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Nachhaltig sanieren

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Sanierungsfall – wie lassen sich Kosten sparen?

Viele ältere Gebäude müssen energetisch ertüchtigt werden. Kostengünstig ließe sich dies durch serielles Sanieren erledigen. Wo die Vorteile liegen und welche Hürden es noch gibt.
 
Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 11-12/2024

Der Gebäudesektor ist einer der größten CO2-Verursacher. Er ist für rund 40 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich. Dadurch nimmt er eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu Klimaneutralität und Energiesicherheit ein. Nicht nur bei Neubauten sind die Standards deshalb mittlerweile sehr hoch. Auch Bestandsgebäude müssen energetisch ertüchtigt werden.

Konkret sollen nach der europäischen Gebäuderichtlinie für Nichtwohngebäude bis 2030 Mindeststandards zur Sanierung der energetisch schlechtesten 16 Prozent eingeführt werden. Bis 2033 sind Vorgaben für die ineffizientesten 26 Prozent vorgesehen.

Sanierung geht in Serie

„Wie die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird, ist derzeit noch in Ausarbeitung“, sagt Elisabeth Zehetmaier-Krocker, Referentin für Immobilienwirtschaft bei der IHK für München und Oberbayern. Fest stehe aber, dass die Vorgaben für Eigentümer von Bestandsgebäuden zu einem schwer kalkulierbaren Kostenfaktor werden können. „Das serielle Sanieren kann eine Lösung darstellen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen“, so die IHK-Expertin.
 
Das Konzept des seriellen Sanierens beruht im Wesentlichen auf digitalisierten und standardisierten Prozessen. Es werden großformatige, in Produktionshallen vorgefertigte Fassaden- und Dachelemente sowie Technikelemente eingesetzt. „Damit können vorhandene Immobilien schnell, einfach und bezahlbar auf einen verträglichen Energiestandard gebracht werden“, sagt Zehetmaier-Krocker.

Höhere Qualität in kürzerer Zeit

Das serielle Sanieren bietet viele Vorteile, bestätigt Frank Melzer, stellvertretender Niederlassungsleiter bei der B&O Bau Bayern GmbH in Bad Aibling. „Die Bauzeit ist gegenüber einer herkömmlichen konventionellen Sanierung erheblich kürzer, die Belastung für die Mieter geringer, die Qualität deutlich höher, weil die Bauteile in der Fabrik vorgefertigt werden“, sagt Melzer. Durch die Automatisierung werde außerdem der Fachkräftemangel auf der Baustelle abgefedert.

Melzer weiß, wovon er spricht. B&O Bau hat schon mehrere Gebäude seriell saniert, etwa 2 fünfgeschossige Mehrfamilienhäuser aus den 1960er-Jahren in München. Die Gebäude wurden zudem in Holzmassivbauweise um 3 Geschosse aufgestockt. „Keine 13 Wochen vergingen vom Einbau des ersten seriellen Fassadenelements bis zum Setzen des letzten Deckenelements der Aufstockung“, so Melzer. Die Mieter wurden somit weniger als bei herkömmlichen Methoden belastet – und leben nun in nachhaltig sanierten Gebäuden.

Materialauswahl ist wichtig

Grundwasserwärmepumpe sowie eine Photovoltaikanlage sorgen für die Energieversorgung. Die verwendeten Baumaterialien sind CO2-neutral, die Baustoffe Cradle-to-Cradle-zertifiziert. Mit Cradle to Cradle (auf Deutsch „von der Wiege zur Wiege“) ist eine konsequente Kreislaufwirtschaft gemeint, in der Materialien zirkulieren und immer wieder neu eingesetzt werden. „Durch die Verwendung des nachhaltigen Rohstoffs Holz als äußere sichtbare Fassadenschalung werden bei richtiger Planung und Holzauswahl auch die Instandhaltungskosten minimiert“, sagt Melzer.

B&O saniert nach dem sogenannten Energiesprong-Prinzip (auf Deutsch „Energiesprung“), das zu den größtmöglichen Erfolgen bei der CO2-Einsparung führen soll. Die Idee stammt aus den Niederlanden.

Um die Sanierung des Gebäudebestands auch hierzulande voranzutreiben, hat die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) das Energiesprong-Prinzip im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf dem deutschen Markt etabliert. Übergeordnetes Ziel ist es, die für Deutschland bis zum Jahr 2045 angestrebte Treibhausgasneutralität zu schaffen.

Bundesförderung läuft an

Die serielle Sanierung will einen NetZero-Standard verwirklichen. Das heißt, dass ein Gebäude übers Jahr hinweg so viel regenerative Energie erzeugt, wie die Bewohner für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom benötigen. Um dies zu erreichen, werden in der Regel Photovoltaikmodule und Wärmepumpen eingesetzt. Obwohl diese Vorgaben erreichbar sind, ist das serielle Sanieren noch längst nicht in der Breite angekommen. Deutschlandweit wurden erst rund 50 serielle Sanierungsprojekte umgesetzt, weitere sind in der Vorbereitungs- oder Planungsphase. Sie gehören fast ausnahmslos zur Kategorie der Wohngebäude, da Nichtwohngebäude komplexer sind.

Laut dena wird die Marktentwicklung der seriellen Sanierung von Nichtwohngebäuden gezielt vorangetrieben, mit Fokus auf Gebäude der öffentlichen Hand. Die im Frühjahr 2021 eingeführte „Bundesförderung Serielle Sanierung“ ist allerdings Ende vergangenen Jahres abgelaufen. Lediglich über die „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) gibt es seit 2023 einen Zuschuss von 15 Prozent.

Interesse wächst

Aber: „Die Förderung ist oft nicht ausreichend“, kritisiert B&O-Manager Melzer. „Dabei bräuchte es dringend passende Förderprogramme, um das serielle Sanieren noch attraktiver zu machen.“ Denn nur wenn sich ein Vorhaben rechnet, werde es umgesetzt.

Das ist bisher nicht im großen Stil der Fall. Daher wird meist noch konventionell saniert, beobachtet Timo Sengewald, dena-Experte für Innovation und Transformation. Und selbst das nur in bescheidenem Umfang: Die jährliche Sanierungsquote liegt bei 0,7 Prozent des Bestands. „Um die Klimaziele zu erreichen, bräuchten wir mindestens das Doppelte“, so Sengewald.

Preise könnten sinken

Die dena wirbt daher für das serielle Sanieren. „Neben wenigen Vorreitern wie etwa Vonovia, LEG und GEWOBAU gibt es zunehmend weitere Eigentümer von Bestandsgebäuden, die erste Schritte gehen.“ Seine Hoffnung: „Wir sehen Signale aus dem Markt, dass die Preise sinken.“

Anforderungen noch zu hoch

Aber das reicht nicht, um zügig voranzukommen. Notwendig sind eine verlässliche Förderung, Bürokratieabbau und Digitalisierung. „Es müssten auch die energetischen Sanierungsanforderungen reduziert werden“, sagt IHK-Expertin Zehetmaier-Krocker. „Die Anforderungen an Bestandsbauten sollten nicht mit denen an Neubauten gleichgesetzt werden.“

3 Millionen Wohnungen warten

Verbesserungen und Vereinfachungen lohnen sich. Die Marktchancen allein für Gebäude aus den 1950er- bis 1970er-Jahren sind riesig. Mindestens 3 Millionen Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern mit hohem Energieverbrauch könnten ertüchtigt werden. Das Sanierungsvolumen liegt laut dena allein dort bei mehr als 100 Milliarden Euro. Die vielen Nichtwohngebäude kommen noch hinzu.   

IHK-Info: Schaffung von Wohnraum

Die IHK für München und Oberbayern hat im Juni 2024 das Positionspapier „Schaffung von Wohnraum und energetisches Sanieren wirtschaftlich & zukunftsfähig gestalten“ erstellt. Auf der Überblicksseite unter "Immobilien" zu finden.

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