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Grüne Energie für dahoam

Thorsten Jochim ©
Die Firmengründung war eine »echte Pioniertat«, sagt Ulrich Schwarz, Chef der Kraftwerke Haag

Strom aus der Region für die Region: Seit 100 Jahren gilt dieses Motto in Haag und Umgebung. Ein 1921 geplantes Wasserkraftwerk bildet die Keimzelle der heutigen Kraftwerke Haag Gruppe. 

Eva Elisabeth Ernst

Lieber preiswerte heimische Wasserkraft als Kohle aus dem Ruhrgebiet – so lautete der Leitgedanke der fünf Investoren aus Oberbayern, die 1921 die Kraftwerke Haag AG gründeten und den Bau des Kraftwerks Vorderleiten ermöglichten.

»Das war eine echte Pioniertat«, findet Ulrich Schwarz, Geschäftsführer der Kraftwerke Haag GmbH. »Der Siegeszug des elektrischen Stroms nahm in dieser Zeit erst langsam Fahrt auf. Vor 100 Jahren begannen Städte und Gemeinden nach und nach damit, ihre Straßen elektrisch zu beleuchten und Industrieunternehmen mit Strom zu versorgen.«

Damals überdimensioniert, heute drei Prozent des Verbrauchs abgedeckt

1923 ging schließlich das Wasserkraftwerk in Betrieb. Mit einer maximalen Leistung von 900 Kilowatt, mit der jährlich bis zu drei Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt werden können, galt es damals als völlig überdimensioniert. Heute deckt der produzierte Strom nur noch zwei bis drei Prozent des Verbrauchs im Einzugsgebiet. Dies erstreckt sich auf eine Fläche von 330 Quadratkilometern rund um die Marktgemeinde Haag in Oberbayern.

Im Laufe der vergangenen 100 Jahre ist das Unternehmen organisch gewachsen. »Wir haben immer wieder kleinere Netzbetreiber übernommen, für die sich der Betrieb ihres Stromnetzes nicht mehr gelohnt hat«, erklärt Geschäftsführer Schwarz. Die letzte dieser Transaktionen fand 2011 statt, als das Elektrizitätswerk Mittermeier aus Isen eingegliedert wurde. Unter dem Dach der Haager BeteiligungsAG agieren heute vier Tochterunternehmen. Die KWH Netz GmbH ist für den Betrieb des Stromnetzes verantwortlich. Die Kraftwerke Haag GmbH verkauft Strom und steht damit im direkten Wettbewerb mit anderen Stromanbietern. Die Energieerzeugung Haag GmbH betreibt das Kraftwerk Vorderleiten, die KWH Service GmbH fungiert als Dienstleister der Unternehmensgruppe und übernimmt übergeordnete Tätigkeiten wie Buchhaltung und Personalwesen.

Das Netz wächst weiter

65 Prozent der Aktien der Dachgesellschaft hält ein privater Großaktionär, der zugleich als Vorstand der Haager Beteiligungs AG agiert. Der Rest ist in Streubesitz, unter anderem bei Familienmitgliedern der Gründer. Aber auch die Bayernwerk AG, eine 100-prozentige Tochter des E.ON-Konzerns, hält Anteile. An zwei Netzübergabestellen ist das Haager Stromnetz an das Netz der Bayernwerk AG angeschlossen, um die benötigte und die eingespeiste Strommenge kontinuierlich auszugleichen. »Über das Jahr gesehen, wird in unserem Gebiet mittlerweile mehr Energie erzeugt als verbraucht«, sagt Schwarz.

Stromeinspeisung aus Biogas- oder Photovoltaikanlagen

Aktuell gibt es im Netz der KWH Netz GmbH über 2.500 Stromeinspeiser mit Biogas- oder Photovoltaikanlagen – Tendenz steigend. Da in der Region derzeit viele Wohnhäuser gebaut werden, bei denen seit Kurzem die Ausstattung mit Photovoltaikanlagen gesetzlich vorgeschrieben ist, wächst das Netz der KWH Netz GmbH weiter.

»Für uns ist das Fluch und Segen zugleich«, sagt Schwarz. »Natürlich freut es uns, wenn möglichst viel Strom regenerativ erzeugt wird und wir neue Kunden gewinnen können.« Andererseits erfordere dies hohe Investitionen in den Ausbau des Stromnetzes und die Ertüchtigung der Leitungen. »Denn die Netze wurden einst gebaut, um Strom zu beziehen und nicht, um ihn auszuspeisen«, erklärt der Geschäftsführer. »Sie sind aktuell am Ende der Belastungsgrenze.«

Schwierige Finanzierung

Dass die gesetzlich vorgegebene Abschreibungsfrist für diesen Teil der öffentlichen Infrastruktur 40 Jahre beträgt, erschwere die Finanzierung, sagt Schwarz. »Die Banken vergeben für maximal zehn bis 20 Jahre Kredite.« Dazu kommt, dass Stromnetzbetreiber, die ja in ihren Gebieten Monopolisten sind, strengen gesetzlichen Regulierungen unterliegen – auch im Hinblick auf die Netzentgelte, die sie ihren Kunden berechnen dürfen. Wegen der hohen Investitionen in das Stromnetz und der gesetzlich regulierten Netzentgelte ist das geschäftliche Umfeld für die KWH Netz GmbH aktuell schwierig.

Grundsätzlich regionale Anbieter

Anders sieht es bei der Kraftwerke Haag GmbH aus, die sich als Stromanbieter eines hohen Marktanteils von rund 80 Prozent erfreut. »Es gibt durchaus günstigere Anbieter«, räumt Geschäftsführer Schwarz ein. »Aber wir sind der Stromanbieter aus der Region für die Region – und das wissen unsere Kunden zu schätzen.« Unter dem Claim »Energie für dahoam« wird dieser Aspekt bei allen Kommunikationsmaßnahmen betont. Das Sponsoringkonzept spiegelt diesen Anspruch wider: Das Unternehmen fördert regionale Sportvereine, Blaskapellen, Büchereien und allerlei weitere Kultur- und Brauchtumsorganisationen im Netzgebiet. Darüber hinaus werden bei Anschaffungen und Aufträgen grundsätzlich regionale Anbieter berücksichtigt. »Außerdem kommt es gut an, dass wir ein Kundencenter unterhalten, wo ein persönlicher Ansprechpartner bei Fragen und Problemen weiterhilft«, meint Schwarz.

Dennoch gibt es auch in diesem Geschäftsfeld neue Herausforderungen und Mitbewerber. So verkaufen zum Beispiel einige Anbieter von Wärmepumpen oder Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ihre Hardware mittlerweile inklusive Strom-Flatrate. »Dann hat der Endverbraucher keinen Einfluss mehr darauf, woher er den Strom bezieht«, sagt Schwarz.

Übergeordnetes strategisches Ziel

Um die Stromwertschöpfung auch künftig in der Region zu halten, entwickeln die Kraftwerke Haag daher ebenfalls Kombiangebote für Ladeinfrastruktur sowie Photovoltaikanlagen plus Speicher. Die Energiewende vor Ort umzusetzen, ist für den 52-jährigen Diplom-Kaufmann Schwarz, der seit Studium und Promotion in der Energiewirtschaft tätig und seit 2015 Geschäftsführer der Kraftwerke Haag GmbH ist, das übergeordnete strategische Ziel. Dabei spielen nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern auch technische Innovationen eine wichtige Rolle. Ausgesprochen interessant findet er zum Beispiel die Möglichkeit, Strom in großem Maßstab mittels Wasserstofftechnologie zu speichern. Schwarz: »Es gibt auch für uns als mittelständischen lokalen Anbieter immer wieder neue Themen.«

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