Sein bisher dickstes Brett

Josef Brunner zählt zu den erfolgreichsten Gründern Deutschlands. Jetzt will er mit seinem 6. Unternehmen den Lebensmittelmarkt erobern.
Von Harriet Austen, IHK-Magazin 07-08/2025
Für Deutschland 2030 hat Unternehmer und Investor Josef Brunner eine klare Zukunftsvision: „Wir brauchen ein Zielbild, das gesellschaftlich inklusiv und wirtschaftlich tragfähig ist. Sonst können wir nicht entscheiden, wo wir investieren wollen.“ Damit appelliert die von ihm mitgegründete Plattform „Unternehmer in Bewegung“ an die neue Bundesregierung, „alte Zöpfe abzuschneiden und harte Entscheidungen zu treffen“.
Für seine neueste Gründung NutriUnited Holding SE geht Brunner ebenso vor: „Ich habe NutriUnited stark am Zielbild ausgerichtet und ein relativ klares Verständnis dafür entwickelt, wie das Unternehmen aussehen muss, wenn ich fertig bin.“ Die finale Struktur von vornherein festzulegen und davon alles Weitere abzuleiten, sei eine der wichtigsten Erfahrungen, die er bei seinen 5 früheren Gründungen gemacht habe. Doch nicht nur das.
Schmerz in Kraft verwandeln
„Ich habe mich als Mensch sehr stark verändert“, sagt der Unternehmer. Er sei nicht mehr so getrieben wie früher, auch fokussierter und ausgeglichener. Bisherige Erfolge mit seinen Gründungen und ein belastbares Netzwerk würden zu mehr Gelassenheit beitragen. Vor allem aber habe er sich „in die unternehmerische Reise verliebt“.
Nicht nur, weil Unternehmertum sein Steckenpferd ist, sondern auch, weil sein Schmerz und seine daraus resultierende Kraft „irgendwohin kanalisiert werden müssen“, wie Brunner sagt. Denn, so hat er es in seinem Buch „Follow the Pain“ festgehalten: Schmerz und Erfolg liegen dicht beieinander, ganz besonders bei ihm.
Klares Ziel vor Augen
Als Brunner ein Teenager war, ging die Bäckerei seines Vaters in Konkurs, weil sie sich gegenüber den großen Ketten nicht mehr halten konnte. „Die Häme, die ihm danach entgegengeschlagen ist, seine Scham und sein verletzter Stolz, das Verlieren von Job und Haus beschäftigen mich immer noch“, sagt Brunner. Doch daraus sei auch ein „extremer Antrieb“ entstanden, der ihn härter und resilienter gemacht habe.
Damals sah der 16-Jährige nur einen Ausweg, um seinen Eltern zu helfen: die Schule abbrechen und sich selbstständig machen. Er gründete sein 1. Unternehmen und baute von dem Verkaufserlös ein Haus für seine Eltern. Damit war der Grundstein für die unternehmerische Karriere des jungen Mannes gelegt, der eigentlich Quantenphysiker werden wollte. Auf kaufmännischem Gebiet war er völlig unerfahren. Ihm war wichtiger, ein Ziel vor Augen zu haben, als zu wissen, wie Unternehmertum geht.
„Konträre, komplexe Themen herausgesucht“
Ab diesem Zeitpunkt hielt ihn nichts mehr auf. „Ich bin sehr schmerzresilient geworden und immer wieder aufgestanden. Mich kriegt man schwer kaputt“, so Brunner. Es focht ihn nie an, dass ihm bei jeder seiner 6 Gründungen Bedenken entgegenschlugen. „Ich habe mir halt konträre, komplexe Themen herausgesucht und nicht solche, die en vogue sind“, sagt er.
Der Erfolg bei Unternehmensentwicklung und Firmenverkäufen gab ihm recht. Zu seinen Gründungen gehören JouleX, ein Unternehmen für Energiemanagement, das er für 107 Millionen Dollar an den US-Tech-Konzern Cisco verkaufte, und das IT-Unternehmen relayr, das der Versicherungskonzern MunichRE für 300 Millionen Dollar übernahm.
Förderer nachhaltiger Start-ups
Damit hatte Brunner genügend Mittel, um mit seiner AFT Gruppe (Advanced Future Technologies) in Start-ups zu investieren, die Energiewende und nachhaltige Transformation vorantreiben. Aktuell steht learnd SE im Fokus, eine britische Firma für Energiemanagement.
Als Brunners Beteiligungen aus dem Ernährungssektor nicht so recht florierten, beschäftigte er sich näher mit dem Lebensmittelmarkt. Da dort wenige große Konglomerate und Handelsunternehmen dominierten, hätten kleinere Betriebe immer weniger Chancen, ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Daraus entstand die Idee für Brunners 6. Unternehmen.
Kleine Betriebe durch Holding stärken
Die Holding NutriUnited soll als Dach für 5 bis 10 relativ kleine Lebensmittelbetriebe (Umsatz 10 bis 50 Millionen Euro) dienen, die er nach und nach kauft. Die Edwin Grasmehr GmbH, eine Landmetzgerei aus Weilburg, hat er bereits erworben. Bei der Suche nach weiteren Firmen legt Brunner Wert darauf, dass „alle einen besonderen Benchmark mitbringen, von dem die anderen Betriebe der Gruppe profitieren“. Das können Kompetenzen in Produktentwicklung oder Einkauf sein.
„Lebensmittelindustrie radikal neu denken“
Die einzelnen Firmen bleiben eigenständig und „als lokale Champions“ in der Region verwurzelt, können aber, so die Idee, gemeinsam schlagkräftiger auftreten und Synergien nutzen. Mit dieser Vision versucht der Serienunternehmer nun nichts weniger, als „die Lebensmittelindustrie radikal neu zu denken“, wie er sagt. NutriUnited sei sein bisher „dickstes Brett“.
Zur Person: Josef Brunner
Josef Brunner, Jahrgang 1981, gründete sein 1. Unternehmen als 16-jähriger Schüler, weitere folgten. Bekannt wurde er durch den millionenschweren Verkauf von Firmen an internationale Konzerne. Mit seiner AFT Gruppe investiert er in Start-ups aus Zukunftsbranchen. 2024 rief er NutriUnited ins Leben, eine Holding für ausgesuchte Unternehmen der Lebensmittelbranche.