Fachkräfte | Unternehmen

Freiräume schaffen

MaibornWolff/Philippe Schrettenbrunner ©
Ermuntert zu Eigeninitiative – Unternehmer Holger Wolf

Der IT-Dienstleister MaibornWolff setzt im Wettbewerb um Fachkräfte auf Mitarbeiterförderung und Familienbewusstsein. Und investiert auch in Nordafrika.

Stefan Bottler, Ausgabe 02/21

Rund 1,2 Millionen registrierte Nutzer überwachen 700.000 Photovoltaikanlagen in der EU. »Sunny Portal«, die App des Systemtechnikriesen SMA Solar Technology AG in Niestetal, gilt als weltweit größte Monitoring- und Steuerungsplattform. Alle fünf Minuten aktualisiert sie in 15 Sprachen Daten über Stromerzeugung, -einspeisung, -verbrauch und andere Prozesse. Außerdem informiert sie über den Zustand der Stromnetze, zeigt Einspeisevergütungen an, vernetzt mit anderen Anlagenbetreibern und listet Branchenneuheiten auf.

Die Konzeption solcher komplexer Systemarchitekturen ist eine Spezialität des Münchner IT-Hauses MaibornWolff GmbH. Für Gründer und Geschäftsführer Holger Wolff (54) ist Sunny Portal eines der anspruchsvollsten Projekte der vergangenen Jahre. »Wir bauen für unsere Kunden ausschließlich individuelle Softwarelösungen und sind hierbei breit aufgestellt«, betont der Diplom-Kaufmann, der zusammen mit Volker Maiborn (56) das Unternehmen 1989 gründete.

Ein Drittel der Belegschaft sind Frauen

Weil die rund 580 Mitarbeiter – ein Drittel davon sind Frauen – sich regelmäßig in neue Technologien einarbeiten, ist das Münchner Unternehmen in nahezu allen IT-Feldern zu Hause. Egal, ob Blockchain, Cloud-Plattformen, Internet der Dinge, Micro Services oder Augmented beziehungsweise Virtual Reality. Wenn die 71 Stammkunden, darunter BMW, die Deutsche Bahn, Pro7Sat.1 und Miele, anspruchsvolle IT-Vorhaben realisieren wollen, geben sie gern MaibornWolff den Zuschlag.

Der kontinuierliche Kompetenzausbau hat dem Unternehmen seit 2015 ein jährliches Wachstum zwischen 15 und 25 Prozent beschert. Seither hat MaibornWolff die Zahl seiner Mitarbeiter mehr als verdreifacht und macht über 50 Millionen Euro Umsatz (2019). Sogar im Coronajahr 2020 konnte das Unternehmen 70 neue Kollegen einstellen.

28 Nationen arbeiten zusammen

Vom grassierenden Fachkräftemangel, der gerade der IT-Branche zu schaffen machte, spüren Wolff und Maiborn wenig. Die Gründer führen dies auf den glänzenden Ruf des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt zurück. Seit 2010 wurde MaibornWolff jedes Jahr im internationalen »Great Place to Work«-Wettbewerb als »Bester Arbeitgeber in Deutschland« ausgezeichnet, seit 2013 haben die Münchner außerdem den Preis »Bester Arbeitgeber in der IT« regelmäßig gewonnen. Von einem »hervorragenden Miteinander« der Mitarbeiter aus 28 Nationen sprechen die Gründer.

Berufliche Weiterentwicklung gefördert

Grundlage für die vielen Auszeichnungen sei nicht nur der große Freiraum für Mitarbeiter, sondern auch vielfältige Angebote für die berufliche Weiterentwicklung. Jedes Jahr bietet das Unternehmen rund 70 Schulungen an, jeder Mitarbeiter bildet sich im Schnitt an sechs Tagen weiter.

Als Mitglied des Familienpakts Bayern hat das Unternehmen außerdem zahlreiche Möglichkeiten geschaffen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Jeder Mitarbeiter kann mit seinem Vorgesetzten eine individuelle Teilzeitvereinbarung treffen, wenn er Kinder betreuen oder Angehörige pflegen muss. Die Arbeit wird dann in den Teams neu verteilt.
Solche Flexibilität wissen offenbar Mitarbeiter wie Mitarbeiterinnen zu schätzen. Im Frühjahr 2020 waren 60 Angestellte, darunter sechs Führungskräfte, in Teilzeit. Fünf weitere Manager nahmen Elternzeit. Auch Mitgründer Maiborn stimmte Anfang 2020 mit Wolff und weiteren Führungskräften ein Sabbatical ab.

Erreichbarkeit als einzige Vorgabe

Homeoffice ist ebenfalls schon lange selbstverständlich. Jeder Mitarbeiter erhält bei Arbeitsantritt einen Laptop oder ein Smartphone und kann mit diesen Geräten jederzeit zu Hause oder unterwegs arbeiten. Wolffs einzige Vorgabe: »Die Kommunikation mit dem Team oder mit dem Kunden muss immer funktionieren.« Als die Coronakrise im Frühjahr 2020 ausbrach, war das Unternehmen entsprechend vorbereitet und reagierte umgehend auf den ersten Lockdown. Für Kinder wurde eine Nachmittagsbetreuung organisiert, für Erst- und Zweitklässler gab es Unterricht.

Vertrauen wird in überraschende Vorstöße umgemünzt

Wenn Mitarbeiter ermuntert werden, Eigeninitiative zu zeigen, dann nutzen sie dieses Vertrauen für überraschende Vorstöße. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte MaibornWolff eine ungewöhnliche Expansionsstrategie. »Unsere Standorte entstehen dort, wo Menschen für uns arbeiten wollen und bereit sind, Verantwortung für diesen Platz zu übernehmen«, sagt Wolff. Die gründungswilligen Kollegen prüfen gemeinsam mit der Geschäftsführung, welches Wachstumspotenzial in den geplanten Standorten steckt. Ist das Ergebnis positiv, unterstützen sie von dort aus die Kollegen in der Münchner Zentrale.

Eigene Art der Standortentwicklung

Heute ist MaybornWolff in Augsburg, Berlin, Darmstadt, Frankfurt und Hamburg präsent, Anfang 2021 kommt Valencia in Spanien hinzu. Diese Art der Standortentwicklung beschränkt sich im Übrigen nicht auf Europa. 2019 gründete ein Mitarbeiter die erste Auslandsniederlassung in Tunis. In der Hauptstadt Tunesiens gebe es viele qualifizierte Informatikabsolventen, berichtet Wolff. »Wir wollen diese Fachkräfte nicht nach Deutschland abwerben, weil dies den Aufbau einer Mittelschicht vor Ort erschwert.«

Fachkräfte bleiben in Tunis, werden neue Mittelschicht

Der IT-Unternehmer betrachtet die Investition als Beitrag für eine langfristige Stabilisierung des nordafrikanischen Landes und sieht sein Unternehmen als Pionier. Allenfalls Automotive-Zulieferer, Logistiker und Textilhersteller hätten bislang in Tunesien investiert. Für IT-Dienstleistungen wurde weder in diesem noch in anderen afrikanischen Staaten ein Markt erschlossen. Dabei ist dort eine florierende IT-Szene herangewachsen. Wolff schließt weitere Standorte in Afrika nicht aus. »Aus unserer Sicht spricht auch das Arbeiten in ähnlichen Zeitzonen für eine solche Investition«, so der Geschäftsführer. Tunis macht hierfür Mut. Der Standort beschäftigt ein Jahr nach dem Start bereits 25 Mitarbeiter.

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