Gut vernetzt

Das Enterprise Europe Network bietet kleinen und mittleren Unternehmen Unterstützung im internationalen Geschäft. Zu Jahresbeginn startete die neue Förderperiode – mit einigen Veränderungen.
EVA MÜLLER-TAUBER, Ausgabe 04/2022
Manchmal ist Hilfe von Experten bares Geld wert. Das erfuhr auch die Sky-Skan Europe GmbH in Seeshaupt, die Planetarien, Museen und Theater in Europa mit Multimediasystemen versorgt. Das Unternehmen mit sieben Festangestellten hatte in der katalanischen Stadt Àger ein Planetarium modernisiert und wollte dafür seine Rechnung stellen. »Dies war online allerdings nicht möglich«, erinnert sich Ursula Schwarzer (54), bei Sky-Skan verantwortlich für Marketing und Administration.
Auf katalanischer Seite hatte sich im Rechnungssystem nicht nur ein hartnäckiger Softwarebug eingeschlichen. Für die Rechnungsstellung verlangte das spanische Gesetz zudem eine digitale Signatur. Eine solche konnte Sky-Skan Europe zwar vorweisen, »aber weil deutsche Behörden sie ausgestellt hatten, besaß sie in Spanien keine Gültigkeit«.
Um trotzdem die nicht unerhebliche und bereits verdiente Geldsumme einfordern zu können, kontaktierte Sky-Skan die IHK für München und Oberbayern als lokalen Partner des European Enterprise Network (EEN) Bayern.
Know-how bei internationalen gesetzlichen Vorgaben
Die IHK wandte sich unter anderem an die Deutsche Handelskammer für Spanien, das Deutsche Generalkonsulat in Barcelona und das Bayerische Wirtschaftsministerium – mit Erfolg. »Letztendlich haben die Behörden in Àger eine Rechnung in PDF-Form zuzulassen«, berichtet Schwarzer. Sie nutzt seither immer wieder das Angebot und Know-how der EEN-Experten bei der IHK. Und sei es nur, um sich abzusichern, dass sie hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben in den Ländern ihrer Geschäftspartner auf dem aktuellsten Stand ist.
Angebot für weitere dreieinhalb Jahre gesichert
Ob Zahlungsverkehr, spezifische Einreiseregeln bei Corona oder die Entsendung von Mitarbeitern in Drittländer – für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist das EEN Bayern seit 2008 ein hilfreicher Partner, wenn es darum geht, im internationalen Geschäft durchzustarten oder grenzüberschreitende Probleme zu lösen. Das umfangreiche und für Firmen weitgehend kostenlose Angebot ist für weitere dreieinhalb Jahre gesichert:
Im Januar 2022 hat beim EEN Bayern die neue Förderperiode begonnen – mit einigen Neuerungen.
So fungiert das EEN-Team der IHK für München und Oberbayern künftig als Stabsstelle. »Das heißt: Bei uns laufen nach wie vor die Anfragen der Unternehmen ein und wir bearbeiten sie, ziehen jedoch je nach Komplexität des Themas auch Experten aus den IHK-Fachabteilungen hinzu, wir beraten also vernetzter«, erläutert Friedhelm Forge, EEN-Ansprechpartner bei der IHK.
Neue Schwerpunkte
Zudem setzt das Netzwerkteam neue Schwerpunkte: Bis 2025 stehen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Resilienz der KMU im Fokus. »Alle Partner des EEN Bayern werden ihre spezifischen Services verstärkt auf diese gesellschaftspolitisch wichtigen Themen ausrichten und ihren Beitrag dazu leisten«, erklärt Uwe Schüssler, Leiter Technologie und Innovationsvermarktung bei Bayern Innovativ in Nürnberg.
Bayern innovativ hat die Gesamtkoordination des EEN Bayern von der IHK übernommen. Für die bayerischen Unternehmen ändert sich dadurch jedoch nichts. »Wie bisher bleibt jeder Partner des EEN Bayern für die Kunden direkt ansprechbar«, so Schüssler.
Spezifische Werkzeuge für kleinere und mittlere Unternehmen
Bayern Innovativ hilft KMU insbesondere bei der Weiterentwicklung von Innovationsstrategien und -management. Hier spielt die Integration von Digitalisierung und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Auf EU-Ebene wurde hierzu eine Reihe spezifischer Werkzeuge entwickelt, mit denen kleine Betriebe ihre Situation objektiv analysieren können. »Die Anwendung dieser Werkzeuge ist jedoch nicht ganz einfach«, räumt Schüssler ein. »Hier unterstützen wir die Kunden in ihrer Vorbereitung und leiten sie als Moderator durch die Analyse und den Auswertungsprozess.«
CSN-Assessment zur Überprüfung von Nachhaltigkeit
Die Meiller Aufzugtüren GmbH in München hat eines dieser Instrumente bereits genutzt und an einem CSN-Assessment (Corporate Sustainability Navigator) teilgenommen. Sie wollte wissen, wie es um die Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen bestellt ist.
»Dabei hat sich herausgestellt, dass wir bereits in fast allen überprüften Bereichen eine hohe Performance nachweisen können, aber mit diesen guten Ergebnissen oftmals nicht nach außen treten und diese publizieren«, erklärt Meiller-Prokurist Klaus Schafranietz. »Diese Erkenntnis hat uns sehr geholfen, wir haben diesen Zustand auch sofort geändert.«
Bayern Innovativ als Anlaufstelle für Normen
Weitere Neuerung: Das EEN-Bayern-Expertenteam des TÜV Rheinland ist zu Bayern Innovativ gewechselt. »Damit gibt es für KMU in Bayern weiterhin eine Anlaufstelle beim EEN für Produktkonformität und Normenthemen«, betont Schüssler. Schließlich müssen neue Waren die Produktsicherheitsvorschriften der EU erfüllen, um auf den europäischen Markt gebracht werden zu können.
Zur Produktsicherheit zählt auch die Lebensmittelsicherheit, die federführend von der IHK betreut wird. »Hygieneverordnungen, Zertifizierungen, Kennzeichnungsvorgaben – hier gibt es zahlreiche Pflichten und Vorschriften, die KMU im grenzüberschreitenden Handel beachten müssen. Wir helfen ihnen, sich hier zurechtzufinden und diese in der Praxis richtig anzuwenden«, so IHK-Experte Forge.
Umfassende Länderberatungen
Die IHK-Ansprechpartner des EEN stehen zudem für umfassendere Länderberatungen zur Verfügung und helfen Firmen, geeignete Fördermittel sowie Partner aus anderen Ländern zu finden, die mit ihnen zukunftsfähige Geschäftsideen umsetzen. So wie bei einem bayerischen Modedesigner, der für kleine Serien eine Näherei in Europa suchte und schließlich dank des EEN in Polen ein entsprechendes Netzwerk fand.
»Da sich die Coronasituation etwas entspannt, werden wir zudem hoffentlich bald unsere Feedback-Veranstaltungen mit der Bayerischen Vertretung in Brüssel wieder in Präsenz veranstalten«, sagt EEN-Experte Forge. Bei diesen Treffen können Unternehmer aus dem Freistaat persönlich in der belgischen Hauptstadt mit Vertretern der EU-Kommission und des EU-Parlaments zu speziellen Themen in Dialog treten, zuletzt etwa zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und zu ePrivacy.
Stichwort: EEN Bayern
EEN Bayern ist ein Konsortium aus verschiedenen Organisationen der bayerischen Wirtschaft, darunter die IHK für München und Oberbayern, die Handwerkskammer für München und Oberbayern, Bayern Innovativ, das Auftragsberatungszentrum Bayern und die Bayerische Forschungsallianz. Jeder Partner bringt eine spezifische Kompetenz ein. Die EU fördert das EEN Bayern als Teil des paneuropäischen Enterprise Europe Netzwork.
Das weltweit größte Fördernetzwerk für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) umfasst 600 Mitgliedsorganisationen in mehr als 60 Ländern und unterstützt Firmen beim Wachstum, dem Zugang zu Finanz und Fördermitteln, bei Fragen zur Anwendung des EU-Rechts, bei Innovationsvorhaben und der Suche nach potenziellen Geschäftspartnern in ganz Europa und darüber hinaus.