zahlen verdeutlichen den Trend: Zum Stichtag 31. Dezember 2020 gab es in Oberbayern 120 Ausbildungsverhältnisse mit Vietnamesen oder Marokkanern. Nun 3 Jahre später sind es mit 560 mehr als 4,5-mal so viele. Der Grund: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im März 2020 in Kraft getreten ist, hat die Zuwanderung aus Staaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums vereinfacht und beschleunigt. Nun wird das Gesetz novelliert. Ab 2024 wird vor allem die Einreise aus Drittstaaten für die Ausbildungsplatzsuche erleichtert:

Neue Regeln – leichtere Anwerbung
  • Die Altersgrenze für die Einreise dazu steigt von 25 auf 35 Jahre.
  • Die Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse werden heruntergesetzt – von bislang Niveau B2 auf B1.
  • Die Höchstaufenthaltsdauer in Deutschland zur Suche eines Ausbildungsplatzes erhöht sich von 6 auf 9 Monate. Nebenbeschäftigungen von bis zu 20 Stunden pro Woche sind dann bei allen Berufsausbildungen möglich.

„Damit wird der Aufenthalt zur Ausbildungsplatzsuche einem größeren Personenkreis von Drittstaatenangehörigen eröffnet“, sagt Petra Kremer, Integrationskoordinatorin bei der IHK für München und Oberbayern.

Anzeigen auf Plattformen oder Instagram

Meist findet das Bemühen um einen Ausbildungsplatz allerdings schon im Heimatland der Ausbildungswilligen statt. Für Unternehmen, die Azubis im Ausland suchen, ist es daher wichtig, offene Stellen weltweit zu melden. Die Agentur für Arbeit übernimmt das auf Wunsch.

Unternehmerin Portenlänger rät zudem: "Es ist hilfreich, Anzeigen auf spezialisierten Plattformen wie etwa jobbo.de sowie auf Instagram zu schalten“. Sie nutzt als Ausbildungsbotschafterin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA außerdem die Verbindungen des Verbands. Der Einsatz zahlt sich aus: Portenlänger erhält täglich bis zu 15 Bewerbungen aus Marokko, außerdem „je 3 bis 4 aus Vietnam und Tadschikistan“, immer mehr auch aus Indonesien.

IHK hilft bei Bürokratie

Die Auswahl der Kandidaten erfolgt am besten per Videocall, so Portenlänger. Hier kann das Kompetenzfeststellungstool „check.work“ der bayerischen IHKs unterstützen, um noch einmal abzuklären, ob die schulischen Fähigkeiten und die Motivation des Kandidaten für den Ausbildungsberuf stimmen. Mit Bewerbern, die für eine Ausbildung infrage kommen, treten Portenlänger und einer der Geschäftsführer des Familienunternehmens noch einmal in Kontakt.

Ist die Entscheidung für einen Azubi gefallen, folgt das Bürokratische: Die Voraussetzungen für ein Ausbildungsvisum müssen geprüft und Schritt für Schritt eingeleitet werden. „Wir unterstützen die Unternehmen in diesem Prozess mit Beratungen, Checklisten und Infoveranstaltungen“, betont IHK-Expertin Kremer.

Visa-Stau bei den Botschaften

Ist der Ausbildungsvertrag unterschrieben und abgeschlossen, muss der Bewerber bei der deutschen Botschaft in seinem Land ein Visum beantragen. Der bayerische Arbeitgeber kann im Vorfeld wählen, ob er ein reguläres oder ein beschleunigtes Visumverfahren mit kürzeren Bearbeitungsfristen beantragt.

„Dennoch werden die Visa oft nicht schnell genug vergeben, bei den Botschaften herrscht Stau“, bemängelt Kremer. Das führt nicht selten dazu, dass Azubis zum Teil nicht im September, sondern erst im November und später mit der Ausbildung beginnen können. „Die Versäumnisse der ersten Wochen, vor allem in der Berufsschule, sind dann schwer aufzuholen“, sagt die Expertin.

Für günstige Unterkunft sorgen

Vor der Einreise sollten Unternehmen klären, wo die jungen Leute wohnen können. Auf dem regulären Wohnungsmarkt kann sich kaum jemand mit Azubigehalt ein Zimmer, geschweige denn eine Wohnung leisten. Jakob Portenlänger, Geschäftsführer der Alter Wirt GmbH, hat daher 3 Wohnungen angemietet, in denen die Auszubildenden leben können. Sie zahlen 300 Euro pro Monat für ein Zimmer, bei Azubigehältern zwischen 1.000 und 1.200 Euro je nach Ausbildungsjahr.

Zur Unterbringung Häuser gekauft

Auch das Hotel Die Gams GmbH in Beilngries „stellt Kost und Logis“, sagt Geschäftsführer Markus Liebscher. Mehrere Häuser hat das Unternehmen teils gekauft, teils gemietet. In einem wohnen 9 junge Menschen aus Indonesien in einer Wohngemeinschaft. Der Hotelier gewährt diesen Benefit auch den aktuell 3 hiesigen Azubis. „Sie müssen den Vorteil lediglich versteuern“, sagt Liebscher.

Als Azubi gekommen …  

Schon Ende 2017 bildete er die ersten Köche aus Asien aus. „Das hat so gut funktioniert, dass wir im Jahr darauf wieder Azubis aus Drittstaaten eingestellt haben.“ Seither ist es zur Routine geworden. „Die ersten Azubis haben längst ausgelernt, viele von ihnen arbeiten jetzt als Fachkräfte in unserem Haus“, sagt der Hotelier.

… um als Fachkraft zu bleiben

Sie sind auch deshalb geblieben, weil der Chef und die Mannschaft aktiv bei der Integration geholfen haben. „Im Sommer haben wir mal einen Nachmittag zugesperrt und ein indonesisches Fest für alle gemacht“, sagt Liebscher. Das sei sehr gut angekommen. Denn auch das stellt das Integrationsteam der IHK fest: Die Fachkräftesicherung mit Azubis aus dem Ausland funktioniert dann gut, wenn das Onboarding von Anfang an mitgedacht und geplant wird.


IHK-Info zur Integration von Azubis

Das Integrationsteam der IHK für München und Oberbayern stellt zahlreiche Informationen zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz und zur Ausbildung von ausländischen Azubis bereit.

  • Auf der IHK-Website finden interessierte Arbeitgeber zum Beispiel Flyer, Checklisten und FAQ-Listen.
  • Zum Unterstützungsangebot des IHK-Integrationsteams gibt es zudem einen Film.
  • Das onlinebasierte Tool „check.work“ hilft, Talente, Fertigkeiten und auch erste berufliche Erfahrungen von  Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu ermitteln und sichtbar zu machen.

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