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Fünf Länder, Hunderte Gelegenheiten

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Glänzende Aussichten – Kasachstan ist rohstoffreich (im Bild: Hauptstadt Astana)

Zentralasien im Aufschwung. Welche Chancen sich dort oberbayerischen Firmen bieten und worauf es beim Markteinstieg ankommt.

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 05-06/2023

Seit 1965 ist die Plattenhardt + Wirth GmbH auf den Bau von Kühl- und Tiefkühlräumen sowie den Industriebau spezialisiert. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz im württembergischen  Meckenbeuren, dazu diverse Niederlassungen, unter anderem in Taufkirchen. Die Aktivitäten erstrecken sich aber weit darüber hinaus. Einer der Schwerpunkte liegt auf Zentralasien. Dazu werden Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan gezählt.

Die Plattenhardt + Wirth GmbH baut Kühlhäuser, Obst- und Gemüselager in Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan. „Die Länder brauchen unsere westeuropäischen Produkte und schätzen unsere Qualität sowie Zuverlässigkeit“, sagt der Taufkirchener Niederlassungsleiter Ingolf Mayer (68).

Große bayerische Unternehmen wie die Siemens AG, die Knauf-Gruppe oder Schaeffler Technologies AG & Co. KG sind längst in Zentralasien aktiv. Der Mittelstand hingegen hat die 5 Staaten Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan bisher wenig beachtet.

Neue Schlüsselrolle zwischen Russland und China

Doch das ändert sich gerade. Seit dem Angriff auf die Ukraine und den Erfahrungen während der Coronapandemie rückt die Region zwischen Russland und China mehr und mehr in den Fokus von Unternehmen.

„Die geografische Lage war früher aufgrund der großen Nachbarn eher ein Hindernis, wenn es darum ging, ausländische Investitionen anzuziehen“, sagt Hovsep Voskanyan (38), Delegierter der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien mit Sitz in Almaty, Kasachstan. „Denn viele Unternehmer sagten sich früher: Russland und China sind genug für 2 Leben.“

Nun zeige sich, dass die Lage ein Vorteil ist und Zentralasien aufgrund der aktuellen geopolitischen Entwicklungen eine Schlüsselrolle in der Region einnehmen könnte. Als Absatzmarkt sind die 5 Länder mit insgesamt nur 80 Millionen Einwohnern zwar wenig reizvoll, aber als Produktionsstandort gewinnen sie stetig an Attraktivität.

Gebessertes Investitionsklima

Hinzu kommt, dass sich die Staaten stark entwickeln. „In Kasachstan und Usbekistan sind seit geraumer Zeit neue Regierungen an der Macht, sie haben Reformprogramme eingeleitet“, sagt Voskanyan. „Das Investitionsklima hat sich seither stetig gebessert.“

In Kirgisistan gebe es schon seit vielen Jahren „sehr ernst zu nehmende Bemühungen zur Demokratisierung des Landes“, ergänzt der oberbayerische Bauunternehmer Reinhold Krämmel (74). Er kennt die Region gut. Seit 2014 ist er Honorargeneralkonsul der kirgisischen Republik, zuvor war er fast 10 Jahre lang Honorarkonsul der Republik Kasachstan. Zwar seien auch Rückschläge zu beobachten. Dennoch: Krämmel sieht das Land schon aufgrund seiner soliden ökologischen Landwirtschaft als äußert interessant für bayerische Firmen an.

Kasachstans wirtschaftliche Führungsrolle

Die wirtschaftliche Führungsrolle in der Region beansprucht jedoch eindeutig der größte der zentralasiatischen Staaten. Das Land verfügt nicht nur über große Vorkommen an Öl und Gas, sondern auch über Uran, Eisenerz, Kohle, Kupfer, Zink und Gold. Wachsende Bedeutung hat der Logistiksektor im Rahmen der „neuen Seidenstraße“.

Megatrend: Grüne Technologien

Chancen für bayerische Unternehmen gibt es in allen 5 Ländern – in etlichen Bereichen. Wie fast überall auf der Welt sind grüne Technologien auch in Zentralasien ein Megatrend. Erneuerbare Energien wie Windenergie und Wasserkraft sollen ausgebaut werden, um die Emissionen deutlich zu senken. Hier sind Technologien aus Deutschland gefragt. Gleiches gilt für die Abfallwirtschaft.

Chancen in vielen Branchen

Da Zentralasien sehr rohstoffreich ist, wichtige strategische Rohstoffe wie seltene Erden und Buntmetalle hier in großen Mengen vorkommen, ist auch Bergbau ein interessantes Geschäftsfeld. Das gilt sowohl für die Lieferung von Ausrüstung als auch für das Rohstoffsourcing. „Es wurden aber noch nicht in dem Maße Lieferverträge abgeschlossen, wie das angesichts des Potenzials möglich wäre“, sagt Voskanyan.

Weitere Chancen sehen Experten in der Agrartechnik, die 5 Länder sind schließlich landwirtschaftlich geprägt. Auch Medizintechnik und Pharma haben gute Aussichten, insbesondere in Kasachstan, ferner die Branchen Textil, Papier, Chemie und Logistik.

Weltweit erfahrene Champions im Vorteil

Trotz aller Möglichkeiten – leicht ist der Markteintritt nicht. „Ein inhabergeführter Mittelständler hat nur dann Chancen, wenn er ein weltweit erfahrener Champion ist“, weiß Unternehmer Krämmel. „Ein Mittelständler geht am besten mit einem großen Unternehmen mit.“ Versuche man es auf eigene Faust, „braucht man sehr viel Lehrgeld auf dem Konto und einen langen Atem“. Um Komplikationen zu vermeiden, rät er, einen erfahrenen Partner vor Ort ins Boot zu holen.

Ferner sollten Firmen einen versierten Verantwortlichen, der die Gegend kennt, in die Region entsenden. Krämmel: „Der Einstieg läuft in der Regel über eine Vertriebstätigkeit mit einem lokalen Partner.“ Überdies sollten Unternehmen Services zum Beispiel für Reparatur und Wartung sicherstellen.

Dass man gut vorbereitet und „mit viel Engagement“ nach Zentralasien gehen muss, bestätigt auch Niederlassungsleiter Mayer von Plattenhardt + Wirth. „Die größte Herausforderung ist die Finanzierung“, sagt er. Außerdem sei es unerlässlich, sich interkulturelle Kompetenzen anzueignen. Plattenhardt + Wirth hat seine Mitarbeiter dazu geschult.

Messen, Marktanalysen und Delegationsreisen

Zur weiteren Vorbereitung war das Unternehmen auf verschiedenen Messen, sah Marktanalysen ein, machte lokale Ansprechpartner ausfindig. Auch an Delegationsreisen nahm der Mittelständler teil. 2016 war Mayer gemeinsam mit dem damaligen Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf einer Delegationsreise in der Region.

Schnelle Amortisation

Mit solchen Engagements konnte das Unternehmen die Risiken minimieren und die Chancen nutzen. „Alle Rechnungen wurden immer bezahlt“, sagt Mayer. Und: In nur 2 bis 3 Jahren hätten sich für ihre Kunden die Investitionen dort bereits rentiert. Daher ist es für Mayer auch selbstverständlich, weitere Lager und Kühlhäuser nach Zentralasien zu liefern. Derzeit planen sie ein großes Obstlager in Kasachstan.

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