Wiesn im Visier: Steffen Marx – die siebte Brauerei
Steffen Marx will mit seiner Giesinger Biermanufaktur die etablierten Brauereien in München herausfordern – und peilt sogar den Sprung auf die Wiesn an.
Von Harriet Austen, IHK-Magazin 09/2024
Die Idee ist typisch für Steffen Marx: ein Film über sich selbst und die Geschichte des Giesinger Bräus als Marketingmaßnahme. Ende Mai 2024 startete „Straight outta Giasing“ in ausgewählten Kinos. Marx, Geschäftsführer der Giesinger Biermanufaktur GmbH, ging höchstpersönlich mit auf Tour. „Wir sehen, wie die Leute unsere Marke wahrnehmen. Das hilft bei der weiteren Positionierung“, erklärt er.
2005 verkündete der gebürtige Thüringer, das beste Münchner Bier brauen zu wollen. An diesem Traum hält er beharrlich fest. Der gelernte Getränkebetriebswirt bewältigte drohende Pleiten, ging durch Hochs und Tiefs und ließ sich durch nichts einschüchtern. Heute residiert er in einer stattlichen, hochmodernen Brauerei im Norden der Stadt. „Das war der entscheidende Durchbruch“, meint Marx.
Zugereister braut Münchner Helles
Er hat geschafft, was keiner für möglich hielt: Als siebtes Unternehmen darf er seit 2021 ein Original Münchner Helles herstellen, das nur mit Münchner Grundwasser und im Stadtgebiet gebraut werden darf. Für eine Million Euro ließ Marx einen Tiefbrunnen bohren. „Das war es mir wert.“
Begonnen hat er wie viele Start-up-Gründer: in einer Garage. Sein Bierlaboratorium stellte unter anderem das unfiltrierte Kellerbier „Giesinger Erhellung“ her. Das kam bei den lokalen Kunden gut an. Finanziell und technisch fehlte es allerdings an allen Ecken und Enden, um über den Stadtteil oder gar über die Stadtgrenzen hinaus bekannt zu werden.
Wichtige Stütze: private Investoren
Die Lösung: private Investoren, die sich von der Begeisterung des Brauereichefs anstecken ließen. „Sie sind bis heute eine wichtige Stütze und Teil des Geschäftsmodells“, erklärt Marx. Bisher gewann der unkonventionelle Geschäftsmann in insgesamt 6 Kampagnen rund 8.000 Geldgeber, „alle Botschafter unserer Marke“.
Das eingesammelte Kapital ermöglichte die weitere Entwicklung: Marx konnte den Ausstoß signifikant erhöhen und sammelte gleichzeitig erste Erfahrungen als Wirt und Betreiber des Giesinger Bräustüberls. Bald schon überstieg die Nachfrage die Produktion, die Mitarbeiter schufteten an der Belastungsgrenze, für weiteres Wachstum fehlten die Kapazitäten.
Hightech-Brauerei
„So kann es nicht weitergehen“, fand Marx und wagte den nächsten Schritt. Im Juni 2020 eröffneten er und sein Team eine Hightech-Brauerei in der Lerchenau, die er für 10 Millionen Euro von Projektentwickler und Vermieter Aurelis Real Estate nach seinen Plänen errichten ließ. 10 Millionen Euro investierte die Brauerei aus eigenen Mitteln in die Technik. Hier werden derzeit 40.000 Hektoliter pro Jahr der Volumensorten Helles, Giesinger Erhellung, Weißbier und Alkoholfreies gebraut; sie machen 90 Prozent des Ausstoßes aus.
Die momentane 2/3-Auslastung findet Marx „beruhigend“ und ergänzt: „Hier können wir relativ einfach wachsen, aber auch unsere Philosophie leben.“ Damit meint er die bodenständige Nahbarkeit mit Brauereiführungen, Firmenfesten in der für alle offenen Eventlocation oder Hoffesten wie die Lange Nacht der Brauereien. Derzeit beschäftigt Giesinger Bräu 111 Mitarbeiter und stellt 25 Biersorten her.
Marketingclou – die 0,33-Liter-Bierflasche
Um sich als kleine Privatbrauerei von anderen abzuheben, lässt sich Marx Ungewöhnliches einfallen. Wie zum Beispiel eine neue 0,33-Liter-Bierflasche, die er inzwischen millionenfach produziert und als zusätzliche Einnahmequelle an 90 andere Brauereien als Lizenzprodukt verkauft.
Man merkt dem Brauereichef an, wie stolz er darauf ist, „Geld zu verdienen mit dem, was mir Spaß macht“. Dieses Jahr schrieb Giesinger Bräu zum ersten Mal schwarze Zahlen. „Jetzt geht es vor allem darum, zu wachsen und die Erträge weiter zu stabilisieren“, nimmt Marx sich vor.
Zweites Standbein: Stehausschänke
Dabei setzt er auch auf die Tradition der Stehausschänke, die er in allen 25 Münchner Stadtteilen per Franchise etablieren möchte. „Durch dieses zweite Standbein werden wir sichtbarer und können den Bierabsatz mit relativ einfachen Mitteln erhöhen“, ist er überzeugt.
Jetzt noch auf die Wiesn!
Als nächsten „logischen Schritt“ steuert der 46-Jährige selbstbewusst einen Ausschank auf dem Oktoberfest an. Für ihn würde das die größte regionale, nationale und sogar internationale Anerkennung bedeuten. „Das kann aber nur der Stadtrat entscheiden“, sagt er und meint, in 2 bis 3 Jahren könnte es so weit sein. „Dann habe ich alles erreicht, was ich wollte.“
Zur Person: Steffen Marx
Steffen Marx gründete 2005 nach 2 abgebrochenen Studiengängen die heutige Giesinger Biermanufaktur und Spezialitätenbraugesellschaft mbH in München. 2014 eröffnete er in der umgebauten Trafohalle am Giesinger Berg eine größere Brauerei und ein Wirtshaus. 2020 nahm Marx das hochmoderne Werk2 in der Lerchenau mit erweiterten Produktionskapazitäten und einem Tiefbrunnen in Betrieb. Seitdem darf er als siebte Brauerei Original Münchner Helles brauen.