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Eine sehr gute Lösung

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An die Zukunft denken – Firmenchefs sollten das Thema Übergabe rechtzeitig angehen

In rund 140.000 bayerischen Unternehmen steht demnächst der Generationswechsel an. Optionen für die Nachfolge gibt es einige – auch jenseits einer familieninternen Übergabe.

Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 09/2024

Einen Betrieb nach 190 Jahren im Familienbesitz an einen Branchenkollegen verkaufen? „Das war für uns die beste Lösung“, betont Karl Daum (57), ehemaliger Geschäftsführer der auf Entsorgung spezialisierten früheren Karl Daum GmbH in Eichstätt. „Auch wenn es anders geplant war“, schränkt er ein. „Wir wollten das Unternehmen eigentlich in der Familie halten. Aber meine schwere Erkrankung hat uns gezwungen, kurzfristig einen anderen Weg zu finden.“ Seine jungen Töchter seien noch nicht zur Nachfolge bereit gewesen.

Daum prüfte mehrere Optionen: Vorübergehend einen externen Manager anzustellen, um den Kindern die Übernahme später zu ermöglichen, hätte die Verantwortung und Haftung für den Betrieb bei Karl Daum belassen und ihn gesundheitlich zu sehr belastet. Ein Management-Buy-in durch Mitarbeitende oder ein Management-Buy-out durch einen branchenaffinen Gründer seien nicht schnell genug umsetzbar gewesen.

Guter Bekannter aus der Branche

So bot Daum das Unternehmen seinem Wettbewerber und guten Bekannten Michael Oblinger an, dem Geschäftsführer der Michael Oblinger Recycling GmbH & Co. KG in Ingolstadt. „Michael kennt die Branche, vertritt die gleichen Werte wie wir, übernimmt alle Beschäftigten und behält sogar unseren Familiennamen im Firmennamen bei“, so Daum. „Ich kann meinen Betrieb beruhigt in seine Hände geben. Wir schätzen uns glücklich, diese Lösung gefunden zu haben.“

Nachfolge rechtzeitig einleiten

Wie Daum müssen viele Firmenchefs eine Nachfolgelösung für ihren Betrieb finden. In Bayern stehen von 2022 bis 2026 rund 142.000 Familienunternehmen zur Übergabe an, ermittelte das Bayerische Wirtschaftsministerium. Potenzielle Nachfolger jedoch sind rar. „Eine Nachfolgeregelung ist per se komplex, die Suche nach einem kompetenten, motivierten Nachfolger anspruchsvoll: Um die beste Lösung zu finden, gilt es also mehr denn je, die Nachfolgeregelung rechtzeitig zu starten“, betont IHK-Experte Wolfgang Wadlinger.

Für alle Fälle: Notfallplan aufsetzen

Von der ersten Vorüberlegung bis zur endgültigen Übergabe sollten rund zehn Jahre eingeplant werden. Davon nimmt der praktische Übergabeprozess zwei bis drei Jahre in Anspruch. „Im Alter von 50 bis 55 sollten Firmenchefs sich also die ersten Gedanken machen“, empfiehlt Wadlinger. Zumal niemand davor gefeit sei, kurzfristig krank zu werden. „Deshalb sollte stets auch vorausschauend ein Notfallplan aufgesetzt werden.“

Gelungene Nachfolge – was sind die wichtigsten Schritte?  Marcel Hülsbeck, Inhaber der Spitzenprofessur für Transformation und Innovation in mittelständischen und Familienunternehmen an der Hochschule München, rät, mit einem kritischen Blick auf die Substanz des Unternehmens zu starten. Die Übergeber sollten ehrlich mit sich sein: Viele Unternehmen stehen sehr gut da, andere sind nicht zukunftsfähig. Nach Schätzung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums ist von den 142.000 zur Nachfolge anstehenden Firmen lediglich ein gutes Viertel tragfähig genug für eine Übergabe.

Betrieb zukunftsfähig aufstellen

„Die erste Frage lautet also: Lohnt es sich wirklich weiterzumachen? Gibt es eine tragfähige langfristige Vision für das Unternehmen?“, sagt Experte Hülsbeck. „Das ist auch gegenüber den potenziellen Nachfolgern fairer, denn diese müssen sich in Zukunft in einem noch digitaleren, internationaleren, nachhaltigeren Wettbewerbsumfeld bewegen.“ Der Betrieb müsse so aufgestellt sein beziehungsweise vorbereitet werden, dass die neue Führung diese Herausforderungen stemmen könne.<

Eine innerfamiliäre Übergabe ist nach wie vor eine häufige und beliebte Lösung. „Aber weniger patriarchalisch als früher“, sagt Hülsbeck. „Es muss nicht mehr der erstgeborene Sohn sein, inzwischen übernehmen zu rund 40 Prozent Töchter.“ Auch der Blick auf Nichten oder Neffen lohne. Etwa wenn die Kinder eigene Karrieren verfolgen, selbst Firmen gegründet haben oder in der Übernahme des elterlichen Betriebs für sich persönlich keine sinnstiftende Perspektive sehen.

Übergabeoptionen prüfen

„All das muss erlaubt sein“, so Hülsbeck. „Wichtig: Einer muss rechtzeitig die Initiative ergreifen. Eltern sollten für die Übernahme werben, ohne zu drängen, die Kinder klar ihre Prioritäten artikulieren.“

Zugleich sollten Unternehmen stets auch eine externe Lösung prüfen. Infrage kommen zum Beispiel folgende Möglichkeiten:

  • Mitarbeitende übernehmen die Firma. Sie kennen den Betrieb und die Kunden, stehen für Kontinuität, man kann ihnen vertrauen. Gleichzeitig gilt es, sie auch für die Übernahme zu befähigen und eine finanzielle Lösung zu finden.
  • Ein Wettbewerber kauft das Unternehmen. Er kennt die Branche und kann von der Übernahme der Fachkräfte oder zusätzlichen Geschäftsfeldern profitieren.
  • Ein kompetenter, branchenaffiner Gründer kauft den Betrieb, statt sich mit einer eigenen Idee selbstständig zu machen.
Externen Unterstützerkreis aufbauen

„All diese Abwägungen fallen leichter, wenn die Erwartungen an den Nachfolger klar formuliert sind“, betont Hülsbeck. Je näher die Übergabe rückt, umso hilfreicher ist ein Unterstützerkreis oder Beirat, betont der Experte. Dieser bringe den Blick von außen und zusätzliche Kompetenzen ein. Der vertraute Steuerberater, der Hausjurist, ein Berater oder auch Freunde böten sich an. „Das mildert auch die Emotionalität und Konfliktgefahr: Es geht um das Lebenswerk, das fortgesetzt werden soll, um Bewahrung und Aufbruch, um Loslassen und Neuanfang. Das funktioniert nur selten ganz harmonisch.“ Zugleich gelte es, einen professionellen Zeitplan und Meilensteine zu definieren. Hülsbeck: „Übergabe ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein Prozess.“

To-do-Liste für praktische Übergabe

Bleibt die praktische Übergabe. Bedeutende Punkte auf der To-do-Liste sind hier:

  • Due Diligence, also die eingehende Prüfung der Firma durch den Käufer
  • ein Businessplan, der die nächsten Jahre abbildet
  • die Ermittlung des Kaufpreises bei einer externen Lösung beziehungsweise die finanzielle Regelung innerhalb der Familie inklusive Einigung mit weiteren Erben
  • die etwaige Beantragung von Krediten oder Fördermitteln für Beratung oder Kauf
  • die Klärung steuerlicher Fragen
  • Regelungen für Mitarbeiter
  • das Aufsetzen des Vertragswerks
Aufgabe für Senioren: Loslassen lernen

Seniorchefs stehen außerdem vor der Aufgabe, sich ein Leben neben und nach dem Unternehmersein aufzubauen. Und dann müssen sie tatsächlich loslassen – was sich oft als große Herausforderung erweist. Sicher sei es sinnvoll, wenn der Übergeber zunächst noch begleitend an Bord bleibe, sagt Experte Hülsbeck. „Aber es braucht eine klare Rollendefinition. Die Nachfolger, insbesondere wenn es die eigenen Kinder sind, dürfen nicht mehr von den Eltern bevormundet werden. Sie sind die neuen Entscheider, der Ex-Chef muss ihnen das Feld überlassen.“ Das sollten die Nachfolger auch einfordern. Am besten ist es, bereits im Vorfeld der Übergabe eine gleichberechtigte Multigenerationenführung zu etablieren. Sie ermöglicht den Senioren bei der finalen Übergabe einen leichteren Abschied.

Kinder hatten das letzte Wort

Richtige Personen, die aufeinandertreffen, können auch ganz schnell gute Lösungen finden. Im Beispiel von Karl Daum ging die Übergabe innerhalb eines Jahres vonstatten. Es half, dass Übernehmer Michael Oblinger (57) bereits voll im Thema war. Er hatte im eigenen Unternehmen begonnen, eine Nachfolge vorzubereiten. „Meine Kinder führen den Betrieb schon mehrere Jahre in verantwortlichen Positionen mit“, berichtet er. „Es stand an, dass ich mich in den nächsten drei Jahren zurückziehe.“ Daher überließ Oblinger auch seinen Kindern Michael und Lena die endgültige Entscheidung über den Kauf. „Sie wollten den Daums nicht nur helfen. Sie sahen zudem eine gute Expansionsmöglichkeit für uns“, so Oblinger.

Gute Möglichkeit, zu expandieren

Denn mit dem Kauf kommen weitere Tätigkeitsfelder hinzu: die Entsorgung und Stilllegung von Öltankanlagen, der Betrieb von öffentlichen Automatentankstellen, unterirdische Mineralöllager an zwei Standorten mit eigenem Tankwagen für die Versorgung von Haushaltstankanlagen und Gewerbebelieferung mit Diesel und Heizöl. „In unserem angestammten Geschäftsfeld mit Abfallentsorgung und Containerdienst haben wir unseren Aktionsradius sinnvoll erweitern können“, sagen die beiden Junioren. „Und mit den Themen rund um Mineralöl betreten wir interessantes Neuland.“

Rechnen, prüfen, Kauf abschließen

Danach ging es in die konkrete Umsetzung: „Wir haben uns mit unseren jeweiligen Steuerberatern und dem Notar an einen Tisch gesetzt, die Zahlen durchgerechnet, den Betrieb und die Beschäftigten kennengelernt, einen Kaufpreis ermittelt, den Kauf abgeschlossen. Wir hatten alle keine Erfahrung mit Verkauf und Kauf und brauchten die Experten“, so Oblinger.

Seit dem 1. Januar 2024 ist die ehemalige Karl Daum GmbH nun als Karl Daum Recycling GmbH gleichberechtigt in den Händen von Oblinger und seinen Kindern. Daum bleibt ein selbstständiges Unternehmen. „Es wird nicht in Oblinger Recycling integriert und gehört den Kindern sofort mit“, erläutert Oblinger. „Das ist auch rechtlich und steuerlich eine gute Lösung.“

Der alte Lotse geht von Bord

Aktuell ist Karl Daum noch begleitend an Bord: Er fährt mit zu Kunden, erklärt den Hintergrund des Verkaufs, stellt die neuen Besitzer vor – und nimmt so auch Abschied von seinem Betrieb. Oblinger: „Die Begleitung wissen die Kunden und auch wir sehr zu schätzen, es rundet die Übergabe ab. Und dann zählt nur noch Karls Gesundheit.“    

IHK-Info zur Unternehmensnachfolge

Die IHK bietet umfassende Unterstützung bei der Planung und Umsetzung des Generationswechsels.

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