Ein Haus mit Tradition
Wie gelingt ein Generationswechsel, wenn der Seniorunternehmer fast ein halbes Jahrhundert an der Spitze stand? Ein Blick auf die Nachfolge im Münchner Feinkost- und Kaffeeunternehmen Dallmayr.
Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 11-12/2024
Mitte 2024 ging im Hause Dallmayr ein symbolträchtiger Umzug über die Bühne: Johannes Dengler und sein Schwiegervater Wolfgang Wille tauschten die Büros. Diese Aktion bildete den Schlusspunkt eines intensiven familieninternen Nachfolgeprozesses. Als persönlich haftender Gesellschafter der Dallmayr KG gab Wolfgang Wille nach 46 Jahren die aktive Geschäftsführung ab. Seither lenkt Johannes Dengler (54) die Geschäfte des Münchner Traditionsunternehmens – gemeinsam mit Florian Randlkofer (56), einem Ururenkel von Therese und Anton Randlkofer, die das damalige Delikatessengeschäft 1895 von Alois Dallmayr gekauft hatten.
Dallmayr bietet im Stammhaus in der Münchner Dienerstraße, gleich hinter dem Marienplatz, Feines für den Gaumen: Das Sortiment in den 19 Fachabteilungen im Erdgeschoss des imposanten Gebäudes umfasst mehr als 8.500 Produkte, darunter hausgemachte Feinkostsalate, warme Gerichte, Patisserie und Häppchen, die von mehr als 70 Köchen täglich frisch zubereitet werden.
Das Haus ist sowohl bei Münchnern wie auch bei Gourmets aus aller Welt beliebt und wird jährlich von 3,5 Millionen Menschen besucht. Sie können dort nicht nur einkaufen, sondern auch exquisit speisen: entweder im Café Bistro Dallmayr, im Dallmayr Bar & Grill, das sich als Champagner- und Seafood-Restaurant bezeichnet, oder im Alois – Dallmayr Fine Dining, jüngst mit 2 Michelin-Sternen ausgezeichnet.
Das Unternehmen ist in mehr als 50 Ländern aktiv und beschäftigt 4.800 Mitarbeiter weltweit. Das Kaffee- und Teegeschäft wird über die Tochtergesellschaft Alois Dallmayr Kaffee OHG abgewickelt. 2023 setzte die Dallmayr-Gruppe 1,2 Milliarden Euro um.
Seit 1931 wird Kaffee geröstet
Dass die Bekanntheit der Marke Dallmayr in Deutschland bei 95 Prozent liegt, ist allerdings nicht allein auf die Strahlkraft von Delikatessenhaus und Sterneküche zurückzuführen, sondern vor allem auf das Kaffeegeschäft. Denn seit 1931 wird bei Dallmayr Kaffee geröstet. Vor exakt 60 Jahren kreierte Kaffeekenner Konrad Werner Wille, der Vater von Wolfgang Wille, Dallmayr prodomo, eine Kaffeemischung, die heute zu den führenden Kaffeemarken Europas zählt.
Mittlerweile röstet Dallmayr 75.000 Tonnen Kaffee jährlich, wovon der weitaus größte Teil über den klassischen Lebensmitteleinzelhandel vertrieben wird. Das Automatengeschäft beflügelt ebenfalls den Kaffeeabsatz: Dieser Geschäftsbereich wurde ab 1966 von Wolfgang Wille aufgebaut. Heute sind weltweit rund 121.000 Dallmayr-Automaten im Einsatz. „Das Kaffeegeschäft ist unser umsatzmäßig klar bedeutendster Geschäftszweig“, erklärt Dengler. „Aber der Bereich Vending, also der Automatenservice, liegt nicht weit dahinter.“
Kamingespräche über Nachfolge
Seit mehr als 60 Jahren führen persönlich haftende Gesellschafter aus der Familie Wille die Geschäfte bei Dallmayr. 1977 hatte Wolfgang Wille diese Position von seinem Vater übernommen und füllte sie bis zu seinem 84. Lebensjahr höchst erfolgreich aus. Der nächste Generationswechsel gestaltete sich etwas komplexer: Wolfgang Willes Töchter, Ellen Ruthrof, Julia Dengler und Simone Werle, sind zwar in leitenden Positionen bei Dallmayr tätig. „Doch eine Rolle an der Spitze des Unternehmens kam für sie nicht infrage“, sagt Dengler. „Es gab daher etliche lange Kaminabende, bis Konsens über die Nachfolgeregelung innerhalb der Familie herrschte, die ja eine Abweichung vom Stammhalterprinzip bedeutete.“
So erklärt sich auch die Bedeutung des Umzugs im eigenen Haus. „Unser Bürotausch war wichtig, um den Rollenwechsel auch intern zu verdeutlichen“, sagt Dengler. Denn sein Schwiegervater ist seit seinem Rückzug von der Spitze des Unternehmens noch beratend tätig und nimmt seine Aufgabe durchaus ernst: Er kommt nach wie vor nahezu täglich ins Büro und sieht sich die aktuellen Zahlen an.
Vom Firmenchef zum Berater
„Ich bin ausgesprochen froh darüber, einen Ratgeber zu haben, der auf eine derart lange geschäftliche Zeitspanne zurückblicken kann“, sagt Dengler. „Dieser Erfahrungsschatz ist einzigartig.“ Die nach wie vor reibungslose Zusammenarbeit führt er nicht zuletzt darauf zurück, dass Wolfgang Wille seinen Töchtern und auch ihm stets sehr viel Freiraum gegeben habe.
Johannes Dengler ist seit 22 Jahren im Unternehmen tätig. Nach seinem Studium der Wirtschaftsinformatik arbeitete er als Berater bei McKinsey und übernahm Mandate bei Unternehmen aus der Hightech-, Software- und Telekommunikationsbranche. Ein Sabbatical nutzte er für seine Promotion an der Handelshochschule Leipzig. Bei Recherchen für seine Doktorarbeit in der Bibliothek der LMU lernte er Julia Wille kennen, 2 Jahre später heirateten die beiden. „Mein Schwiegervater hat mich damals zu Dallmayr geholt“, sagt Dengler. 2003 übernahm er nach kurzer Einarbeitungszeit die Position des Vertriebsleiters im Kaffeegeschäft, 2012 stieg er in die Geschäftsleitung des Unternehmensbereichs Kaffee und Tee auf.
Firmencharakter beibehalten, Führungsstil anpassen
„Dallmayr ist bisher ein sehr traditionell geführtes Unternehmen. Damit waren wir ziemlich erfolgreich“, sagt Dengler. „Ich denke aber nicht, dass man diese Art der Führung so fortsetzen kann. Uns ist es wichtig, den Charakter als Familienunternehmen zu erhalten und dabei gleichzeitig die Führung breiter und resilienter aufzustellen.“ Dazu sei noch einiges zu tun.
Es gehe darum, „Strukturen und Instrumente einzuführen, die eine Kontrolle durch die Gesellschafter, aber am Ende auch Wechsel im Management erleichtern, wenn sie vorkommen“, sagt Dengler. Die Zusammenarbeit mit Florian Randlkofer funktioniere sehr gut: Als Geschäftsführer agierten beide gleichberechtigt, der regelmäßige Austausch sei daher wichtig. „Wobei jeder von uns seine eigenen Arbeitsschwerpunkte hat.“
Das Kaffeegeschäft sieht Dengler weiterhin im Aufwind. „Kaffee ist ausgesprochen gesund, das kann man überall nachlesen. Dazu wirkt er stimulierend und leistungssteigernd und ist kalorienarm – was will man mehr?“
Eine spannende Herausforderung sei es, dass immer wieder neue Segmente und Zubereitungsformen populär werden, worauf man sich als Anbieter einstellen müsse. „Aber das hat in der Vergangenheit gut funktioniert und wir werden das auch künftig schaffen“, ist Dengler überzeugt. Die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel sieht er zwar kritisch, aber „als starke Marke haben wir eine gute Verhandlungsposition“.
Bürokratie treibt Kosten hoch
Sorgen bereitet Dengler jedoch die Bürokratie, allen voran die Entwaldungsverordnung (EUDR) und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union. „Aber es gibt noch viele andere Beispiele. Das sind Mittelstandskiller, weil sie Unternehmen grotesken bürokratischen Aufwand bescheren“, sagt Dengler. Sie führten auch zu absurden Effekten.
So sei zum Beispiel die EUDR von Unternehmen wie Dallmayr nur dadurch umzusetzen, dass der Bezug von Kaffee aus kleinbäuerlicher Erzeugung in Ostafrika eingeschränkt werde. „Und zwar nicht, weil dort entwaldet wird, sondern weil sich die erforderlichen Geodaten von Millionen Kleinbauern in der Kürze der Zeit nicht lückenlos erheben lassen.“
Quer durch ganze Handelsketten führe dies zu Konsolidierungen und Kostensteigerungen, bedauert Dengler. „Nicht zuletzt aus diesem Grund bin ich ausgesprochen froh darüber, dass sich Dallmayr in einer sehr soliden Marktposition und wirtschaftlich guten Verfassung befindet.“