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„Die Leute wollen feiern“

München hat sich als Städteziel „gut positioniert“, sagt Peter Inselkammer, Chef der Platzl Hotels

Der Hotelier und Wiesn-Wirt Peter Inselkammer zieht eine Wiesn-Bilanz und spricht über Bürokratie, Fachkräfte und die Frage, was Münchens Innenstadt attraktiver machen könnte.

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 11-12/2023

Sie waren gerade im Urlaub. Wo fährt ein Profi wie Sie denn hin?  
Wir waren in Südtirol. Und natürlich schaut man als Hotelier darauf, was die dort in Tourismus und Gastronomie so machen, welche Trends es gerade gibt.

Was könnte Bayern von Südtirol lernen?
Ich habe darüber auch mit einem Südtiroler Hotelier beim Essen gesprochen. Was sie dort seit vielen Jahren sehr gut machen: Sie bauen ganz auf Natur und Regionalität. Äpfel, Speck oder Wein, alles läuft unter der Marke Südtirol. Die setzen das sehr konsequent um. „Wir haben Südtiroler Küche“ – darauf sind sie stolz.

Was könnten die Südtiroler von uns lernen?
Für Mitte Oktober war das Wetter angenehm mild, für Urlauber ideal. Leider hatten sehr viele Betriebe schon geschlossen. Wir haben uns gefragt: Wo kannst du jetzt noch zum Essen hingehen? Die Restaurants, die noch offen hatten, waren gut belegt. Da habe ich mir gedacht: Schade, da hätte man deutlich mehr machen können.

Wiesn 2023: „Ein außerordentlich schönes Fest“

Die Wiesn in München hat dagegen ihr Potenzial ausgeschöpft und einen Besucherrekord verbucht. Lag das nur am Wetter?
Gut, mit 18 Tagen war die Wiesn in diesem Jahr auch zwei Tage länger als sonst. Die Stückzahlen für Essen und die Maß Bier lagen im guten Durchschnitt. Aber es stimmt, wir hatten super Wetter, das bringt die Leute raus auf die Wiesn.

Inflation, Ukraine-Krieg, schlechte Wirtschaftslage. Warum gehen die Leute trotzdem auf die Wiesn?
Das ist doch sehr menschlich. Die Leute wollen feiern, weil sie mal Abstand brauchen von den Kriegs- und Katastrophenmeldungen. Im Vorjahr war das Geschäft noch verhaltener. Jetzt war auch die Corona-Angst weg. Die Reservierungen waren wieder vollständig da. Dazu kam das Emotionale. Es war ein außerordentlich schönes Fest.

Wiesn-Tisch stärkt das Firmenrenommee

Wo kam dieser Besucherzuwachs her?
Über 80 Prozent der Wiesn-Gäste stammen aus München und seinem Umland. Wir können das anhand der Postleitzahlen der Reservierungen gut sehen. Auch Oberbayerns Firmen haben wieder voll gebucht. Es gehört zum Renommee, auf der Wiesn einen Tisch zu haben.

Was ist mit den internationalen Gästen?
Die machen etwa zehn Prozent aus. Die sind natürlich auch wichtig, weil sie die Münchner Hotels füllen. Wir hatten viele Gäste aus den USA, Italien und Großbritannien.

Nachgefragt: Veganes auf der Speisekarte

Die Berliner Autorin Franca Parianen war überrascht, dass es auf der Wiesn Bio-Hendl und veganen Leberkäs gibt.
Als Gastronom musst du dich einfach dem Trend anpassen. Die Leute fragen solche Gerichte mehr nach, also ist es richtig, etwas ohne Fleisch auf der Karte zu haben. Einfach mal ausprobieren, was geht. Auf der anderen Seite hat die Wiesn eigene Gesetze. Die Leute wollen hier Stimmung erleben, Bier trinken und typische Wiesn-Schmankerl essen. Das ist eben ein Grillhendl oder eine Schweinshaxn. Das sind einfach die Klassiker, das wird sich auch nicht so schnell ändern.

Hatten Sie Probleme, Mitarbeiter für die Wiesn zu finden?
Das ging in diesem Jahr wesentlich besser als 2022. Damals hatten wir als Nachwirkung der Pandemie noch Schwierigkeiten, einige Positionen zu besetzen. Da mussten wir improvisieren. Dieses Jahr war die Nachfrage nach Wiesn-Jobs sehr gut, zum Teil mussten wir mit Wartelisten arbeiten. Die Leute wissen eben, dass sich auf der Wiesn gutes Geld verdienen lässt, auch wenn der Job sehr anstrengend ist.

Reiselust grundsätzlich ungebrochen

Gibt es einen Punkt, bei dem das Oktoberfest noch besser werden muss?
Die Wiesn setzt schon Maßstäbe für Volksfeste, sie spielt in einer eigenen Liga. Wir haben hohe Qualitätsstandards, das Sicherheitskonzept, die Zelte, die Zusammenarbeit mit Stadt und Polizei – das ist seit Jahren top. Einen Punkt aber habe ich tatsächlich: Die Zeiten für den Auf- und Abbau sind sehr knapp bemessen. Da hätten wir gern mehr Luft.

Wie lief das Münchner Tourismusgeschäft insgesamt?
Von Januar bis März war das Geschäft noch verhalten. Im Frühjahr zog es an, im Sommer lief es sehr, sehr gut. Auch jetzt im Herbst geht das Geschäft gut. Die Reiselust ist ungebrochen. Die Leute wollen sich etwas Schönes gönnen und etwas erleben. Dafür ist Geld nach wie vor da. Im Vergleich zu anderen Städtedestinationen hat sich München gut positioniert. Wir haben sehr viel zu bieten.

Leider wachsen auch die Probleme. Der Einzelhandel schwächelt, es gibt Dauerstau auf den Straßen, der öffentliche Nahverkehr ist häufig überlastet. Wie soll das weitergehen?
Für die Innenstadt ist die Erreichbarkeit ganz wichtig. Leider hat dafür niemand eine perfekte Lösung. Ich auch nicht.

Megathema: Münchner Verkehrssituation  

Sie haben jetzt eine Fahrradstraße vor dem Hotel. Bringt das nichts?
Mehr Radwege, ja schön, aber das darf nicht das einzige Instrument sein. Wir brauchen alle Verkehrsträger, das sehe ich an mir selbst. Heute bin ich mit dem Auto hierhergefahren, weil es regnet. Sonst nehme ich lieber das Fahrrad. Gestern bin ich mit der Tram gefahren. Auch die 2. Stammstrecke, das wissen alle, ist ganz wichtig.

Bis die fertig ist, wird es aber noch eine ganze Weile dauern …
Ja, stimmt leider. Wir werden diese Konflikte immer haben. Auf der Fahrradstraße vor unserem Haus haben wir viel Schwerverkehr, der die Baustellen anfahren muss.  

Münchner City – da muss mehr los sein

Wie groß ist die Gefahr, dass der Onlinehandel die Münchner Innenstadt killt?
Ja, das ist der große Konkurrent. Deshalb müssen wir in der City etwas bieten, was es online nicht gibt. Gerade hatten wir die Aktion Nachtschwärmer 2023, eine Shopping-Nacht. Das ist wichtig. Die Leute wollen etwas erleben, das Gefühl haben, da ist was los in der Stadt. Wir brauchen Events, Bühnen, eine Performance oder Ausstellung, nach der die Leute hinterher etwas trinken und essen wollen.

Der Münchner Veranstaltungskalender ist doch schon ziemlich dick. Reicht das nicht aus?
Ich glaube, dass man noch viel mehr machen kann und muss. Das sieht man am Reizthema IAA Mobility. Vor zwei Jahren gab es da noch Kritikpunkte, aber in diesem Jahr wurde die Messe super umgesetzt. Das hat Leute in die Stadt gebracht. Die haben sich die Infostände angeschaut, sind danach zum Mittagessen gegangen oder haben sich einen Anzug gekauft.

Kanzler im Wort bei 7-Prozent-Regel

Die Mehrwertsteuer wurde in der Pandemie auf 7 Prozent in der Gastronomie gesenkt. Jetzt soll sie wieder auf 19 Prozent steigen. Wie gefährlich ist das für Ihre Branche?
Wir leiden schon jetzt unter steigenden Kosten – für Personal, Energie und Lebensmittel. Nach der Pandemie haben wir das auf die Preise umgelegt. Das Essen und Trinken ist deutlich teurer geworden. Noch ist Nachfrage da. Wenn jetzt die höhere Mehrwertsteuer obendrauf kommt, könnte es für viele Betriebe schwierig werden. Es gibt auch die Zusage von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass es bei 7 Prozent bleiben wird.

Was erwarten Sie sich von der neuen Bayerischen Staatsregierung?
Bürokratieabbau. Da würde ich mir endlich mal Fortschritte wünschen. Wir haben so viele Verordnungen und Gesetze, da blickt keiner mehr durch. Die Staatsregierung hat mit Walter Nussel sogar einen Beauftragten für Bürokratieabbau. Der ist auch sehr aktiv. Aber in der Realität spüren wir nichts.

Verfallsdatum für Gesetze

Was schlagen Sie vor?
Bevor man wieder was Neues macht, erst einmal überlegen, ob man dafür nicht zwei bestehende Regelungen abschaffen kann. Man könnte jedes Gesetz mit einem automatischen Verfallsdatum versehen. Oder einfach prüfen, ob der Nutzen einer Maßnahme im Verhältnis steht zu ihren Kosten für die Wirtschaft.

Häufigere Ruhetage – kein No-Go mehr

Der Fachkräftemangel ist dramatisch. Was bedeutet das für Ihre Branche?
Das sehen Sie ja überall. Viele Betriebe machen mehr Ruhetage oder haben nur noch abends auf. Wir müssen uns heute überlegen, ob wir noch das Personal für größere Feiern und umsatzstarke Tage haben. An Montagen und Dienstagen, wenn das Geschäft ohnehin schwächer ist, muss ich mich als Wirt fragen: Soll ich heute überhaupt aufmachen? Rentiert sich das noch?

Wie ließe sich das ändern?
Was uns nicht weiterbringt, ist die Diskussion über die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Es ist absurd zu glauben, wir könnten unseren Wohlstand halten, wenn alle weniger arbeiten. Das wird nicht funktionieren.

Alles überdenken: Gehalt, Benefits, Führungskultur

Wie bringt man mehr Leute dazu, in der Gastronomie zu arbeiten?
Ein Punkt ist natürlich das Gehalt. Mit gut 20 Prozent mehr Lohn haben wir in der Gastronomie deutlich draufgelegt. Zudem muss sich jeder Wirt oder Unternehmer fragen, wie er Leute für seine Jobs gewinnen will. Stellenbewerbung, Extra-Benefits, Stimmung im Betrieb, Führung und Unternehmenskultur – man muss wirklich über jeden Schritt nachdenken.

„Job als bestes Integrationsmodell“

Würde mehr Zuwanderung helfen?
Sicherlich. Ohne qualifizierte Zuwanderung gäbe es unsere Branche nicht mehr. Hier im Hotel haben wir Mitarbeiter mit 30 verschiedenen Nationalitäten. Ohne sie könnte ich diesen Betrieb nicht mehr führen.

Was halten Sie von der Idee, Geflüchtete schneller arbeiten zu lassen?
Das halte ich für richtig, weil uns auch Arbeitskräfte fehlen für einfache Tätigkeiten, für die man keine super Sprachkenntnisse braucht. Ein Job ist immer noch das beste Modell, das wir für die Integration haben.


Zur Person: Peter Inselkammer

Peter Inselkammer ist Chef der Platzl Hotels, Sprecher der Wiesn-Wirte, Inhaber des Armbrustschützenzelts und Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Landeshauptstadt München.

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