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Kloster Frauenwörth – in der Abtei leben Benediktinerinnen

Eine Schutzpatronin, tüchtige Klosterschwestern, emanzipierte Künstlerinnen – auf der Fraueninsel im Chiemsee gibt es viele Spuren selbstbestimmter Weiblichkeit.

Cornelia Knust, Ausgabe 09/2021

In Zeiten der Geschlechtergerechtigkeit wirkt sie fast unangemessen, die Unterscheidung in Herreninsel und Fraueninsel. Zumal auf Herrenchiemsee ein mächtiges Königsschloss und ein trutziges Chorherrenstift zu finden sind, während die kleine Fraueninsel mit ihrem streng verschlossenen Kloster, ihren dörflichen Häusern und alten Linden eher unprätentiös daherkommt. Doch die Fraueninsel muss sich nicht verstecken. Das Eiland im Chiemsee, das vom Anleger in Prien in einer knappen halben Stunde Fahrtzeit zu erreichen ist und doch wie aus der Zeit gefallen wirkt, scheint ein Hort unabhängiger Weiblichkeit zu sein.

Das Benediktinerinnen-Kloster »Frauenwörth« aus dem 7. Jahrhundert wurde zwar von einem Mann gegründet, Herzog Tassilo III. von Bayern. Aber heute spricht man nur noch von der berühmte Äbtissin Irmengard (832–866), Urenkelin Karls des Großen, die zur Schutzpatronin des Chiemgaus avancierte und wegen ihrer Fürsorge für die Armen 1928 seliggesprochen wurde. Sie ruht in einer Kapelle des Marienmünsters, einer uralten Basilika, die an das Kloster angrenzt und für ihren frei stehenden Glockenturm mit Zwiebelhaube bekannt ist.

Seminarbetrieb, Klosterladen, Gästehaus

Nach der Säkularisation und Schließung des Klosters 1803 war es zwar wieder ein Mann, der den Fortbestand sicherte, der Bayernkönig Ludwig I. Doch die Idee für den Schul- und Internatsbetrieb, der den Unterhalt sichern sollte, kam von fünf verbliebenen alten Klosterschwestern. Den Betrieb führten von 1838 bis 1995 Frauen für Mädchen. Die knapp 20 Klosterschwestern heute organisieren mit ihren Mitarbeitern einen ganzen Seminarbetrieb mit moderner Unterkunft für die Erwachsenenbildung (hier sind auch Männer zugelassen).

Sie führen zudem einen Klosterladen und das separate Gästehaus »Scholastika«, das allerdings gerade generalsaniert wird. Wer hier gebucht hat, darf nach wenigen Schritten vom Dampfer herauf die sonst streng verschlossene Klosterpforte passieren. In einem schön bepflanzten Hof steht ein kraftvoller, ebenmäßiger Bau aus dem Jahr 1611. Hier wohnte früher der Bischof, wenn er im Kloster zu Gast war. An der Treppe wartet freundlich und energisch die leitende Schwester zur Begrüßung. Die Zimmer sind einfach, das Bad die Treppe runter, aber der Blick auf See und Berge ist ergreifend. Hier kann man zur Ruhe kommen.

Teilnahme am Stundengebet der Schwestern

Möglich ist sogar die Teilnahme am Stundengebet der Schwestern in der modernisierten Abtei, die über verwinkelte Klosterflure gesucht werden muss. Im düsteren Äbtissinengang reiht sich Bildnis an Bildnis aus vergangenen Frauen-Generationen. Gegessen wird sehr sparsam am Gemeinschaftstisch in einem Seitentrakt. Die Abgeschiedenheit und auch die hierarchische Strenge des Klosterlebens werden spürbar.

Wie anders müssen sich die Künstlerinnen ab 1850 auf der Insel bewegt haben, deren Spuren die Kulturforscherin Ingvild Richardsen aufgespürt hat. Wieder waren es zwar Männer gewesen, allen voran der Landschaftsmaler Maximilian Haushofer, die den Geheimtipp Fraueninsel im frühen 19. Jahrhundert entdeckten und die Anfänge einer Künstlerkolonie bereiteten. In den verlassenen Räumen des bis 1838 geschlossenen Klosters richteten sie ihre Ateliers ein. Doch später kamen die Frauen. Die Schriftstellerinnen Emma Haushofer-Merk, Carry Brachvogel und Eva Gräfin von Baudissin sowie die Malerin Marie Haushofer.

Eiland zahlreicher Künstlerinnen

In ihrem Buch »Die Fraueninsel« (Volk-Verlag) will Richardsen diesen vergessenen Frauengestalten zu eigenem Recht verhelfen und präsentiert Auszüge aus ihren Werken. Die vier Freundinnen seien von großer Bedeutung für die Frauenbewegung in Bayern gewesen. Selbstbestimmung und finanzielle Unabhängigkeit waren ihre Themen. Sie führten in München literarische Salons, gründeten einen Schriftstellerinnenverein und einen Frauenclub – und sie liebten die Fraueninsel.

Die Malerstochter Emma Haushofer-Merk kannte die Insel seit Kindertagen. Auch ihre Schwiegermutter stammte von dort, die Wirtstochter Anna Dumbser vom Gasthof »Zur Linde«, die der Landschaftmaler Max Haushofer einst geehelicht hatte. In der »Linde« hatte die Künstlerkolonie von jeher ihren Stammtisch, ihren »Malerwinkel« mit dem »Malerwappen« und der »Künstlerchronik« – das alles gibt es noch heute. Die Malweiber allerdings, die sich zu Studienzwecken auf der Insel tummelten, wurden noch Anfang des 20. Jahrhunderts von den Herren eher verlacht. Die Schriftstellerinnen hatte man für ihre Werke zwar gefeiert, dann aber auch vergessen, wie Richardsen schreibt.

Schicksale in der Idylle

Erst recht in der Zeit des Nationalsozialismus, als sie ihre Frauenbünde auflösen mussten. Brachvogel, die auf der Insel das uralte Portal der Klosterkirche und das Klosterwappen mit den beiden verschlungenen Seerosenblättern so bewundert hatte, wurde als Jüdin ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie 1942 starb. Im selben Jahr wählte die Malerin Marie Haushofer, krank und ohne Aufträge, den Freitod. Die Asche der 1943 gestorbenen von Baudessin, die den Friedhof der Fraueninsel mit ihren Künstlergräbern literarisch verarbeitet hatte, scheint verschollen. Wer heute auf die Insel kommt, muss wissen, dass die Idylle längst Teil des Massentourismus ist. Die Eisenbahn hatte 1860 den Chiemsee erreichbar gemacht, die Dampfschifffahrt ab 1900 auch seine Inseln. Schon vor hundert Jahren kamen die Touristen in Scharen, die Künstler zogen sich langsam zurück.

Massentourismus versus Zauber

Selbst wenn heute noch größere Menschenmassen auf die Insel kommen, gilt wohl immer noch, was die Schriftstellerin Haushofer-Merk kurz vor ihrem Tod 1925 aufgeschrieben hat: »Wenn erst das letzte Dampfschiff fort ist, dann erwacht wieder der rechte Inselzauber, dann wird es traumhaft still; nur die Wellen plätschern leise an das Ufer und durch die alten Linden flüstern und rauschen Erinnerungen.«

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