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Wie tragen Sie zu mehr Weltoffenheit bei?

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Weltoffenheit, gemischte Teams – Unternehmer und Unternehmerinnen erklären, warum sie sich dafür einsetzen

Die Wirtschaft braucht Vielfalt. Und die stellt sich in einer weltoffenen Gesellschaft besser ein. Wie auch kleine Unternehmen dazu beitragen und Haltung gegen Extremismus und Fremdenhass zeigen.

Von Gabriele Lüke, 09/2024
 
„27 Prozent von uns – #KeineWirtschaftOhneWir“ - unter diesem Motto fördert die IHK für München und Oberbayern eine groß angelegte Aktion für Weltoffenheit und Vielfalt in der deutschen und bayerischen Wirtschaft. „27 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Sie sind fester Bestandteil unserer Gesellschaft und unserer Belegschaften. Wir wollen und können in den Betrieben nicht auf sie verzichten“, erläutert IHK-Präsident Klaus Josef Lutz. „Nur mit diesen 27 Prozent kommen wir auf 100 Prozent Leistung in der Wirtschaft. Und das machen wir mit dieser Aktion unmissverständlich klar.“ Die IHK und alle Unternehmen, die mitmachen, kürzen daher ihre Logos symbolisch um 27 Prozent und zeigen so, was ihnen fehlen würden, gäbe es die zugewanderten Kollegen nicht. Jenseits der Symbolik tragen Unternehmer und Unternehmerinnen aber auch mit praktischen Maßnahmen zur Weltoffenheit bei: im Sortiment, im Ehrenamt, durch ihre Geschäftsidee. Auch kleine und Einzelunternehmen können hier Zeichen setzen. Die IHK für München und Oberbayern hat nachgefragt:


„Wir holen die große weite Welt in die Region“

Christine und Thomas Bacher, Bacher‘s Feinkost, Eching

Ein gutes Essen verbindet Menschen – egal woher sie ursprünglich stammen. Internationale Feinkost ist damit wohl per se ein Beitrag zur Weltoffenheit. Uns macht ein internationales Sortiment auf jeden Fall auch persönlich viel Freude: Wir sind stets neugierig auf neue Geschmacksrichtungen und Düfte, haben Lust, sie zu entdecken und anzubieten. Sind wir in den Ferien im Ausland lieben wir es, auf Märkten, in Läden, auf Weingütern neue Spezialitäten zu kosten und dann in Eching anzubieten. Dabei lernen wir zugleich immer wunderbare und interessante Menschen kennen.

Schon in unserem früheren Kiosk verkauften wir neben Waren aus der Region vielerlei Produkte aus Europa und den USA. Auch der Feinkostladen in Eching, den wir vor fünf Jahren übernommen haben, hatte diese Mischkonzept aus Regionalität und Internationalität. Wir führen es sehr gern fort. Ob Wein oder Whisky, Schinken, Wurst, Käse oder Schokolade – unsere Waren stammen von Anbietern aus dem Umland, aber auch aus Spanien, Italien, Frankreich, Schottland, Irland oder Belgien, aus Neuseeland und den USA. Zeitweilig gab es sogar eingelegte Früchte aus Aserbaidschan in unseren Regalen.

Wechselseitige Bereicherung

Bisweilen haben auch die regionalen Produkte, die wir verkaufen, einen internationalen Hintergrund: etwa unsere ursprünglich aus der indischen Küche stammenden Chutneys oder Whisky, der aber am Schliersee gebrannt wird. Mit diesem Sortiment und zudem unseren internationalen Mitarbeiterinnen holen wir die große weite Welt in unsere kleine Region. Und die Menschen hier nehmen es gern an und werden neugierig auf mehr.

Apropos: Während der Wiesn-Zeit kaufen dann umgekehrt viele internationale Gäste unsere regionalen Spezialitäten und nehmen sie mit in ihre Heimatländer. Das Schöne an Weltoffenheit ist doch auch, dass wir uns damit wechselseitig bereichern. 


„Weltoffenheit ist eine Frage der Haltung“

Begonia Merayo, Why Consult, München

Weltoffenheit ist für ein Unternehmen nicht nur eine gute Tat, sie ist notwendig. Denn eine internationale Belegschaft mildert den Fachkräftemangel, führt aber vor allem auch zu mehr Innovationen, neuen Märkten und damit mehr Zukunftssicherheit und bereichert menschlich. Ich trage durch mein Geschäftsmodell meinen Teil zu mehr Weltoffenheit in der Wirtschaft bei. Seit 2011 berate ich Unternehmen bei der Rekrutierung ausländischer, insbesondere weiblicher Fach- und Führungskräfte in technologischen Berufen. Sie stammen aus Europa, den beiden Amerikas, Nordafrika, dem Nahen Osten oder Indien. Zugleich rate ich Unternehmen aber auch, auf Fachkräfte mit Migrationshintergrund, die bereits in Deutschland leben, ein Augenmerk zu haben, sie als Talente zu erkennen und kontinuierlich zu fördern. Wir sind ja bereits eine multikulturelle Gesellschaft.

Neben der Unterstützung bei der Rekrutierung helfe ich meinen Kunden, die internationalen Teams aufzubauen, die Vielfalt wirklich zu leben, zusammenzuwachsen: Unternehmen müssen ihre unternehmerische Identität mehr denn je nicht nur aus ihrer nationalen kulturellen Erfahrung definieren, sondern vor allem lernen, die Kraft einer diversen Belegschaft zu erschließen. Die weiblichen und ausländischen Fachkräfte selbst begleite ich mit meinem net4tec-Netzwerk. Hier setzen wir auf persönliches Wachstum, Wissenstransfer und strategisches Netzwerken.

Beim Onboarding Unterstützung bieten

Grundsätzlich haben es ausländische Fachkräfte in Deutschland nicht immer leicht. Nicht nur die ausufernde Bürokratie macht es ihnen schwer, auch die Sprache stellt eine Barriere dar. Unternehmen sollten neuen Mitarbeitenden daher beim Onboarding Unterstützung bieten und eine inklusive Arbeitskultur schaffen, in der alle Mitarbeitenden das volle Potenzial entfalten können. Zudem sollten sie sowohl neue als auch bestehende Mitarbeitende mit ausländischem Hintergrund vor möglicher Diskriminierung schützen. Insofern ist der Einsatz für mehr Weltoffenheit nicht von der Größe eines Unternehmens abhängig, sondern ganz allein von der Haltung.


„Unser Geschäftsmodell basiert auf Weltoffenheit“

Eberhard Witthoff, VEO Partners GbR, Seehausen am Staffelsee

Wir haben die VEO Partners gerade erst gegründet. Unsere Geschäftsidee: Wir beraten Unternehmen zur Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), unterstützen sie bei der entsprechenden Compliance und beim Risikomanagement in ihren internationalen Lieferketten – vor allem auch im globalen Süden – und setzen dabei moderne Geoinformationssysteme ein. Internationalität und Weltoffenheit sind für uns entscheidende Assets, um unsere Arbeit gut machen zu können. Ohne sie würde sich unsere Geschäftsidee gar nicht umsetzen lassen. Wir brauchen einen empathischen Blick auf die Bedürfnisse der Zulieferer im globalen Süden. Nur dann verstehen wir die Zusammenhänge, können unseren Kunden im globalen Norden ganzheitliche Lösungen vorschlagen und diese dann gemeinsam mit Zulieferern vor Ort umsetzen. Dafür haben wir eine interdisziplinäre, vor allem aber internationale Belegschaft und internationale Kooperationspartner, die die betroffenen Lieferländer und ihre Kulturen gut kennen, ihre Sprachen sprechen. Auch reisen wir immer wieder dorthin, informieren uns, schauen genau hin, fragen nach.

Eigenen Horizont erweitern

Verordnungen wie die EUDR sind komplex, sorgen aber auch dafür, dass sich die verschiedenen Regionen der Welt mehr füreinander interessieren und aufeinander zugehen müssen. Damit fördern sie und die Menschen, die sie umsetzen, auch Weltoffenheit und tragen dazu bei, dass die Weltgemeinschaft hoffentlich mehr zusammenwächst. Zugleich bereichert uns die Arbeit in internationalen Zusammenhängen auch persönlich sehr: Wir erweitern unseren Horizont, lernen interessante Menschen und neue Ansätze in aller Welt kennen, kommen persönlich weiter.


„Auch ehrenamtlich lässt sich ein Beitrag gegen Rassismus leisten“

Stefan Dornow, Anwaltskanzlei Dornow, Tutzing

Als Anwalt arbeite ich seit rund 13 Jahren im Bereich des Asylrechts. Das komplexe Asylverfahren stellt viele Geflüchtete vor riesige Herausforderungen. Ihnen anwaltlich beizustehen ist nicht nur juristisch geboten, sondern zugleich auch ein erster wichtiger Schritt zu einer besseren Integration. So kann ich bereits über meinen Beruf – was mich auch persönlich freut – einen gewissen Beitrag zur Weltoffenheit und einer multikulturellen Gesellschaft leisten.
 
Jedoch ist Asylanwalt zu sein für mich nicht einfach nur ein Geschäftsmodell. Ich fühle mich authentischer und glaubwürdiger, wenn ich mich auch über meine berufliche Tätigkeit hinaus für Geflüchtete, für Menschenrechte und gegen Rassismus einsetze. Seit 2020 engagiere ich mich deshalb zum Beispiel ehrenamtlich im Bellevue di Monaco. Das Bellevue ist ein Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete in der Nähe des Viktualienmarkts in München, im Herzen der Stadt. Es bietet eine vielfältige kostenlose Beratung für Geflüchtete an: zu Arbeit, Aufenthalt, Sprache. Dort bin ich ein bis zweimal in der Woche aktiv.

Weltoffenheit macht Spaß

Über diese Arbeit bekomme ich im Übrigen auch persönlich viel zurück: Ich kann Geflüchteten hoffentlich helfen, lerne ihre Kulturen kennen, ihre Lebensphilosophie. Das bereichert und macht einfach richtig Spaß. Sicherlich kann nicht jede Selbstständigkeit wie bei mir schon ein Plädoyer für mehr Weltoffenheit sein. Aber auch ehrenamtlich lässt sich ein Beitrag leisten und zeigen, dass Geflüchtete, Zuwanderung und Weltoffenheit eine Chance und ein Geschenk für unser Land sind und kein Problem.

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